Deutschland / Wie wirkungsvoll Faesers Kampf gegen den Islamismus ist
Das Verbot des Islamischen Zentrums Hamburg hat Aufsehen erregt. Es ist nicht die einzige harte Maßnahme von Innenministerin Nancy Faeser gegen Islamisten. Aber reicht Repression aus? Experten sagen: Nein.
Kaum war das Islamische Zentrum Hamburg (IZH) verboten, jenes vom Verfassungsschutz seit den 1990ern als islamistisch eingestufte „Instrument der iranischen Staatsführung“, gab es bereits erste Rufe nach weiteren harten Schritten. Auch andere Netzwerke, die die freiheitlich-demokratische Grundordnung angreifen, müssten zerschlagen werden, hieß es etwa. Gefordert wurden Verbote der Gruppierung „Muslim Interaktiv“, „Realität Islam“ oder „Generation Islam“, die zuletzt für die Kalifats-Demonstrationen mobilisiert hatten. Solche Rufe nach mehr Repression kamen aus dem Bundestag, von der CDU bis zu den Grünen, aber auch von Experten außerhalb des Parlaments.
Einer von ihnen ist Eren Güvercin, Islam-Experte und Mitgründer des muslimischen Vereins „Alhambra-Gesellschaft“, der politische Bildungsarbeit betreibt. Aus Güvercins Sicht werden repressive Maßnahmen alleine nicht ausreichen, „um unterschiedliche islamistische Akteure wirksam zu bekämpfen“. Sie seien aber ein Instrument, „um die operativen Möglichkeiten von islamistischen Strukturen einzudämmen“. Ähnlich schätzen das viele Islamismus-Experten ein, sowohl in der Wissenschaft als auch in zivilgesellschaftlichen Organisationen.
Dabei ist das IZH-Verbot nicht die einzige harte Maßnahme, zu der Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) zuletzt griff. So wurde die Terrororganisation Hamas nach deren Anschlag auf Israel in Deutschland verboten, ebenso wie das pro-palästinensische Netzwerk „Samidoun“. Das Kabinett hat jüngst auch einen Gesetzentwurf von Faeser beschlossen, wonach Ausländer, die terroristische Taten gutheißen, künftig leichter ausgewiesen und im Einzelfall auch schneller abgeschoben werden sollen. Daneben arbeitet Faeser daran, islamistische Gefährder wieder nach Afghanistan und Syrien abschieben zu können.
Islamistische Akteure propagieren ihren Anhängern auch ohne Verbote, dass in Deutschland eine ,Wertediktatur‘ oder eine ,Assimilationsagenda‘ gegenüber Muslimen herrscheIslam-Experte
Dass es wirksame Strategien gegen den Islamismus braucht, liegt allein schon in der aktuellen Bedrohungslage begründet. Im jüngsten Verfassungsschutzbericht für 2023 werden 27.200 Personen in Deutschland dem islamistischen Spektrum zugeschrieben. Das Risiko jihadistischer Anschläge sei seit dem Terrorangriff der Hamas auf Israel weiter gestiegen, sagte Verfassungsschutz-Präsident Thomas Haldenwang bei der Vorstellung des Berichts Mitte Juni. Hinzu kommt, dass der Nahost-Konflikt laut Haldenwang wie ein „Brandbeschleuniger“ für den Antisemitismus in Deutschland gewirkt habe.
Gegen eine freiheitliche Demokratie
Viele islamistische Gruppierungen teilen nicht nur den Hass gegen Juden und gegen Israel, sondern auch eine Ablehnung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung. „Islamistische Akteure propagieren ihren Anhängern auch ohne Verbote, dass in Deutschland eine ,Wertediktatur‘ oder eine ,Assimilationsagenda‘ gegenüber Muslimen herrsche“, sagt Islam-Kenner Eren Güvercin. Daran schließt sich die Frage an, ob deren Verbote nicht auch das Gegenteil dessen bewirken können, was sie bezwecken. Sehen sich die entsprechenden Akteure dadurch nicht in ihrer Missachtung dieses politischen Systems bestätigt?
„Die Gefahr, dass eine verbotsorientierte Politik zu einer stärkeren Radikalisierung führt, ist durchaus gegeben“, sagt Jamuna Oehlmann, Co-Geschäftsführerin der Bundesarbeitsgemeinschaft religiös begründeter Extremismus, ein gemeinnütziger Verein zur Stärkung von Demokratieförderung und Prävention. „Wenn Mitglieder solcher Gruppierungen das Gefühl haben, ungerecht behandelt oder verfolgt zu werden, kann dies ihre ideologischen Überzeugungen verstärken und zur weiteren Entfremdung von der Gesellschaft beitragen.“ Oehlmann weist auf einen weiteren Aspekt hin: Auch andere islamistische Akteure würden durch solche Verbote entstehende Ressentiments gezielt für sich nutzen, um Anhänger zu gewinnen und zu mobilisieren. „Hier muss vor allem mit Bildungs- und Präventionsarbeit angesetzt werden“, so Oehlmann.
Radikale Accounts dichtmachen
Die Wissenschaft spricht von „Co-Radikalisierung“, wenn mit staatlichen Maßnahmen – in diesem Fall Verboten – eigentlich ein Phänomen eingeschränkt werden soll, es aber ungewollt zu dessen Verstärkung kommt. „In den Behörden muss also genau abgewogen werden, was man mit bestimmten Maßnahmen erreichen kann, was mögliche negative Effekte sind und wie diese verhindert werden können. Dazu müssen verschiedene Ressorts gut und reflektiert zusammenarbeiten“, sagt Michael Kiefer, Islamwissenschaftler an der Universität Osnabrück.
Als Beispiel, wie das gelingen kann, verweist Kiefer auf eine interministerielle Arbeitsgruppe in Nordrhein-Westfalen, der er selbst angehört. Darin sitzen das Schul-, Jugend- und Innenministerium von NRW mit einem Expertenkreis zusammen, diskutieren über Präventionsmaßnahmen und holen Rat ein. „Im Bund ist in diese Richtung noch Luft nach oben“, sagt Kiefer.
Und dann sind da noch die sozialen Medien, die von islamistischen Gruppierungen gezielt genutzt werden, um junge Menschen mit ihrer Propaganda zu erreichen und für sich zu gewinnen. Die ungehinderte Tätigkeit mancher islamistischen Akteure in den sozialen Medien bereite ihm „die größte Sorge“, sagt Michael Kiefer. „Was bei TikTok seit dem 7. Oktober geschieht, ist höchst bedenklich. Es gibt tausende Videos, die mit Blick auf den Krieg in Gaza eine bipolare Weltsicht vertreten und Israel eindeutig als das Böse darstellen.“ Kiefer fordert von der Bundesregierung, hier mehr Engagement zu zeigen und die Betreiber dieser Plattformen stärker in die Pflicht zu nehmen, wie das in anderen Ländern auch geschehe. „Entsprechende radikale Accounts sollten dichtgemacht werden“, resümiert der Experte. Für Innenministerin Nancy Faeser bleibt also viel zu tun.
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