Der Weltraum-Abwehr-Spezialist / Wie Luxemburg Innovation im Verteidigungsbereich vorantreiben will
In Luxemburg wie überall in Europa steigen die Ausgaben für den Bereich der Landesverteidigung deutlich an. Doch um wie viel Geld geht es eigentlich? Wo fließt es hin? Und welche Möglichkeiten haben Luxemburger Firmen, um sich an Projekten zu beteiligen? Diese und ähnliche Fragen hat das Tageblatt am Rande der ersten „BeNeLux-Space4Defence“-Konferenz an Sasha Baillie (Geschäftsführerin von Luxinnovation) und an Nina Garcia („première conseillère de gouvernement“ bei der „Direction de la Défense“) gerichtet.
Tageblatt: Wie viel Geld gibt der Luxemburger Staat für seine Verteidigung aus?
Nina Garcia: Für das Jahr 2023 sind im Staatshaushalt 563 Millionen Euro vorgesehen. Das sind 0,71 Prozent der nationalen Wirtschaftsleistung (BIP). Bis 2028 will die Regierung die Ausgaben auf ein Prozent des BIP erhöhen.
Wo fließt das Geld hin?
N.G.: Die 563 Millionen werden aufgeteilt zwischen der Armee, der „Direction de la Défense“ und dem „Fonds d’équipement militaire“. Da die Armee nur rund tausend Soldaten zählt, kostet sie nicht besonders viel. Die größten Summen fließen traditionell in den Fonds, der zur Finanzierung größerer Projekte wie den Kauf eines Flugzeugs oder eines Satelliten genutzt wird. In den nächsten Jahren wird zudem ein großer Teil des Geldes in den Aufbau eines gemeinsamen Bataillons mit Belgien fließen.
Gibt es eine „Kauf lokal“-Politik bei den Verteidigungsausgaben?
N.G.: Ja. Die Einbindung Luxemburger Unternehmen ist eine Priorität. Auch die Beteiligung von kleinen und mittleren Unternehmen soll gesichert werden. Es geht um den Zugang zu den großen EU-Projekten zum Aufbau von Europas Kapazitäten. Es soll ein Mehrwert für die Luxemburger Wirtschaft bringen.
Sasha Baillie: Daher gibt es auch die Zusammenarbeit mit Luxinnovation. In vielen unterschiedlichen Sektoren bauen wir in Luxemburg Kapazitäten mit auf. Wir bringen Forschung und Unternehmen zusammen. Wir kennen das hiesige wirtschaftliche Umfeld und auch die Regeln zur Beteiligung an EU-Forschungs- und -Entwicklungsprojekten. Dann gibt es noch den European Defence Fund …
Der European Defence Fund?
N.G.: Der Verteidigungsmarkt ist in Europa sehr zersplittert. Es gibt sehr viele Anbieter und keine besonders hohe Effizienz. So fehlt die Kostenersparnis durch Größenordnung. Auch die Verbindungen zwischen den unterschiedlichen Systemen gestalten sich schwierig. Mit dieser Initiative will man nun Europas industrielle Basis wie auch die Wettbewerbsfähigkeit stärken. Zudem will man kleinere Firmen besser in die Lieferketten mit einbauen. Acht Milliarden Euro sind von 2021 bis 2028 für Projekte vorgesehen.
S.B.: Bestehende Lücken sollen nun durch Kooperation gefüllt werden. Wir haben auch in Luxemburg Kapazitäten. Verstreut. Das gilt es nun zu vernetzen. Das ist eine Aufgabe von Luxinnovation.
Wie viele Firmen haben wir, die im Bereich der Verteidigung aktiv sind?
S.B.: Wir haben einen Katalog erstellt von Luxemburger Firmen, die in den Bereichen Verteidigung Leistungen als Zulieferer anbieten können. Insgesamt 86 Unternehmen, die Beiträge leisten können, haben wir aufgelistet. Mit dazu zählen Firmen wie Ceratizit (spezialisierte Werkzeuge), Eurocomposites (Materialien), Hitec (Antennen) und die SES (gesicherte Konnektivität) und auch viele Unternehmen aus dem analytischen Daten-Bereich. Es ist multisektoriell. Die Unternehmen können aus allen Bereichen kommen. Und sie können untereinander zusammenarbeiten. 40 der 86 Firmen sind im Weltraum-Sektor aktiv, etwa im Bereich der Erdbeobachtung.
