Reportage LGE / Wie Schüler und Lehrer die neue „Rentrée“ erleben
Am Montag musste die Hälfte der Lyzeum-Schüler nach den „Coronaferien“ wieder die Schulbank drücken. Im „Lycée de garçons Esch“ (LGE) waren das knapp 400 Schüler. Wie sieht der neue Schulalltag aus? Was denken Schüler, Lehrer und die Direktion? Eine Reportage.
Es ist 7.30 Uhr. Es regnet. Nicht nur die Atemschutzmaske gehört am Montag zur Ausstattung der Schüler. Viele tragen Mützen, Kappen oder Kapuzen. Vor dem „Lycée de garçons“ in Esch tauchen die ersten Schüler auf. Da es draußen kalt, windig und regnerisch ist, laufen sie sofort ins Schulgebäude. Die Plakate an den Absperrungen vor den Eingangstüren zeigen ihnen, welchen Korridor sie nehmen müssen.
Im „Préau“ stehen mehrere Aufsichtspersonen. Sie sorgen dafür, dass sich die Schüler dort nicht aufhalten. Ansammlungen sollen vermieden werden. Die Schüler sollen sich am besten sofort in ihre Klassenzimmer begeben. So lautet die aktuelle Vorschrift. „Es ist mega stressig“, sagt Lejla (4e). Die Schülerin will schnell in ihren Klassenraum. Sandra (3e) bleibt stehen: „Ich bin froh, wieder hierherzukommen. Es wäre besser, wenn alles wieder normal wäre.“ Sie zeigt auf ihre Maske. „Das muss eben sein.“ Sandra sagt, dass in ihrer Klasse die Jungs in der Mehrheit seien. Auswählen, in welche Gruppe sie komme, durfte sie nicht. „Das ist schon schade, aber wenigstens ist eine gute Freundin bei mir.“
Für insgesamt knapp 400 Schüler des LGE war am Montag „Rentrée“. In der Woche davor waren es circa 140 Primaner. Nächste Woche sind die etwa 400 Schüler der Gruppe B an der Reihe. Jene der Gruppe A bleiben dann zu Hause.
Es ist ganz anders als vor den „Coronaferien“. Es sind viel weniger Schüler da. Das merkt man.
Auch Sevein und Elvira, ein Schüler und eine Schülerin der 3e, sagen, dass gute Freunde von ihnen nicht in ihrer Gruppe seien. „Das ist schade, die sehen wir gar nicht mehr“, sagt Sevein. Was die Masken angeht, meint Elvira, dass sie sich bestimmt irgendwann dran gewöhnen werde. Eine 6e-Schülerin sagt: „Es ist ganz anders als vor den ‚Coronaferien’. Es sind viel weniger Schüler da. Das merkt man.“
„Frupstut“ nicht so beliebt
Im „Préau“ stehen links neben den Eingangstüren zwei Frauen an einer Kasse. Sie haben jeweils eine weiße Schutzhülle um die Haare gebunden und tragen Schürzen. Sie sind zuständig für die „Frupstuten“. „Normalerweise arbeiten wir in der Kantine“, sagt eine der Frauen. Da diese zurzeit geschlossen ist, belegen die zwei Frauen Sandwiches, packen sie in Kisten und stellen sie auf die dafür vorgesehenen Stühle vor den jeweiligen Klassen ab. Am ersten Tag gab es nur wenige Bestellungen. Jene Schüler, die weder eine Kreditkarte noch Digicash haben, können ihre Schüler-Bezahlkarte „MyCard“ an der Kasse aufladen. Damit können sie ihre Essenstüte, die sie am Tag zuvor im Internet bestellt haben, bezahlen.
Das Prinzip lautet: Schüler dürfen sich nicht kreuzen oder eine Gruppe bildenVizedirektorin
Im ersten Stockwerk bringt ein Arbeiter etwa 40 Zentimeter lange gelb-schwarze Klebestreifen auf den Fußboden im Flur an. Anhand eines Meterstabs, der auf seine volle Länge von zwei Metern ausgeklappt ist, misst er die Abstände. „Dies dient den Schülern zur Orientierung, damit sie wissen, welche Distanz sie einhalten sollen“, sagt er. Dadurch soll verhindert werden, dass sich die Schüler vor ihren Klassenzimmern im Flur zu nahe kommen.
„Das Prinzip lautet: Schüler dürfen sich nicht kreuzen oder eine Gruppe bilden“, sagt Vizedirektorin Rita Bohler. „Wir haben das bei den Primanern festgestellt, die haben sich wochenlang nicht gesehen und wollen dann beieinanderstehen und quatschen. Aber das ist genau das, was sie nicht machen sollen.“ – „Wenn es regnet, haben wir nicht die Möglichkeit, die Schüler nach draußen in den Pausenhof zu schicken“, so Bohler. In dem Fall müssen sie ihre Pause in den Klassen machen. Damit sie in den Gängen nicht zu nahe aneinander stehen, wurden die Markierungen aufgeklebt. Die Schüler bleiben grundsätzlich für alle Kurse in ihren Räumen. Das Umziehen für bestimmte Stunden in den Musiksaal oder den Biologieraum würde man nun unterlassen, um die Bewegungen im Gebäude zu reduzieren, sagt die Vizedirektorin.
Im LGE ist keine Laufrichtung vorgegeben. Die Schüler wählen bereits draußen den richtigen Korridor aus und gelangen so in ihr Klassenzimmer. In der Pause oder nach dem Unterricht gehen sie denselben Weg wieder zurück nach draußen. Zwischen den beiden Gebäudeblöcken wurden große Pylonen aufgestellt mit einem Hinweis, dass ab dort keine Durchgänge erlaubt sind.
