Energiewende / Wie geht es mit Luxemburgs Tankstellen weiter?
Eine Tankstelle auf elf Quadratkilometern – so dicht ist das Tankstellennetz in Luxemburg. Und es wird noch dichter werden. Aber auch die Tankstellen selbst sollen sich verändern.
238 Tankstellen gibt es in Luxemburg (Stand 2022) – und es sollen noch mehr werden. Die Gemeinde Petingen etwa plant eine neue Tankstelle. Der Gemeinderat kaufte aus diesem Grund am 18. März ein Grundstück, um es einem „multinationalen Öl- und Gaskonzern“ zur Verfügung zu stellen. Das geht aus einer parlamentarischen Frage von Marc Goergen (Piraten) hervor.
Rechnerisch kommt in Luxemburg eine Tankstelle auf eine Fläche von rund elf Quadratkilometern. Bei unseren Nachbarn in Deutschland ist dieses Gebiet mit rund 25 Quadratkilometern mehr als doppelt so groß. Kein Wunder, fahren doch jeden Tag viele Menschen aus dem Ausland ins Großherzogtum, um von den günstigeren Spritpreisen zu profitieren. Auch deswegen habe Luxemburg „im Transportsektor eine enorm schlechte Bilanz aufzuweisen“, schreibt Goergen.
Der Abgeordnete fordert angesichts des Klimawandels die Regierung dazu auf, „in Zukunft wenigstens nicht mehr Erdöl zu verkaufen, als es jetzt schon der Fall ist“ und das „traditionelle und klimaschädliche Tankstellennetz nicht weiter auszubauen“.
Regierung steht zur „Handlungsfreiheit“
Wirtschaftsminister Lex Delles (DP) stellt in seiner Antwort klar, dass die Regierung zur „Handlungsfreiheit“ steht. Ein Betrieb, der die nötigen Genehmigungen erhalte, könne sich auch niederlassen. Ein strengerer Rahmen sei im Koalitionsabkommen nicht vorgesehen, sagt Delles.
Anders sieht es bei den aktuell acht Autobahntankstellen im Land aus. Die Nutzungsrechte werden über europäische Ausschreibungen vergeben. Zusätzliche „traditionelle Autobahntankstellen sind momentan nicht geplant“, sagt der Wirtschaftsminister. Stattdessen sollen die bestehenden Tankstellen zu „Multi-Energie-Zentren“ weiterentwickelt werden.
Die Anzahl an gewöhnlichen Tankstellen kann nicht so einfach limitiert werden. Denn sowohl die Handlungsfreiheit, die in der Luxemburger Verfassung verankert ist, als auch der Vertrag über die Europäische Union müssten berücksichtigt werden, schreibt der Wirtschaftsminister. „Es müsste belegt werden, dass das Ziel des Klimaschutzes durch weniger Erdölkonsum nicht durch eine effizientere und weniger restriktive Art und Weise umgesetzt werden könnte“, so Delles in seiner Antwort.
Die luxemburgische Regierung will deswegen den Wechsel zur Elektro- und klimaneutralen Mobilität durch Subventionen beim Kauf eines Elektroautos und bei der Installation von elektrischen Ladesäulen unterstützen.
Erste Wasserstofftankstelle in Bettemburg
Auch der Wasserstoff soll eine Rolle spielen. Weniger bei Privatautos, sondern vielmehr bei schwereren Fahrzeugen. „Wenn die Maschine schwerer wird und länger fahren muss, dann wird es problematischer, mit der direkten Elektrifizierung zu arbeiten“, sagte der damalige Transportminister François Bausch im September 2022. Deswegen soll europaweit bis 2030 ein dichtes Netz von Wasserstofftankstellen an strategischen Orten entstehen.
Im September 2023 war es dann so weit: Die erste Wasserstofftankstelle Luxemburgs wurde in Bettemburg eröffnet. Yves Cruchten und Claire Delcourt (beide LSAP) wollten sich deswegen im Februar dieses Jahres in einer parlamentarischen Frage über die Bilanz der Tankstelle erkundigen.
Die Antwort von Mobilitätsministerin Yuriko Backes (DP) fällt ernüchternd aus. „Die Eröffnung für die Öffentlichkeit hat sich verzögert“, sagt die Ministerin. Derzeit würden Betankungsversuche durchgeführt und die endgültige „Zertifizierung der Anlage“ sei noch für April geplant. Zahlen über die monatlichen Nutzer gibt es deswegen noch nicht.