N.G.: Wir wollen auf Produkte setzen, bei denen ein „dual-use“ möglich ist. Produkte, die militärisch und auch zivil eingesetzt werden können. Auch haben wir seit 2018 eine EU-Vorgabe, dass wir zwei Prozent unseres Verteidigungsbudgets in R&D investieren sollen.
Das passt ja gut zur Strategie des Wirtschaftsministeriums, auf eine Verbindung von Forschung mit innovativen Unternehmen zu setzen … wie im Weltraum- und im BioHealth-Bereich …
N.G.: Ja. Aber wir als Défense haben nicht die Kontakte mit den Firmen. Es gilt, Synergien zu schaffen. Die Zusammenarbeit mit dem Wirtschaftsministerium und dem „Fonds national de la Recherche“ zu fördern. Luxinnovation kann dabei helfen, den Zugang zu EU-Geldern zu finden und zu erleichtern.
S.B.: Es handelt sich um Unternehmen aus sehr unterschiedlichen Sektoren. Bei Luxinnovation haben wir da die Übersicht. Wir kennen die Unternehmen und ihre Fachkenntnisse. So helfen wir mit dem Ausbau der Verteidigungskapazitäten und es werden neue Jobs geschaffen.
Kann sich da jedes Luxemburger Unternehmen daran beteiligen?
S.B.: Im Prinzip ja. Es gelten aber auch eine Reihe Kriterien. Etwa bei den Besitzverhältnissen. Das schauen wir uns bei Luxinnovation gleich mit an. Ähnlich wie wir auch die Firmen unter die Lupe nehmen, wenn es um Anfragen für Hilfen vom Wirtschaftsministerium geht.
Wie groß ist das Potenzial für Luxemburg? In neuen Arbeitsplätzen?
S.B.: Das ist schwer einzuschätzen. Es ist halt alles sehr breit gefächert, sehr multisektoriell. Weltraum und Daten sind sogenannte „Ermöglicher“– sie arbeiten für alle Bereiche Umwelt, Transport, Energie oder auch die Verteidigung. Und Luxemburg kann das sehr gut: unterschiedliche Sachen zusammenbringen, Projekte starten und testen. Da sehe ich sehr viel Potenzial für Luxemburg.
Ist diese Zusammenarbeit beim Projekt mit Virgin Orbit (Weltraumbahnhof) denn vergessen worden? Das ist doch allein auf das Vereidigungsministerium zurückzuführen?
N.G.: Zusammen mit Luxinnovation versuchen wir die Firmen über die Möglichkeiten in Europa zu informieren. Wenn wir als Défense aber Möglichkeiten sehen, wie Virgin Orbit machen, oder auch das Projekt für die Solar angetriebenen Drohne, Skydweller, dann machen wir. Das mit Virgin Orbit steht erst ganz am Anfang. Eine Machbarkeitsstudie zusammen mit der Défense. Wenn mehr daraus wird, dann soll auch ein Mehrwert für die Wirtschaft des Landes folgen.
S.B.: Im Rahmen der „BeNeLux-Space4Defence“-Konferenz unterschreiben wir, Luxinnovation und Défense, nun ein Partenariat, um künftig mehr Infos auszutauschen und noch besser zusammenzuarbeiten. Das braucht es, um die Möglichkeiten zu erkennen.
Gibt es bei Luxinnovation ein Defense-Cluster?
S.B.: Wir haben eine Person, die für den Bereich zuständig ist. Einen Koordinator. Eine zweite wird eingestellt. Wir schaffen und animieren die Gemeinschaft der Firmen. Informieren über Möglichkeiten. Bringen Betriebe und Forschungseinrichtungen zusammen. Ist alles noch ziemlich neu. Doch die Community ist dabei, aufzuleben.
Ist die „BeNeLux-Space4Defence“-Konferenz auch neu?
