Letzte mündliche Prüfungen / Wie Luxemburgs Primaner das Examen erleben
Das „Première-Examen“ ist die vielleicht prägendste Etappe in der Laufbahn eines Schülers. Die Aufregung vor der Prüfung, gepaart mit der Angst vor Corona, stellt die Jugendlichen vor eine harte Bewährungsprobe. Auch die mündlichen Prüfungen, die diese Woche stattfinden, unterliegen besonderen Sicherheitsmaßnahmen. Zwei Primaner berichten dem Tageblatt, wie sie die Examenszeit erleben.
Michel Rigo ist 21, Schüler der 1re D am „Stater Kolléisch“ („Athenée du Luxembourg“) und legt sein Abschlussexamen zum zweiten Mal ab. „Im Vergleich zum letzten Jahr ist es nicht wesentlich anders“, sagt Michel. Bei seinem ersten Versuch im vergangenen Jahr saß er beim mündlichen Examen den Prüfern direkt gegenüber. Dieses Jahr sitzt Michel ganz vorne im Raum, die Prüferetwa in der Mitte. Letztere halten auch untereinander einen Sicherheitsabstand ein. Die Maske durfte Michel während der mündlichen Prüfung abnehmen.
Das Vorgehen werde aber in den Schulen unterschiedlich gehandhabt. Eine Lehrerin erzählte Michel, dass sie ein mündliches Examen erlebt habe, wo der Schüler die Maske tragen musste. Das sei, so die Lehrerin, „akustisch nicht enorm“ gewesen. Michel ist froh, dass er den Atemschutz weglassen durfte.
Auch Philippe Marschall (Name von der Redaktion geändert), Schüler einer 1re C am Escher LGE („Lycée des Garçons“), durfte seine Maske während der „Oral“-Prüfung ausziehen. „Ich befand mich auf drei Meter Abstand zu den Prüfern. Für Philippe waren die ganzen Sicherheitsbestimmungen zum Coronavirus nebensächlich. „Es war kein Faktor, der mich gestört hat.“
Michels erster Eindruck war, dass die ganze Organisation um die Sicherheitsmaßnahmen „unerwartet“ erstellt wurde. „Letztes Jahr saßen die ganzen Primaner zur schriftlichen Prüfung gemischt im großen Festsaal, sodass keine zwei Schüler aus der gleichen Klasse nebeneinander waren.“ Für die sieben oder acht Klassen habe man sieben oder acht Lehrer zur Beaufsichtigung eingesetzt. Dieses Jahr seien die Schüler auf vier Räumlichkeiten verteilt: den großen Festsaal, den alten Festsaal und zwei weitere, kleinere Säle, in denen vulnerable Schüler ihre Prüfung ablegen. Im großen Festsaal seien demnach zwar weniger Schüler, aber auch nur drei Lehrer zur Aufsicht gewesen.
Ich habe nur die Augen gesehen, wie sie sich ein wenig bewegt haben. Ich konnte keine Emotionen lesen. Das war komisch.Primaner
Examensangst überdeckt Corona-Angst
Wie fühlt sich denn eigentlich Examen-Schreiben im Corona-Kontext an? „Ich glaube, die Angst vor dem Examen hat die Angst vor Corona überdeckt“, sagt Michel. Er selber hat über die bereits abgelegten Prüfungen zudem ein besseres Gefühl als im Vorjahr. Für Philippe war der erste Examenstag „etwas eigenartig“. „Da musste ich ständig dran denken, nicht zu nahe an die anderen Schüler zu treten, da dies ja verboten ist.“ Wegen der Maske konnte er die Gesichtsausdrücke bei seinen Freunden nicht erkennen. „Ich habe nur die Augen gesehen, wie sie sich ein wenig bewegt haben. Ich konnte keine Emotionen lesen. Das war komisch.“
Gibt es Anekdoten aus der Corona-Examenszeit? Zur Begrüßung am ersten Examenstag wollten sich Philippe und seine Freunde aus Reflex die Hand geben. Doch dann hielten sie inne. „Unsere Hände haben wir dann wieder schnell zurückgezogen. Das war etwas seltsam.“ Auch beim Abgeben des ausgefüllten Fragebogens scheinen viele Schüler noch tief in ihren Examensgedanken versunken zu sein. Manch einer hat vergessen, beim Gang zur Abgabestelle die Maske wieder anzuziehen, und hat, so Michel, „böse Blicke“ kassiert.
Michel selbst saß an einem Examenstag bereits im Auto und war losgefahren. Dann fiel ihm plötzlich ein, dass er seinen Atemschutz nicht dabei hatte. Er kehrte um. „Glücklicherweise war ich noch nicht weit gefahren.“
Letztes Jahr hatten wir eine Woche vor dem Examen frei. Da konnten wir zu Hause lernen. Dieses Jahr hatten wir zwei Monate.Primaner
Konnten sich die Primaner ausreichend auf das Examen vorbereiten? „Zeit hatten wir genug“, sagt Michel. „Letztes Jahr hatten wir eine Woche vor dem Examen frei. Da konnten wir zu Hause lernen. Dieses Jahr hatten wir zwei Monate.“ Bildungsminister Claude Meisch habe schon relativ früh angekündigt, dass das Examen stattfinden wird. Auch, wenn die Aufstellung des Programms erst später folgte. „Wir hatten das Programm, insbesondere in den Hauptfächern, bereits ganz durchgenommen“, sagt Michel. Dennoch sei es gut gewesen, dass das Examenspensum gekürzt wurde. Für ihn selbst sei es zwar nur eine Wiederholung gewesen, für andere Schüler aber sei es sonst schwierig geworden, Lernstoff fürs Examen einzustudieren, den man nicht in der Klasse durchgenommen habe.
