Editorial / Wie wir alle wegsahen – der lange Konflikt zwischen dem Westen und Russland
Fast ein Jahr ist es her, dass der russische Krieg gegen die Ukraine begann. Am Donnerstag, 24. Februar 2022, übertraten russische Truppen die Grenze zu dem Nachbarland. Eine Atommacht griff einen souveränen Nationalstaat an – mitten in Europa.
Was von diesem ersten Kriegstag in Erinnerung blieb: ein Foto von Flammen, die die dunkle Nacht hinter grauen Häuserzeilen erhellen. Bilder einer Überwachungskamera an der „Grenze“ zur bereits okkupierten Krim, die endlose Reihen russischer Militärfahrzeuge beim Einfahren in die Ukraine zeigt. Eine Luftaufnahme vom Megastau auf einer Ausfallstraße, als die Kiewer in den Morgenstunden aus ihrer Stadt flohen.
Bilder, so surreal und absurd, dass viele Medien – darunter wir – die dazugehörigen Schreckensmeldungen anfangs nur mit doppelter Absicherung veröffentlichten. „Berichtet die ukrainische Regierung“. „Nach Angaben des ukrainischen Grenzschutzes“. „Nach Darstellung der Grenztruppen der Ukraine“.
Es war einfach undenkbar. Oder nicht?
Heute, da dieses „Undenkbare“ Realität geworden ist, blicken wir konsterniert auf das, was wir einst für unsere Sicherheitsordnung hielten. Und fragen uns: Hätten wir es nicht besser wissen sollen? Wie sehr haben wir Anzeichen für eine russische Invasion ignoriert? Wie klar die Feindseligkeit Moskaus?
Tatsächlich warnten sowohl die USA als auch die NATO und die Ukraine die EU schon im Herbst 2021 vor einer möglichen Invasion. Ein Jahr nach der Invasion übt Europa Selbstkritik. Aber das sind wahrlich Krokodilstränen.
Europa und der Westen befinden sich nicht erst seit 2022 in einem Konflikt mit Russland. Auch nicht erst seit der ersten russischen Invasion, der von 2014, als Moskau sich genauso völkerrechtswidrig die Krim einverleibte und die Geschäfte danach eigentlich fast wie vorher liefen.
2007 hielt Wladimir Putin seine denkwürdige Rede auf der Münchner Sicherheitskonferenz, in der er Russlands Anspruch im Machtgefüge der Welt umschrieb und die NATO massiv kritisierte. 2008 ließ Moskau dem erste Taten folgen – und griff Georgien an. Im Zuge dieser Operation lernte der Kreml eine wichtige Lektion: Seine plumpe Propaganda, „Gegenmaßnahmen gegen die Militäroffensive Georgiens“ durchzuführen, gelangte nicht in die Köpfe der Menschen. Margarita Simonjan, Chefin des russischen Auslandssenders RT, gestand danach freimütig, dass Russland den Informationskrieg während des Georgien-Konflikts verloren hatte, weil dafür nicht ausreichend Ressourcen da waren. Spätestens ab diesem Zeitpunkt investierte der Kreml in die neue Waffengattung der Desinformation.
Seitdem unterwandern die russischen Troll-Armeen mit menschenverachtenden Botschaften unsere Zivilgesellschaften. Unterstützt werden sie von riesigen staatlichen Medienkonzernen, die die Propaganda des Kreml so übersetzen, dass sie viel leichter verdaulich sind und schwerer von der Wahrheit unterscheidbar. Mit ihren rechten Narrativen sägen sie tiefer und tiefer in die Säulen der liberalen, pluralistischen, multikulturellen westlichen Demokratien.
Europas Politik hat auf diese offensichtliche, seit Jahren währende Aggression genauso wenig eine wirkliche Antwort gefunden wie auf die Truppenmassierungen an der ukrainischen Grenze im Herbst 2021. Die Sanktionen gegen russische Staatssender kamen spät, die Propaganda tobt sich längst auf anderen Ebenen aus. Jetzt läuft die Zeit. Die Ukraine verteidigt unter Einsatz des Lebens ihrer Männer, Frauen und Kinder ihr Land und unsere Werte. Sie kann nicht auch noch für uns den Krieg gegen die Desinformation gewinnen.
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Die Ukraine kann den Krieg nicht gewinnen. Selensky hätte besser US Ex-Aussenminister Kissingers Plan umzusetzen und den Donbass, welcher größtenteils von Russen bewohnt ist, abzutreten. Als Gegenzug könnte ein Eu resp. Nato Beitritt mittel- bis langfristig in Aussicht gestellt werden. Ansonsten werden bis auf weiteres nur unnötig Menschenleben geopfert, Infrastrukturen zerstört und Millionen verbraten resp. die Zivilbevölkerung in Ost und West arm gemacht. An der, stellvertretend für die Ukraine, von Biden und Scholz geführten Aufrüstung verdient nur die Waffenindustrie.
Ihr Verweis auf die böse Waffenindustrie ist nicht angebracht. Ohne Waffen der bösen westlichen Waffenindustrie gäbe es schon keine Ukraine mehr u. Putin hätte sein imperialistisches Zwischenziel schon erreicht. Das Problem ist vielmehr, dass die Waffenindustrie zu langsam in die Gänge kommt. Die Friedensbewegung ist auf Jahrzehnte hinaus diskreditiert und die Abrüstung zusammen mit dem bedingungslosen Vulgärpazifismus hat diesen Krieg erst ermöglicht.
Ist das in Luxemburg jahrzehntelang bis heute betriebene Ignorieren, Wegsehen und Beschweigen von unleugbaren historischen Tatsachen nicht auch eine Waffengattung mit „undenkbaren“, säulenbeschädigenden Dimensionen?
MfG
Robert Hottua
@Phil / Und was kommt danach? Sie würden bestimmt zu Ihrem Nachbarn sagen, bedienen sie sich ruhig.
Keinen Zentimeter hergeben zu wollen wird dazu führen dass kein Millimeter territoriale Integrität übrig bleiben wird. Das unter Verlust Tausender Kämpfer.Welch ein Schwachsinn!
@Grober
Ihre Frage sollte eher lauten: „Wie soll das in Zukunft weitergehen?“
Etwa so wie in Verdun, vor und zurück, zerfetztes Fleisch und viel Blut. Eine Schlacht in der der Mensch nur noch als Material angesehen wurde.
Netfound: „Geländegewinne von einigen hundert Metern waren mit tagelangen Kämpfen und dem Tod von Zehntausenden verbunden. Nach monatelangen Kampfhandlungen war das Schlachtfeld bei Verdun eine wüste Ruinenlandschaft mit verbrannten Wäldern, zerschossenen Stellungen und tiefen, schlammgefüllten Granattrichtern. „Verdun“ wurde zum Inbegriff für die Sinnlosigkeit des Kriegs.“
Wollen sie das, Herr Grober?