Besonders hoch dürften diese nicht ausfallen. Denn es gibt insgesamt erst vier wasserstoffbetriebene Fahrzeuge, die in Luxemburg zugelassen sind. Davon befinden sich zwei in Privatbesitz. Der Haken bei Wasserstoffautos ist derzeit der hohe Preis der Technologie – sowohl bei den Tankstellen als auch bei den Autos. Neuwagen wie etwa der Toyota Mirai und der Hyundai Nexeo kosten aktuell rund 70.000 Euro. Der Kauf eines wasserstoffbetriebenen Brennstoffzellenfahrzeugs wird wie auch Elektroautos vom Staat bezuschusst.
Die Wasserstofftankstelle in Bettemburg kostet laut Yuriko Backes fast 3 Millionen Euro. Die Europäische Kommission unterstützt den Bau über das Projekt „H2Benelux“ mit 966.250 Euro, der Luxemburger Staat über den Klima- und Energiefonds mit bis zu 800.000 Euro. Der restliche Betrag wird vom Betreiber TotalEnergies übernommen.
Europäisches Netz bis 2030
Die CSV-DP Regierung analysiert, „wie viele zusätzliche Stationen geplant werden müssen, um die Wasserstoffbranche zu fördern und mittelfristig die Nachfrage zu befriedigen“. Denn eine EU-Verordnung aus dem vergangenen Jahr sieht bis 2030 den Aufbau eines europäischen Netzes von Wasserstofftankstellen vor: Entlang des Transeuropäischen Transportnetzes muss alle 60 Kilometer eine Wasserstofftankstelle eingerichtet werden.
„Bis 2030 werden mehr solcher Lkw-Tankstellen benötigt“, sagt die Mobilitätsministerin. Zusätzlich will die Regierung reguläre Tankstellen zu Multi-Energie-Tankstellen ausbauen – auch weil die Nachfrage nach Wasserstoff steigen soll.
Der „Integrierte Nationale Energie- und Klimaplan Luxemburgs“ (PNEC) schätzt den Wasserstoffverbrauch für 2030 auf 100 Gigawattstunden (GWh) im Verkehrssektor. Daneben gilt die Industrie als größter potenzieller Nutzer von Wasserstoff. Bis 2030 soll der Jahresverbrauch von 15 auf 130 GWh ansteigen. Der dritte große Bereich, der für die Nutzung von Wasserkraftstoff infrage kommt, ist die Erzeugung von Wärme und erneuerbarem Strom. Der PNEC schätzt in diesem Sektor den Bedarf für 2050 auf 1.000 bis 2.000 GWh.
Import von Wasserstoff nach Luxemburg
Für den wachsenden Bedarf an Wasserstoff in Luxemburg muss die Versorgung sichergestellt werden. Beim Staatsbesuch des Großherzogs und der Großherzogin vergangene Woche in Belgien wurde die Luxemburger Delegation aktiv: Creos Luxembourg unterzeichnete mit dem belgischen Fernleitungsbetreiber für Erdgas „Fluxys“ eine Vereinbarung. Die beiden Firmen wollen darüber nachdenken, wie Wasserstoff nach Luxemburg gelangen kann.
Die Regierung will aber nicht nur den Import, sondern auch den Transit von Wasserstoff über Luxemburg ermöglichen. Denn für „die Dekarbonisierung des Industriesektors und angesichts der angestrebten Mengen kristallisieren sich die Netze als einziges wirtschaftlich tragfähiges Transportmittel heraus“, sagt Backes. Dabei handle es sich jedoch um ein Großprojekt. Langfristig sollen neben dem Wasserstofftransport über die Straße auch andere Wege in Betracht gezogen werden, wie über das Wasser oder die Schiene.
Auch im Großherzogtum selbst soll Wasserstoff produziert werden. Die Regierung wolle Anreize für Projekte zur Erzeugung von erneuerbarem Wasserstoff schaffen, schreibt die Mobilitätsministerin. Bevor es so weit ist, sei aber laut Backes zunächst die Dekarbonisierung wichtig, „indem die Anstrengungen zur Energieeffizienz maximiert werden und die Prozesse so weit wie möglich elektrifiziert werden“. Denn die Herstellung von Wasserstoff aus Strom und Wasser geht mit erheblichen Energieverlusten einher. Der Preis im Verhältnis zu herkömmlichen Kraftstoffen soll sich aber laut einer Studie des „European Hydrogen Observatory“ sehen lassen: etwa acht bis zehn Euro pro Kilogramm Wasserstoff. Bei einem Verbrauch von einem Kilo pro 100 Kilometer fährt man damit folglich günstiger als mit Benzin oder Diesel.
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