Richtig feiern wird schwierig
Für Philippe war es am Anfang des Lockdowns etwas kompliziert. Damals wusste er nicht, dass er nun zwei Monate Zeit zum Lernen haben wird. Deshalb konnte er auch keinen Lernplan erstellen. „Weil ich nicht wusste, was am Ende auf dem Examensprogramm steht.“ Eigentlich war sein Vorhaben, sich etwas länger vorzubereiten. Dies fiel ihm schwer, weil der Rhythmus mit dem Schulalltag fehlte. Dass die Primaner wieder in die Schule durften, bevor das Examen anfing, findet Philippe positiv. „Das war gut, um wieder in die Routine hineinzufinden. Es ist schwer, nach fast drei Monaten wieder in die Schule zu kommen und dann sofort ein Examen zu schreiben, ohne sich vorher mit den Lehrern im Präsenzunterricht ausgetauscht zu haben.“ Überhaupt kann Philippe dem Homeschooling nicht viel Gutes zuschreiben. „Was ich blöd fand, ist, dass man nicht persönlich mit den Lehrern reden konnte. Das hilft wirklich viel, wenn man mit den Lehrern sprechen kann.“
Wenn man sich an die Regeln halten will, ist das Feiern in der Corona-Zeit natürlich ziemlich eingeschränktPrimaner
Sowohl Michel als auch Philippe haben an diesem Mittwoch ihre letzte mündliche Prüfung. Wird danach gefeiert? „Feiern wird schwierig, vielleicht nur im engsten Kreis“, sagt Philippe. „Man muss aufpassen, nicht aus dem gleichen Glas zu trinken. Wenn man sich an die Regeln halten will, ist das Feiern in der Corona-Zeit natürlich ziemlich eingeschränkt.“ Michel bedauert, dass das traditionelle Freibier in den „Rives de Clausen“, das jedes Jahr nach den schriftlichen Prüfungen stattfindet, abgesagt wurde. „Viele Leute waren da sehr traurig.“ Er selbst habe es allerdings schon letztes Jahr miterlebt. Beide Primaner finden es auch schade, dass die alljährliche Reise für Abschlussschüler nach Lloret de Mar, die von einem bekannten luxemburgischen Reiseanbieter organisiert wird, für Ende Juni abgesagt worden sei. Darauf habe man sich schließlich ein ganzes Jahr gefreut, sagt Philippe.
Und wie sehen die Zukunftspläne aus? „Ich würde gerne studieren gehen“, sagt Michel. Entweder hier in Luxemburg oder im Ausland.“ Das hänge davon ab, wo er angenommen wird. Er hat sich auf verschiedenen Unis angemeldet und wartet nun auf Antwort. „Meine große Angst ist, dass wir im September beziehungsweise Oktober an der Uni sitzen und eine Art Homeschooling machen.“ Was Anmeldungen oder Wohnungssuche im Ausland angeht, macht sich Michel weniger Sorgen. „Ich habe da keine Bedenken, in Corona-Zeiten im Ausland eine Wohnung zu finden und über die Grenze zu kommen.“ Auch gehe er nicht davon aus, dass Vermieter ihre Auswahlkriterien nach Herkunftsländern und dem dortigen Infektionsstand ausrichten werden.
Auch Philippe möchte gerne zum Studium ins Ausland aufbrechen. An den Unis sei aber noch manches unklar und Fristen seien verschoben worden. „Mich nervt es, wenn ich bei eventuellen Aufnahmeprüfungen für bestimmte Unis an die Restriktionen wegen Corona denke.“ Philippe teilt die Befürchtung von Michel, dass das erste Semester an der Uni mit Fernunterricht beginnen wird. „Ich könnte mir vorstellen, dass das schwierig werden kann. Dadurch lernt man keine anderen Studenten kennen, man kann sich nicht untereinander helfen und lebt sich schlecht ein.“ Philippe glaubt zudem, dass das reduzierte Examenspensum einen negativen Einfluss auf das erste Semester haben kann, da die Studenten je nach Fachrichtung Lernstoff nachholen müssten. Dass der diesjährige Abschluss aber weniger wert sei, lässt Philippe nicht gelten: „Ich hätte ja auch gerne mehr gelernt, wenn ich es hätte machen können, aber ich konnte ja nicht.“ Zudem müsse man sich die aktuelle Situation stets vor Augen führen, bevor man behaupte, dass die „Première“ 2020 nicht so viel wert sei.
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