Dänemark / Wie therapiert man Politik-Mobbing?
„Unsere Partei ist kein Clownbus“, meinte Lars Lökke Rasmussen, Vorsitzender der dänischen Regierungspartei „Moderaten“, als er abgekämpft nach einer neunstündigen Krisensitzung vor die Kameras trat. Mitarbeiter der Partei hatten Mobbing, „Tyrannen-Kultur“, „Schikanieren von Frauen“ und Sexismus bei der Arbeitsaufsichtsbehörde zur Sprache gebracht, was über die Boulevardzeitung BT an die Öffentlichkeit gelangte. Dieser Skandal, so Kommentatoren in den Medien, könne die Regierungskoalition zum Wanken bringen.
Als Gegenmittel hat Lökke angekündigt, einen Psychologen zu engagieren und auch soll das von der EU vorgegebene Whistleblow-System eingerichtet werden, bei dem Beschäftigte Missstände in Unternehmen risikofrei melden können. Vor allem im Parteisekretariat soll es zu den Übergriffen gekommen sein, nach denen Mitarbeiter weinend auf dem Flur zusammen gebrochen seien.
Wer Frauen schikaniert und sexuell belästigt hat, ist bislang unklar. Die Beschwerden richten sich vor allem gegen drei Frauen – gegen die in der letzten Woche ernannte Digitalisierungsministerin Caroline Stage, gegen eine Parteisekretärin sowie eine Kommunikationsmanagerin. Stage entschuldigte sich am Dienstag, dass sie keine gute Chefin gewesen sei. Die 33-Jährige war zuvor politische Leiterin im Parteisekretariat, dann als Beraterin von Lars L. Rasmussen tätig gewesen.
Den 60-jährigen halten Bewunderer für einen gewieften Strategen, der jeden Skandal überlebt, Kritiker für einen eigensüchtigen Machtmenschen. Und in seinem Machtbewusstsein könnte auch der Grund für die Querelen liegen. Vierzig Jahre war Rasmussen Mitglied der wirtschaftsliberalen Partei „Venstre“ und dabei zweimal Premierminister des Landes, 2021 trat er aus der Partei aus, unter anderem da er sich für eine große Koalition mit den Sozialdemokraten öffnen wollte. Mit seinen neu gegründeten, in der Mitte angesiedelten, „Moderaten“, wofür er aus „Venstre“ den Kreis seiner Vertrauten herausnahm, kam es dann 2022 auch zu einer Dreier-Allianz der besagten Parteien unter der Sozialdemokratin Mette Frederiksen.
Bei den „Moderaten“ soll alles mit Parteigründer Lökke stehen und fallen, es drehe sich vor allem um seine Person. Gleichzeitig ist er als Außenminister permanent auf Reisen, sodass ein Machtvakuum entstünde. Lökke muss sich nun dennoch die Vorwürfe gefallen lassen, er habe von dem Mobbing innerhalb seiner Partei gewusst, jedoch nicht gehandelt. „Der richtige Weg, voranzukommen, besteht darin, dass alle im Bus bleiben“, meinte der Politiker, sprich, die Partei solle in sich gehen und die Schwierigkeiten mit einem Arbeitspsychologen aus der Welt schaffen.
Hier bekommt er erstmals intern Gegenwind – dem Moderaten-Abgeordneten Jeppe Söe gehen die Maßnahmen nicht weit genug, eine externe Untersuchung müsse her, mit möglichen folgenden Entlassungen. Bereits zwei Skandale haben die Partei schon belastet – ein Parlamentarier schrieb anzügliche Texte an eine junge Frau der Jugendorganisation, ein anderer hatte eine 15-jährige Freundin. Diese weiteren Turbulenzen, welche ein wenig an die dänische Netflix-Serie „Die Burg“ erinnern, betreffen auch die beiden Koalitionspartner, die Neuwahlen heranziehen sehen.
Denn die Politiker des Landes, in dem Gleichberechtigung einen großen Stellenwert hat, kennen die Gefahren: Dänemark wurde vor vier Jahren von einem Mobbing- und Sexismus-Skandal erschüttert. Unter anderem schilderten 322 Politikerinnen und politisch aktive Frauen quer durch die Parteien das Parlament als „Ort des sexuellen Übergriffs“. Mehrere Politiker mussten zurücktreten, darunter Frank Jensen, der sozialdemokratische Oberbürgermeister von Kopenhagen.
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