Reportage / Wie Luxemburgs Autobahntunnel mit Spezialfahrzeugen aus der Schweiz gereinigt werden
Zweimal im Jahr werden Luxemburgs Autobahntunnel gereinigt – mit Spezialfahrzeugen aus der Schweiz. Das Tageblatt hat die Fahrer bei ihrer Arbeit begleitet.
Plötzlich springen die vier Bürsten mit einem lauten Geräusch an. Die Vorrichtung hängt am Ende eines Kranarms. Der ist auf einem Lkw montiert, der sich jetzt langsam in Bewegung setzt. Die Mission des Spezialfahrzeugs: die Tunnel Stafelter und Grouft auf der Luxemburger A7 putzen. Einige Meter vor dem Truck schleicht ein kleinerer Wagen her, auf dem ein Tank montiert ist. Aus einem Behälter spritzt Seife an die Tunnelwand. Dann folgen die vier großen Bürsten – und schrubben die Mauer. Ein weiterer Tank am großen Lkw spritzt im letzten Schritt Wasser an die Wand, das den Schmutz abwäscht. Dahinter brechen feine Wassertropfen das Licht der Tunnelbeleuchtung und verleihen der Röhre eine surreale Atmosphäre. Es ist kurz nach 21 Uhr.
„Grob gesagt ist es eine fahrende Autowaschanlage“, sagt Marco. Der 40-Jährige kommt seit fünf Jahren nach Luxemburg. Zweimal im Jahr – im Frühling und im Herbst – macht sich sein Team von der Schweiz ins Großherzogtum auf, um die Autobahntunnel zu reinigen. „Wenn wir diese Reinigung nicht jetzt machen würden, wären in spätestens zwei Jahren die Wände grau“, sagt Marco. Zwei Wochen lang rücken die vier Männer jede Nacht aus, um dem Schmutz den Kampf anzusagen – und das erfordert Präzision.
Bevor es losgehen kann, muss der Fahrer die Bürsten ausrichten: Sie müssen an die Wölbung des Autobahntunnels angepasst werden. Vier Meter können die Bürsten gleichzeitig abdecken: Zwei reinigen den unteren und zwei den oberen Teil der Tunnelwand. Die Konkurrenz arbeitet oft nur mit zwei, oder sogar einer Bürste, sagt Marco. „Wir können stolz darauf sein, dass unser Reinigungseffekt mit entgegengesetzt rotierenden Bürsten am effektivsten ist.“ Mehrmals steigt er aus und kontrolliert, ob der Winkel seines Bürstenkopfs mit der Neigung der Tunnelwand übereinstimmt. Wenn er mit der Feineinstellung zufrieden ist, steigt er wieder ein und tritt vorsichtig auf das Gaspedal.
Stolzer Preis: Rund 800.000 Euro pro Lkw
Schon die Fahrt zum Treffen mit den Tunnelputzern ist anders als jede andere Autobahnfahrt. Gemächlich, und mit eingeschalteten Warnblinklichtern, geht es durch die leeren Tunnel der A7. Die Strecke wirkt ohne Verkehr geisterhaft. Zuerst geht es durch den Tunnel Grouft: drei Kilometer einsamer, weiß beleuchteter Autobahnasphalt. Dann kommt der Stafelter-Tunnel, 1,8 Kilometer lang. Alle paar Hundert Meter sind Nischen an den Tunnelwänden eingelassen, sporadisch entdeckt man Arbeiter, die Wartungsarbeiten vornehmen. Am anderen Ende des Tunnels wartet das Ziel: die Spezialfahrzeuge der Tunnelreiniger.
Die Schweizer haben zwei Lkws und zwei kleinere Reinigungsmaschinen im Einsatz, damit beide Seiten gleichzeitig gereinigt werden können. Die größeren Fahrzeuge mit den Bürsten sind Sonderanfertigungen. Kostenpunkt: rund 800.000 Euro. Das Spezielle sind die Kräne, die vorne am Fahrgestell der Trucks montiert sind. „Die gibt es so eigentlich kein zweites Mal, das ist auch so patentiert“, sagt Marco. Eine weitere Besonderheit ist der Kriechgang. Dadurch kann der Lkw sehr, sehr langsam fahren: Geschwindigkeiten von 0,01 km/h sind so drin. „Ich kann mit dem Lkw so langsam fahren, da gehst du schneller“, sagt Marco.
