Chamber / Wie hast du’s mit Atom? Parlament diskutiert über Luxemburger Position zur Nuklearenergie
Die Chamber hat am Dienstag auf Antrag der Linken über die Luxemburger Position zur Nuklearenergie diskutiert. Ursprung der Diskussion waren die laut „déi Lénk“ widersprüchlichen Aussagen von Premierminister Luc Frieden.
Premierminister Luc Frieden (CSV) hat mit seinen Aussagen am Rande des ersten internationalen Gipfeltreffens für Atomenergie in Brüssel Ende März für mächtig Wirbel gesorgt. Luxemburg wolle anderen Staaten nicht vorschreiben, „wie sie von fossilen Energien wegkommen sollen“. Man müsse die Kernforschung mit europäischen Mitteln unterstützen und die Thematik „weniger ideologisch“ betrachten, sagte Frieden. Und auch wenn er seine Aussagen in Bezug auf die Luxemburger Politik noch einmal relativierte, lieferte der CSV-Premier den Oppositionsparteien eine Vorlage, die diese dankenswerterweise aufnahmen. Hatte der Premier etwa einen jahrzehntelangen Konsens der Luxemburger Politik in Bezug zur Atompolitik aufgekündigt? Unter anderem diese Frage stellte der Linken-Politiker David Wagner am Dienstag im Chamberplenum im Rahmen einer Aktualitätsstunde.
Der Linken-Politiker unterstellte Luc Frieden in seinen Ausführungen, dass der „jahrzehntelange Konsens mit den Aussagen des Premierministers baden gegangen ist“. „Es ist schwierig, glaubwürdig zu bleiben, wenn der Premierminister die Atomenergie einerseits als zukunftsträchtig betitelt und sie in Luxemburg als existenzbedrohend einstuft“, sagte Wagner.
Dass es zu einer Kehrtwende bei der Atompolitik kommen könnte, machte Wagner auch daran fest, dass sich die Regierung beim Einspruch Österreichs zur EU-Taxonomie eher abwartend zeige. Wenig überraschend, denn: Die EU-Taxonomie diktiere nun mal, in welchen Bereichen zukünftig noch investiert werde. Dass die Nuklearenergie eine Rolle im Kampf gegen den Klimawandel spielen könnte, bezweifelt der Linken-Politiker. „Es ist eine teure und riskante Energiequelle, die Investitionen bis 2100 binden würde“, sagte Wagner. Demnach sei es an der Regierung, Farbe zu bekennen: „Wo führt die Atomreise der Regierung hin?“
Schlingerkurs der CSV
Dass die CSV derzeit einen Schlingerkurs in Sachen Atomkraft fährt, verdeutlichten die Aussagen vom CSV-Abgeordneten Jeff Boonen. „Atomenergie ist aufgrund der Abfallprobleme und des Risikos der Unfälle nicht nachhaltig“, sagte der CSV-Politiker in seiner Rede vor dem Chamberplenum, nur um wenig später Investitionen in die Forschung mit der Begründung einer „nachhaltigen Lagerung der Abfälle“ zu fordern. „Wind, Solar, Biomasse sind absolute Priorität“, sagte Boonen. Man sei sich bewusst, dass man für die Energiewende im Kampf gegen den Klimawandel nicht auf die Atomenergie setzen könne. Jedoch brauche man die Atomenergie in Form der Kernfusion für die Zeit nach 2050.
DP-Politiker Luc Emering grenzte sich in dem Fall bereits klarer von der Nuklearenergie ab. „Wir sagen Nein zu fossilen Brennstoffen und Nein zur Atomkraft“, sagte Emering im Namen der DP. Ganz einfach deswegen, weil die Atomkraft zu gefährlich sei. Und: „Es kann bis zu 20 Jahre dauern, bis neue Atomkraftwerke ihren Betrieb aufnehmen – zu spät für die Klimakrise.“ Stattdessen plädierte der DP-Politiker für massive Investitionen in erneuerbare Energien, die auf sichere Art und Weise einen großen Teil des Strombedarfs abdecken können. Dafür benötige es jedoch massive Investitionen in Infrastrukturen und schnellere Genehmigungsprozeduren. Marc Goergen von den Piraten forderte seinerseits, die Speicherkapazitäten in Luxemburg auszubauen.
ADR gibt Luxemburger Souveränität auf
LSAP-Politiker Georges Engel verwies in seinen Ausführungen vor allem auf die Risiken der Atomkraft. „Atomenergie ist gefährlich und muss mit hohen Kosten verbunden und konstant betreut und überwacht werden“, sagte Engel. Zudem mache man sich mit der Atomenergie weiterhin von Ländern wie Russland, Kasachstan und Usbekistan abhängig, aus denen Brennmaterial importiert werden müsse. Engel prangerte in dem Kontext auch den „doppelzüngigen Diskurs“ der Regierung an, die sich für eine Schließung der Atomkraftwerke rund um Luxemburg einsetzen und gleichzeitig Investitionen fördern wolle.
Tom Weidig von der ADR meinte kurzerhand, die Entscheidung in puncto Atomkraft nicht im souveränen Luxemburg zu treffen, sondern sie anderen Großmächten zu überlassen. „Amerika, England, Frankreich, Japan, Finnland, Polen … alles Länder, die sich für eine Verdreifachung der Nuklearenergie ausgesprochen haben“, sagte der ADR-Politiker. Und abschließend: „Wir sollten auf EU-Ebene eine konstruktive Politik machen und das so akzeptieren, wenn andere Länder das ebenfalls so sehen.“ Die Atomkraft bezeichnete der ADR-Politiker als eine statistisch sichere Energietechnologie, die ein vergleichbares Risikopotenzial wie Flugreisen habe.
Dem widersprach François Bausch von den Grünen, der darauf hinwies, dass jeder wisse, was in Fukushima oder Tschernobyl geschehen sei. „Das ist der Gipfel des Zynismus“, sagte Bausch. Zudem gebe es im Rahmen der Nuklearenergie immer auch sicherheitspolitische Bedenken. „Es gibt ein Risiko von Anschlägen – außerdem hat die Weltgemeinschaft nicht umsonst jahrelang dafür gestritten, dass der Iran kein Nuklearprogramm betreiben kann.“
Premierminister Luc Frieden und Energieminister Lex Delles bekräftigten im Anschluss an die Diskussion, dass die Regierung hinter den Zielen im Energie- und Klimaplan stehe. Luc Frieden ordnete seine Aussagen am Brüsseler Gipfeltreffen noch einmal ein. „Es ist Fakt, dass viele europäische Länder eine andere Schiene fahren“, sagte er. Selbst innerhalb der Benelux stehe die Regierung mit ihrer Anti-Atom-Position isoliert da. „Luxemburg kann hingegen nur auf sich schauen.“ Und da stehe fest, dass Luxemburg kein Atomkraftwerk bauen werde. Motionen von „déi Lénk“, dass Luxemburg sich gegen Investitionen in Atomkraft mit europäischen Geldern oder Geldern aus dem Pensionsfonds einsetze, wurden mit Stimmen der Mehrheitsparteien und der ADR abgelehnt.
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