Analyse / Wie man den Mangel an Erziehern lösen kann
In Luxemburg mangelt es an Erziehern. Zahlen, die bislang nicht veröffentlicht wurden und welche dem Tageblatt vorliegen, zeigen, dass die Diskrepanz zwischen offenen Stellen und ausgebildeten Erziehern geringer ist als bislang angenommen. Dennoch besteht das Problem weiterhin. Doch es gibt Lösungen, wie man mehr hochqualifizierte Erzieher ausbilden könnte. Eine Analyse.
Um in Luxemburg Erzieher zu werden, gibt es verschiedene Wege, die man einschlagen kann. Ab 2e können die Bewerber aus einem Lyzeum in das auf Erzieherberufe spezialisierte LTPES („Lycée technique pour professions éducatives et sociales“) wechseln. Dort besuchen die Schüler eine 2e und 1re. Mit einem 1re-Diplom ist es dann möglich, sich beispielsweise an einer Uni oder Hochschule zu bewerben. Tut man das nicht und legt stattdessen noch ein Jahr drauf, die sogenannte „Terminale“, dann kann man zudem das Diplom des Erziehers erlangen („Educateur diplômé“) und in die Arbeitswelt einsteigen. Der Erwerb dieses Diploms schließt nicht aus, dass man sich anschließend noch an einer Uni oder Hochschule bewerben kann.
Bildungsminister Claude Meisch hat nun ein Pilotprojekt in die Wege geleitet, das vorsieht, Schüler von SO-Sektionen („Science sociale“) für den Erzieherberuf auszubilden. 46 Schüler haben sich bei dieser „Rentrée“ für die sogenannte „Passerelle“ angemeldet. Infrage kommen demnach Schüler, die ihre 1reSO bestanden haben. Diese können dann direkt auf die „Terminale“ des LTPES beziehungsweise der ENAD („Ecole nationale pour adultes“) wechseln und dort ihr Diplom zum Erzieher ablegen. Das Pilotprojekt ist umstritten, da die Ausbildung der SO-Sektion stark von jener im LTPES abweicht. Doch dazu später. Der andere Weg, Erzieher zu werden, führt über das Bachelordiplom an der Uni.lu oder an einer ausländischen Universität. Voraussetzung ist eine 1re. Das Studium dauert in der Regel drei Jahre. 80 bis 85 Studenten pro Jahr schließen ihren Bachelor in Erziehungswissenschaften an der Uni.lu ab. Weitere Studenten erwerben ihren Bachelor im Ausland.
Um den Mangel an Erziehern als solchen zu erkennen, sind verlässliche Zahlen und Indizien nötig, die dies belegen können. Das sind einerseits Zahlen darüber, wie viele Schüler ihren Abschluss schaffen, und andererseits darüber, wie viele offene Stellen tatsächlich belegt werden. Das Praxis-Büro der Uni.lu analysiert seit Jahren den Stellenmarkt in Luxemburg. Stellt man beides gegenüber, erkennt man die Diskrepanz. Präziser wäre es allerdings, zu einem bestimmten Stichdatum eine Erhebung zu machen, um festzustellen, wie viele offene Stellen tatsächlich nicht belegt werden konnten. Mit dieser Aufgabe sollten, so die Idee, die sich aus Tageblatt-Gesprächen mit Akteuren „um Terrain“ ergab, am besten die zwei großen Verbände im Bereich der Erziehung beauftragt werden: die Fedas („Fédération des acteurs du secteur social au Luxembourg“) und die Felas („Fédération luxembourgeoise des services d’éducation et d’accueil pour enfants“).
Diskrepanz zwischen Angebot und Nachfrage schwindet
Die Arbeit des Praxis-Büros hat dennoch ihren Stellenwert, weil sie zusätzlich zur Datenerhebung auch Analysen durchführt. Dennoch ist die reine Zählung der Stellenanzeigen nicht sehr präzise. Wer sagt denn, ob eine Anzeige, die im Juni geschaltet wurde und bei der beispielsweise drei „Educateurs diplômés“ für eine „Crèche“ gesucht wurden und welche nochmals im November erscheint, nicht vielleicht die gleiche ist? Wurden die drei Erzieher nun gefunden oder nicht? In anderen Worten: Braucht die „Crèche“ nochmals drei zusätzliche Erzieher oder wurden die drei im Juni gesuchten nicht gefunden?
