Schueberfouer / Wie Studenten und Schüler auf dem größten Volksfest der Großregion ausgenutzt werden
Wenn sich ganz Luxemburg auf der Schueberfouer amüsiert, schuften im Hintergrund zahlreiche Schüler und Studenten, um ihr Taschengeld aufzubessern. Oft unter illegalen Bedingungen. Ein Erfahrungsbericht.
Nora* hat drei Wochen auf der Schueberfouer gekellnert. Ein gut bezahlter Job inmitten eines Volksfestes, bei dem auch mächtig Trinkgeld fließt – so stellen sich wohl viele diesen Knochenjob vor. Von moralisch verwerflichem Verhalten der Vorgesetzten bis hin zu illegalen Arbeitsbedingungen hat die junge Studentin in den vergangenen Wochen einiges mitgemacht. Und will andere Schüler und Studenten aufklären, die ihr Taschengeld auf der Fouer aufbessern wollen.
Für Luxemburg und die Großregion ist die Schueberfouer ein jährliches Highlight. Laute Musik, schreiende Kinder auf Fahrgeschäften und der Geruch von gebrannten Mandeln und Zuckerwatte liegen in der Luft. Um allen anderen diesen Spaß zu ermöglichen, arbeiten Menschen Jahr für Jahr im Schatten der Schaustellerbuden. Wobei arbeiten es nicht richtig umschreibt – bei den Arbeitsbedingungen, denen Schüler und Studenten Jahr für Jahr ausgeliefert sind,
Schon früh hat es erste Warnsignale gegeben, meint Nora. „Uns wurde ‚angeboten’, noch vor Beginn unseres Arbeitsvertrags beim Aufbau des Restaurants helfen zu kommen“, sagt die 21-jährige Studentin. Bereits zu dem Zeitpunkt sei sie von anderen Hilfskräften gewarnt worden, dass die Zeit nicht bezahlt werden würde. Eine Erfahrung, die sie im Vorjahr habe machen müssen. Und auch jetzt ist sich Nora sicher: „Der Besitzer hat sich bestimmt nicht aufgeschrieben, wer dort vor Ort war.“
Schlechtes Omen
Ein zweites Warnzeichen habe es dann bereits am Eröffnungstag der Schueberfouer gegeben. Punkt 11 Uhr seien die Kellner im Chalet versammelt worden. „Uns wurden ungewaschene Polos in die Hand gedrückt“, sagt Nora. Fleckige und stinkende Arbeitskleidung, für die die Kellner allesamt eine Kaution unterzeichnen mussten – und die sie bei Abgabe jedoch gewaschen zurückgeben mussten. Einige der Arbeitenden bekamen einen Hautausschlag am Körper und im Gesicht – nach Hause oder zum Arzt durften diese jedoch nicht. Den Schichtenplan mussten die Kellner sich selbst zurechtlegen. „Ich habe versucht, mich meist morgens einzutragen, um abends früher zu Hause zu sein“, sagt Nora. In der Retrospektive ein kompletter Trugschluss.
Denn: Obwohl der Vertrag der Studenten auf 40 Stunden die Woche und acht Stunden pro Tag begrenzt ist, hat Nora fast keinen Tag ohne Überstunden absolviert. Aus acht Stunden wurden dann schnell zehn, zwölf oder an einem Tag auch dreizehn Stunden. Obwohl die Studentin an einigen Tagen teilweise nach sechs oder sieben Stunden ging, wurde die maximale tägliche Arbeitszeit von zehn Stunden in aller Regelmäßigkeit überschritten. Über 170 Arbeitsstunden hat sie letzten Endes über drei Wochen hinweg auf der Schueberfouer geleistet – und das bei genau einem einzigen freien Tag. Bei drei Wochen Vertragszeit und einer maximalen wöchentlichen Arbeitszeit von 48 Stunden ist das eine Belastung, die nicht vereinbar mit dem Luxemburger Arbeitsrecht ist. Nicht die einzige illegale Praxis in dem Lokal. „Uns wurde aufgetragen, uns auszustempeln, wenn wir aufs Klo gehen wollten“, berichtet Nora. Eine Aufforderung, der sie sich widersetzte – zum Unmut ihrer Vorgesetzten.
