Universität / Wie Wissenschaftler auf dem Kirchberg eine Mondlandschaft nachgebaut haben
In einem Keller in Luxemburg-Stadt haben Forschende der Universität eine Mondlandschaft aufgebaut, um an der Zukunft der Raumfahrt mitzuwirken.
Nachdem wir uns an der Rezeption angemeldet haben, führt Miguel Olivares-Mendez uns in ein Kellergeschoss. Das alte Gebäude, in dem wir uns befinden, war früher das „Institut supérieur de technologie“ und gehört heute zur Universität. Das Gemäuer strahlt den Charme der 70er Jahre aus und lässt auf den ersten Blick nicht ahnen, dass sich hier die Hightech des 21. Jahrhunderts verbirgt. In dem Keller wird gearbeitet. Ob es Wissenschaftler sind, die an Versuchsaufbauten arbeiten, oder Handwerker, die Reparaturen durchführen, lässt sich im Vorbeigehen nicht immer so genau sagen.
Zusammen mit dem Wissenschaftler klettern wir in einen großen Kasten, der in einer Ecke des verwinkelten Kellergeschosses aufgebaut ist. Drinnen ist der Kasten etwa sieben Meter breit und elf Meter lang. Damit bildet er eine Art Raum im Raum. Die Innenwände sind in einem matten Schwarz gestrichen. Der Boden ist ausgelegt mit zwanzig Tonnen feinem Basalt. Das dunkle Gestein ist nicht eben, sondern stellenweise zu Kratern geformt. An zwei Wänden entlang – der langen, an der sich der Eingang befindet, und der kurzen rechts davon – verläuft ein Steg aus Gitterrost. Fensterscheiben erlauben einen Blick nach draußen. Fußabdrücke im Basalt machen deutlich, dass der Gitterrost keineswegs so imperativ ist, wie es anfangs scheint. An die lange Wand, in der auch der Eingang ist, sind Gartengeräte gelehnt, die dazu dienen, das Basaltgestein wie in einem etwas zu dunkel geratenen Zen-Garten nach den Wünschen der Forschenden, die hier arbeiten, umzumodellieren.
Zwischen einem und fünf Millimeter Durchmesser haben die Steinchen. Diese Körnung macht es möglich, Krater zu bauen und es staubt nicht ganz so schlimm, wenn der Basalt bewegt wird. Trotzdem: Der Raum musste mit einer Belüftungsanlage ausgestattet werden. Die Krater, die die Forschenden in den Basalt geformt haben, erinnern stark an eine Mondlandschaft. Das ist kein Zufall, denn dieser Raum dient dazu, die Bedingungen auf dem Mond zu kopieren. Genauer gesagt: Hier sollen die Lichtbedingungen, wie sie auf dem Mond herrschen, simuliert werden. Bei dem Raum handelt es sich um das sogenannte LunaLab.
Licht und Schatten
Olivares-Mendez ist Professor an der Universität. Er unterrichtet zwei Kurse in Weltraum-Robotik und einen Kurs für autonome Weltraumsysteme. Außerdem forscht er am SnT, einem Forschungsinstitut, das zur Universität gehört und seinen Sitz auf dem Kirchberg hat, in einem viel moderneren Gebäude gleich nebenan, dem Boulevard J. F. Kennedy zugewandt. Dort wird auch an künstlichen Intelligenzen und selbstfahrenden Autos geforscht. Bevor es ihn in die Weltraumforschung verschlug, hatte Olivares-Mendez mit Drohnen gearbeitet.
Die Forschenden wollen das neue LunaLab nutzen, um Sensoren für Mond-Rover zu testen und um künstliche Intelligenzen darauf zu trainieren, sich in den Lichtverhältnissen des Mondes zurechtzufinden. Auf den zweiten Blick – nachdem Olivares-Mendez darauf aufmerksam gemacht hat – wird ein weiteres Feature des Raumes deutlich. An der Decke sind Kameras angebracht. Spezielle Kameras zur Verfolgung von Bewegungsabläufen, erklärt der Wissenschaftler. Sie können die Position des Rovers auf den Millimeter genau feststellen.