Laut Praxis-Büro gab es 2019 genau 801 offene Stellen für diplomierte Erzieher. Auf der anderen Seite nannte Claude Meisch 139 Diplome, die in jenem Jahr im LTPES erworben wurden. Schaut man sich die Anzahl der Diplome, die im LTPES erworben wurden, genauer an, fällt einem auf, dass seit 2008 der niedrigste Wert im Jahr 2019 bei 140 liegt. Das sind wahrscheinlich die 139, die der Bildungsminister an mehreren Stellen anführte. Der höchste Wert liegt im Jahr 2016 bei 305 Diplomierten. Von 2012 bis 2015 wurden pro Jahr stets über 200 Diplome vergeben. In den Jahren davor waren es knapp 200.
Die von Meisch genannte Zahl lässt vermuten, dass die Diskrepanz zwischen Diplomierten und offenen Stellen sehr groß ist. Die Zahlen, die dem Tageblatt vorliegen, offenbaren ebenfalls eine Diskrepanz, nur ist sie geringer. Noch kleiner wird der Unterschied, wenn man die 265 Diplome aus dem Ausland dazuzählt, die 2020 eine „Autorisation d’exercer la profession d’éducateur au Luxembourg“ ausgestellt bekamen. Diese Diplome entsprechen jenem, das am LTPES erworben werden kann. 66 weitere Personen erhielten 2020 aufgrund ihres ausländischen Fachdiploms zudem eine partielle Genehmigung, die auf einen spezifischen Arbeitsbereich der Erziehung beschränkt ist.
Schüler werden in die „Terminale“ hineinkatapultiert
Im Schnitt sind am LTPES zwischen knapp 700 und knapp 1.000 Schüler pro Jahr angemeldet, wenn man die drei Jahrgänge zusammenzählt. Der höchste Wert lag im Schuljahr 2013/14 bei 991 Schülern. 2020/21 waren es 725. Das Interesse, einen diplomierten Abschluss zum Erzieher zu erlangen, ist demnach recht groß. Trotzdem mangelt es an Erziehern.
Die Idee von Claude Meisch, auch Schüler der SO-Sektion für den Erzieherberuf zu motivieren, stößt nicht überall auf Begeisterung. Jedenfalls zeigen die Zahlen, dass diese Sektion, die mittlerweile in 14 öffentlichen und privaten Lyzeen angeboten wird, in den vergangenen Jahren stark gewachsen ist. Vor zwei bis drei Jahren waren es nur acht Sekundarschulen. Mittlerweile ist dies mit 2.253 Schülern, verteilt auf die vier Jahrgänge 4e bis 1re, die größte Sektion, die in luxemburgischen Lyzeen angeboten wird.
Woran sich viele Akteure stören, ist die Tatsache, dass die Schüler bis 1re auf den SO-Klassen ausgebildet werden und dann in die „Terminale“ am LTPES beziehungsweise an der ENAD hineinkatapultiert werden. Dabei sind nicht nur fehlende Praktika ein Problem. Defizite haben diese Schüler gegenüber jenen des LTPES auch in anderen Fächern wie Pädagogik oder Psychologie, die an der Erzieherschule auf genau diesen Beruf zugeschnitten sind, nicht aber auf der SO-Sektion.