Loch im Netz
Dabei nutzen Schausteller seit Jahren die rechtlichen Unwägbarkeiten rund um eine Anstellung bei der „Fouer“ aus. Denn: Im Luxemburger Arbeitsrecht gibt es spezielle Bestimmungen für Schüler und Studenten, für Beschäftigte auf der „Fouer“ und für den Horesca-Sektor. Welche Bestimmungen letzten Endes auf eine Studentin zutreffen, die auf der „Fouer“ als Kellnerin arbeitet? Selbst ein Anruf bei der „Inspection du travail et des mines“ brachte keine Klarheit. „Klagen Sie Ihren Arbeitgeber an, damit würden Sie einen Präzedenzfall schaffen“, so die doch sehr entmutigende Antwort. Klar ist nur, dass Studenten ab 18 Jahren auf gesetzlicher Basis ein Mindestlohn von 11,89 Euro die Stunde zusteht.
Studenten würden im Arbeitsrecht gut geschützt, auf der Schueberfouer aber würden diese durch dieses eigentlich sehr eng gestrickte Netz fallen, so das Statement des LCGB auf Anruf der Schülerin. „Das Problem ist seit Jahren bekannt, jedoch wissen nur wenige Schüler und Studenten, dass sie sich in dem Fall an eine Gewerkschaft wenden können“, erklärt auch der OGBL auf Nachfrage. Beim OGBL seien beispielsweise während der „Fouer“ auch keine diesbezüglichen Klagen eingereicht worden. Auch was die Sonntagszulage und die Bezahlung von Überstunden anbelangt, sei die Lage unklar. Nur eins ist laut OGBL klar: „Nächtliche Arbeit ist für Schüler und Studenten ab 18 Jahren zulässig.“
Ums Geld geht es der Studentin letzten Endes nicht. Während ihrer Zeit hätten noch andere Sachen sie alarmiert. Vom Restaurant-Inhaber initiierte Saufgelage, volltrunkenes Personal, das daraufhin die Gäste belästigten, bis hin zu Löchern im Boden des Etablissements, in das schlussendlich ein Gast bis zum Knie einbrach: „Man sollte wissen, worauf man sich einlässt, bevor man da anfängt zu arbeiten“, sagt Nora.
Nächtliche Trinkgelage
Nicht selten hätten auch Gäste sie auf das betrunkene Personal angesprochen und versucht, sie mit einem üppigen Trinkgeld zu trösten. „Ich habe das dann zurückgewiesen – das Trinkgeld wurde in einen gemeinsamen Topf geworfen und auf alle gleich aufgeteilt“, sagt Nora. Ganz egal, ob man gearbeitet habe, sich ohne auszustempeln auf einem Fahrgeschäft vergnügte oder sich an der Bar besoff. Und dann war es den Verantwortlichen auch egal, dass man eine Überstunde nach der anderen anhäufte. Früher nach Hause gehen wurde den Studenten jedoch dann meist verboten. „Als ich meine Oma an einem Tag im Krankenhaus besuchen wollte, habe ich darum gebeten, etwas früher gehen zu können“, erinnert sich Nora. „Das wurde mir dann jedoch untersagt und mir nahegelegt, ich solle sie an einem anderen Zeitpunkt besuchen.“ Die Besucherzeiten im Krankenhaus waren jedoch streng geregelt – und bis auf den einen einzigen freien Tag war es ihr zudem nicht gestattet, der Arbeit fernzubleiben.
Vor allem jedoch sei sie schockiert gewesen, dass eine junge Kellnerin an mehreren aufeinanderfolgenden Abenden im Restaurant abgefüllt und dann mit fremden Leuten nach Hause geschickt wurde. „Was wäre denn passiert, wenn sie vergewaltigt worden wäre?“, fragt sich Nora. Keiner habe auch nur einen Funken Verantwortungsgefühl in diesen Situationen gezeigt. Im Gegenteil: Nächtliche Trinkgelage nach der Sperrstunde – teilweise auch mit Schaustellern aus anderen Buden – wurden quasi vorausgesetzt. Die Aufräumarbeiten durfte dann die Frühschicht übernehmen. Also die Studenten, die meist bis abends spät arbeiteten und nach wenigen Stunden Schlaf nüchtern zur Arbeit erschienen. Und die Verantwortlichen? „Die haben ihren Rausch dann im Büro ausgeschlafen.“
*Name von der Redaktion geändert
- Von Dynamik und Statik: Xavier Bettels Europa- und Außenpolitik braucht neue Akzente - 19. November 2024.
- CSV und DP blicken auf ereignisreiches Jahr zurück - 18. November 2024.
- „déi Lénk“ sieht von „Interessenkonflikten durchsetzte“ Institution - 13. November 2024.
Sie müssen angemeldet sein um kommentieren zu können.
Melden sie sich an
Registrieren Sie sich kostenlos