Ein wenig Normalität
Wenn es nicht regnet, stehen den Schülern je nach Aufteilung der Pausenhof oder der Park zur Verfügung. Die Pausen finden zeitversetzt entweder nach der zweiten oder nach der dritten Unterrichtsstunde statt. Nach der zweiten Stunde dürfen die Schüler der 7e, 5e und 3e in die Pause. Nach der dritten Stunde jene der 6e, 4e und 2e. Das Argument: Schüler von 7e und 6e vermischen sich gerne. Jene von 7e und 3e eher nicht.
Ich bin froh, ein wenig in die Normalität übergehen zu können. Auch wenn dies wieder eine Umstellung ist. Wir haben uns alle gut auf das Homeschooling eingelassen.Deutschlehrerin
Es ist 7.55 Uhr. Unterrichtsbeginn. Die Deutschlehrerin Claudine Bley steht vor einer 7e-Klasse. Doppelstunde Deutsch. Auf der Leinwand vorne im Klassenzimmer wird gerade der Ablauf projiziert, wie, wann und wo welche Klasse Pause hat und wie die Unterrichtsstunden aufgeteilt sind. „Die Stimmung hier drinnen ist sehr speziell“, sagt Bley. „Ich bin froh, ein wenig in die Normalität übergehen zu können.“ Die Lehrerin glaubt, dass die Schüler nach zwei Monaten glücklich sind, wieder in die Schule zu kommen. „Auch wenn dies wieder eine Umstellung ist. Wir haben uns alle gut auf das Homeschooling eingelassen.“
Eigentlich steht nun eine Doppelstunde Deutschunterricht an. Doch zuerst wird der praktische Ablauf besprochen. In der nächsten Woche ist die Gruppe B dran. Dann wird Bley den gleichen Kurs noch mal abhalten. „Es sind zwei Rentrées hintereinander“, sagt sie. Die Gruppe B habe Aufgaben bekommen, die sie nun zu Hause abarbeite. Nach dem Unterricht der Gruppe A am Morgen A steht Bley am Nachmittag den Schülern der Gruppe B zur Verfügung. „Eigentlich arbeiten sie autonom von zu Hause aus. Aber ich gehe davon aus, dass sie uns Lehrern weiter über MS-Teams schreiben werden.“
Am Lehrerpult wurde eine Plexiglasscheibe befestigt. Da die Klassenzimmer im LGE eigentlich zu klein für den erforderlichen Sicherheitsabstand sind, dürfen die Schüler ihre Masken im Unterricht nicht ausziehen. Für den Lehrer gilt eine Ausnahme, wenn er sich hinter dem Plexiglas befindet.
Unterricht per Videostream
Zur gleichen Zeit sitzen im Festsaal rund ein Dutzend Primaner. Die Abstände zwischen den Bänken sind sehr groß. Mehrere Lehrer machen Aufsicht. Es herrscht absolute Ruhe. Nachdem die Primaner eine Woche Vorlauf gegenüber den restlichen Schülern hatten, stehen diese Wochen Prüfungen an. „Dabei handelt es sich um Tests, die eigentlich während des Lockdowns hätten geschrieben werden müssen“, erklärt Vizedirektorin Bohler. Diese Prüfungen seien wichtig, da sie für die Berechnung der Endnote eingebracht werden können. Abiturienten haben dieses Jahr die Wahl, ob sie nur die Noten aus dem ersten Semester für die Endnote einbringen wollen oder ob sie lieber den Durchschnitt beider Semester berechnen wollen. Die „Première“-Schüler kommen gezielt zum Schreiben dieser Prüfungen in die Schule. Danach dürfen sie wieder gehen.
Ein paar Türen weiter wird eine Klasse per Videostream unterrichtet. „Der Lehrer gehört zu den gefährdeten Personen und muss seinen Unterricht zu Hause filmen“, erklärt Bohler. Der Stream wird auf die Leinwand im Klassenzimmer projiziert. Am Lehrerpult sitzt eine Aufseherin, die den Kurs managt. Sie bereitet den Computer für den Stream vor und ruft den Lehrer an. Sie ordnet den Ablauf und bündelt die Fragen der Schüler an den Lehrer.
Im LGE gelten insgesamt 15 Lehrer als „gefährdete Personen“. Sie dürfen nicht in die Schule gehen. „Das sind viele“, sagt Bohler. Deshalb wurde eine ganze Logistik aufgestellt. Der Unterricht werde gestreamt, müsse aber vor Ort beaufsichtigt und organisiert werden. Prüfungen müssten zu den jeweiligen Lehrern nach Hause gebracht werden, damit diese sie verbessern könnten. Daneben gehören auch etwa 30 Schüler zu den „gefährdeten Personen“. Diese seien allerdings quer durch alle Klassen verteilt. Auch hier sei der organisatorische Aufwand enorm.
Bohler ist zuversichtlich, dass sich die Situation in zwei Wochen beruhigen wird und alles entspannter wird. „Es wird mehr eine Gewohnheit werden und die Leute werden merken, dass die Zahlen der Neuinfektionen in Luxemburg langsam zurückgehen werden, wenn sich alle an die Regeln halten.“ Die neuen Corona-Tests seien bislang nur an den Primanern und Lehrern, die solche Klassen unterrichten, durchgeführt worden. Andere Lycée-Schüler seien zu den Tests noch nicht angeschrieben worden.
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