Kurse an SO-Sektion und LTPES sehr unterschiedlich
Auf der „Terminale“ kommen demnach, so sieht es Meischs Projekt vor, die Schüler beider Richtungen zusammen. Zumindest im LTPES sind die Klassen gemischt. An der ENAD sind die früheren SO-Schüler in einer eigenen Klasse. Im LTPES könnten jene aus den SO-Sektionen schnell den Mut verlieren, weil ihnen das nötige Vorwissen gegenüber den anderen Schülern fehlt. Es besteht die Gefahr, dass sie vorzeitig aufgeben, so die Befürchtungen mancher Akteure aus dem Sektor. Schaut man sich die Argumentation des Bildungsministeriums auf dessen Webseite an, dann liest man, dass die zwei Sektionen (SO und LTPES) eine gewisse Gemeinsamkeit aufweisen. Beide Sektionen haben „une orientation commune vers la pratique socio-éducative“. Diese Aussage findet „um Terrain“ nicht viele Befürworter. Die Kurse an beiden Sektionen sind sehr unterschiedlich. Aushelfen könnten hier spezifische Module, die auf den Erzieherberuf vorbereiten, oder ein Vorbereitungsjahr, bevor man ins LTPES wechselt.
Die Idee, Schüler der SO-Sektion in Richtung Erzieherberuf auszubilden, ist dennoch nicht völlig falsch. Doch sollte diese Spezialisierung viel früher stattfinden. Vor drei Jahren wurde die SO-Sektion auf die Klassen 4e und 3e ausgeweitet. Diese Schüler sind an Sozialwissenschaften interessiert, sonst hätten sie sich wohl kaum für diese Sektion entschieden. 2021 waren auf den 4eSO-Klassen 756 Schüler eingeschrieben, auf den 3eSO-Klassen waren es 619. Ein guter Zeitpunkt für den Wechsel wäre nach dem Abschluss der 3eSO. Und genau dort befinden sich viele potenzielle Kandidaten. Der Wechsel ist auch heute bereits möglich, nur wissen es viele Schüler nicht. Dennoch sind im vergangenen Jahr 60 Schüler nach der 3eSO ins LTPES gewechselt. Dieses Jahr waren es 111 Schüler, die ihre Kandidatur eingereicht haben. Wie viele am Ende angenommen werden, ist noch offen.
Wäre der Ausbau der Kapazitäten des LTPES eine weitere Option? Wohl kaum, so der allgemeine Tenor. Der Bildungsminister legt jedes Jahr in einem großherzoglichen Reglement fest, wie viele Leute am LTPES aufgenommen werden können. In den vergangenen Jahren waren das stets 300 Schüler. Seit drei Jahren blieben die Anmeldungen stets knapp unter der 300er-Marke. Es musste demnach keine Selektion gemacht werden. Das zeigt auch, dass nicht mehr Schüler sich anmelden würden, selbst wenn es eine weitere Schule gäbe oder das LTPES mehr Kapazitäten anbieten würde. Zusätzliche Kandidaten sollte man demnach aus der SO-Sektion holen. Allerdings nicht auf 1re, wie es Meischs Pilotprojekt vorsieht, sondern früher, auf 3e.
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Quantität statt Qualität… das ist MEN’s Devise !
Mehr Grenzen , weniger Erziehrer sagte schon Edu Catian der 1ste.
Erzieher die selbst nicht von ihren Eltern (gut) erzogen wurden, durften zu seiner Zeit mit der Erziehung anderer Leute Kinder nichts zu tun haben.Da jedoch heute viele Mütter einer Arbeit ausser Hause nachgehen , müssten die sich der Wahl zum Dorf -und Stadtschulzen ,Schöffe und Gemeinderat stellen u.a.m. selbst wenn möglich gute Eltern sein oder gewesen sein. Das heisst auch in snderen Worten , Kindergäertner(rinnen) Schul-und Lyzeum Lehrer und Professoren müssten einige Zeit ehe sie auf Kinder losgelassen werden spezielle Lehrgänge für Umgang mit Kinder und Jugendlichen mit Abschluss und Master hinter sich haben.
Dass gute Verantwortliche für Erziehung , vom Minister angefangen immer mehr Mangelware werden, ist anscheinend erst jetzt aufgefallen, wird aber wie immer bei den nächsten Wahlen keinerlei Beachtung finden, es sei denn….wir besinnen uns der Worte ,was Grenzen im wahrsten Sinne von Edu Catian damals bedeuteten….
Man könnte ja einfach alle Schulen für 5 oder 6 Jahre schliessen.