S.B.: Ja. Es ist die erste echte Ausgabe der Konferenz. Sie war bereits 2021 organisiert worden, doch nur digital. Etwa 200 Akteure aus Belgien (70), Luxemburg (100) und den Niederlanden (30) sind gekommen, Verbände, Unternehmen und Verteidigungsinstitutionen. Beispielsweise erklärt die European Defense Agency den Betrieben, wo Kapazitäten gebraucht werden, wo sie Projekte einbringen können. Wer kann mit wem zusammenarbeiten? Hier können sich die Unternehmen untereinander kennenlernen.
Ist die Konferenz eine Folge der Invasion der Ukraine?
S.B.: Nein. Sie war bereits seit zwei Jahren geplant. Wir haben aber ausgebaut. Wir sehen heute jedoch, dass der Weg der richtige ist. Am Tag vor dieser Konferenz war die GovSat-Tagung. Mehr als 900 Personen waren gekommen.
N.G.: Die Veranstaltung wird immer größer. Im Jahr davor waren es erst 400 Gäste. Die Veranstaltungen werden größer. Es kommen staatliche Akteure und Unternehmen aus der ganzen Welt.
Sie sind beide im Verwaltungsrat des Unternehmens GovSat, das den 2018 gestarteten Satelliten für gesichtete Kommunikation betreibt.
S.B.: Als ich noch im Wirtschaftsministerium gearbeitet hatte, hatte ich das Projekt mit aufgebaut. Jetzt, wo ich bei Luxinnovation arbeite, bin ich nicht mehr dabei.
N.G.: Ich bin jetzt seit zwei, drei Jahren dabei.
Wie läuft das Geschäft? Kommt ein GovSat2?
N.G. Der Luxemburger Staat ist Anker-Kunde bei der Gesellschaft. Er kauft Kapazität und gibt diese dann an Partnerländer weiter. Als unser Beitrag. Etwa für die UN-Mission im Mali. Der Staat sorgt so für eine Umsatz-Basis. Auch das mit den institutionellen Kunden läuft mittlerweile an. Es werden immer mehr Verträge mit Partnerländern unterzeichnet. Progressiv, jedes Jahr ein bisschen mehr. Ein GovSat2 ist aber noch nicht geplant. So ein Satellit hat eine Lebensdauer von 15 Jahren.
Wird die Konferenz auch nächstes Jahr wieder stattfinden?
S.B.: Ja. Das Interesse aus der gesamten Benelux-Region ist wirklich ganz groß. Besonders im Weltraum überzeugt Luxemburg. Es zeigt, wie auch kleine Länder in Nischen ganz groß sein können.
Wie steht es um das – vor einigen Jahren angekündigte – Projekt für ein Militärkrankenhaus in Esch?
N.G.: In der Form wie angedacht gibt es das Projekt nicht mehr. Wir befassen uns aber mit der Frage, was wir tun können, um das Land noch widerstandsfähiger zu machen. Welche Lehren wir aus Covid ziehen können. Das schauen wir uns gemeinsam mit dem Gesundheitsministerium an. Welche Rolle kann die Défense übernehmen? Bisher gibt es aber nur erste Überlegungen. Wir sind keine Mediziner. Die Federführung liegt bei der Santé.
Bräuchte Luxemburg, im Sinne einer strategischen Autonomie, nicht eigene Fabriken, etwa zur Herstellung von Produkten wie Munition?
N.G.: Wir tragen zum Ausbau der europäischen Kapazitäten bei. Dort, wo wir Kompetenzen haben. Etwa im Weltraum.
S.B.: Man darf nicht den Fokus verlieren. Wenn wie über strategische Autonomie reden, dann haben wir Europa im Blick. Nicht nur Luxemburg.
Ist Luxemburg nun aktiv in der „Kriegswirtschaft“?
S.B.: Nein. Es geht um das Erhalten unserer europäischer Werte, Demokratie, Freiheit. Das braucht Sicherheit. Die Industrie ist dabei ein Lieferant von Lösungen.
N.G.: Wir sind als Gesellschaft abhängig vom Weltraum. Der Fluss dieser Dienste muss gesichert sein. Wir brauchen Widerstandsfähigkeit gegenüber von Cyberattacken. Man muss sich schützen können.
S.B.: Man darf auch nicht vergessen, was in anderen (nicht-demokratischen) Ländern der Erde passiert. Welche Technologien entwickelt und getestet werden. Europa muss sich verteidigen können.
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