In dieser Nacht hat die Reinigungstruppe einiges vor: 4,8 Kilometer Tunnelwände warten auf sie. Die Faustregel lautet: 800 Meter pro Stunde. Das schaffen die Fahrzeuge in etwa– inklusive Wassertank auffüllen. Geschwindigkeit ist bei einer Tunnelreinigung nun mal nicht alles. „Je langsamer du fährst, desto größer ist der Reinigungseffekt“, sagt Marco. Im Stafelter-Tunnel schreiten die Arbeiten gut voran. Trotzdem werden Marco und seine Kollegen voraussichtlich bis in die frühen Morgenstunden unterwegs sein – wenn nichts dazwischenkommt.
Das Innere des Lkws ist ein bisschen unaufgeräumt – und Marco entschuldigt sich: „Wir verbringen sehr viel Zeit in den Fahrzeugen.“ Rote und grüne Leuchten, Knöpfe für Bürsten, Winkel und Kranarm: Das Innere des Trucks ist vollgepackt. Marcos Lenkrad ist auf der rechten Seite, denn er ist für die rechte Seite des Tunnels zuständig. Er erzählt von den Herausforderungen seines Berufs. Die Tunnel in Luxemburg gehören eher zu den einfacheren Aufträgen, in der Schweiz gibt es weitaus schwierigere. Trotzdem ist immer höchste Konzentration gefragt.
Auch Schäden sind schnell passiert
Denn die harten Kunststoffhaare der Bürsten sind nicht nur ideal, um Abgase und Schmutz von den Wänden zu schrubben. Sie können auch Schäden an Signalen oder Sensoren anrichten. „Ja, das kommt leider doch ab und zu vor“, sagt Marco. Vor allem, wenn es im Tunnel dunkel ist. Und außerdem ist der Blickwinkel von der Kabine auf die Bürsten eingeschränkt. Manchmal werden auch die Bürsten in Mitleidenschaft gezogen. Das ist Marco sogar lieber: „Dann können wir einfach eine Ersatzbüste montieren.“ Ein Sensor kann dagegen schnell mal mehrere Tausend Euro kosten.
Ausreichend ist die Reinigungskraft der Spezialfahrzeuge aber nicht immer – trotz aller Patente: Marco und seine Kollegen müssen ab und zu Hand anlegen. In unregelmäßigen Abständen steigt er aus dem Lkw, greift sich eine lange Bürste und schrubbt damit die Tunnelwand. „Manchmal schafft der Lkw dann doch nicht alles“, sagt er betroffen. Dann sind dunkle Striemen neben den sauberen Stellen zu sehen. Eigentlich kümmern sich darum Arbeiter aus Luxemburg. „Aber die sind heute nicht da“, sagt Marco. Aus Kulanz machen es heute die Schweizer. „Da spielt dann ein gewisser Stolz mit, dass wir unsere Arbeit gut machen“, sagt Marco.
Die Zeit in Luxemburg ist etwas Besonderes für die Schweizer Tunnelreiniger: „Wir kommen immer gerne her“, sagt Marco. Die Stimmung ist eine andere im Großherzogtum als in ihrer Heimat, erzählt er. Dort gibt es mehr Distanz zum Kunden: „Hier merkst du wirklich, wie der sich um dich kümmert.“ Am Wochenende, wenn die Tunnelreiniger fern ihrer Heimat im Hotel schlafen, unternehmen sie oft gemeinsam mit ihren Auftraggebern etwas: Sie gehen kegeln oder besuchen eine Bar. Luxemburg? „Immer wieder gerne. Highlight vom Jahr, definitiv.“
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