Selbstverständlich lassen sich die Experimente nicht im Kies einer x-beliebigen Baustelle durchführen. Der schwarze Anstrich des Raums simuliert den dunklen Himmel auf dem Mond. Der Trabant hat, anders als die Erde, keine Atmosphäre, in der das Licht gestreut wird. Aus diesem Grund ist der Himmel dort permanent dunkel und nicht etwa blau wie auf der Erde. Daneben musste der Raum so leer und kahl wie möglich sein. Immerhin befinden sich auch auf dem Mond keine Gebäude und keine Pflanzen. „Das Labor ist deshalb auch komplett geschlossen. Die Forscher und Studenten sind während der Experimente draußen und kommen nur herein, um den Rover reinzustellen oder rauszunehmen“, so Olivares-Mendez. Manchmal, erklärt der Professor, muss es sich nicht einmal um einen Rover handeln. Für manche Experimente genügt es, eine entsprechende Kamera in den Raum zu stellen, um deren Leistung zu überprüfen.
Nach Ressourcen suchen
„Wir wollen es ermöglichen, dass sich Rover alleine auf dem Mond zurechtfinden“, erklärt der Wissenschaftler. Die Maschinen sollen unter anderem bei Mondmissionen nach Ressourcen suchen, die von Menschen, die ihnen zum Erdtrabanten folgen, genutzt werden können. Dabei können sich die Rover nicht auf ein GPS-Netzwerk verlassen, wie es auf der Erde existiert. Auch die Fernsteuerung solcher Maschinen, die so weit entfernt sind, ist tückisch. Im Idealfall können sich die Roboter also selbstständig an der Landschaft orientieren und innerhalb der gegebenen Parameter eigenständig handeln. Durch immer neue Mondlandschaften, die im Basalt geschaffen werden, sollen die Algorithmen und die Studierenden, die hier forschen, mit immer neuen Herausforderungen konfrontiert werden.
In den letzten Jahren ist wieder ein regelrechter Wettlauf zum Mond ausgebrochen. Diesmal wollen auch die jungen Weltraumnationen den Erdtrabanten erreichen. Als zweite Nation überhaupt – nach der Sowjetunion – setzte China im Dezember 2013 einen Rover auf der Mondoberfläche ab. Eine indische Mission scheiterte 2019 bei dem Versuch, einen eigenen Rover, einen Roboter auf Rädern, auf dem Mond abzusetzen. Laut indischer Weltraumbehörde ISRO war ein Software-Fehler schuld an dem ungewollt harten Aufsetzen des Landemoduls.
Nicht zuletzt wollen die USA im Jahr 2024 auf den Mond zurückkehren. Dieses Mal soll die erste Frau in der Geschichte der Menschheit den Mond betreten. Ziel ist es, eine dauerhafte Präsenz auf dem Mond zu errichten. Ein wichtiger Bestandteil der Artemis-Mission ist die „Gateway“ – eine Raumstation am Mond. Artemis ist in der griechischen Mythologie übrigens die Göttin der Jagd und die Zwillingsschwester des Gottes Apollo, nach dem die erste Mond-Mission benannt war.
Brückenkopf zum Mars
In der Fachwelt wird der Mond als Brückenkopf zum Mars betrachtet. Dabei soll der Mond sowohl als Versuchslabor wie auch als Tankstelle und Ressourcenvorkommen für Mars-Missionen fungieren. Von dort aus Ressourcen in das Weltall zu schicken, ist aufgrund der geringen Schwerkraft des Mondes wesentlich einfacher als von der Erde aus.
„Die Aufgabe der Rover wird es sein, den Mond für die Menschen vorzubereiten“, sagt Olivares-Mendez. Zukünftige Missionen werden länger dauern als nur ein paar Tage. Immerhin sieht es so aus, dass sich in Zukunft dauerhaft Menschen auf dem Mond aufhalten werden. „Dafür brauchen wir dort Ressourcen. Für die Menschen brauchen wir Atemluft und Wasser. Genauso brauchen wir Unterkünfte, da die Strahlung im Weltall für Menschen sehr gefährlich ist.“
Die Forschenden versprechen sich viel von ihren Robotern. Sie sollen den besten Mondstaub (Regolith) ausfindig machen, um Fasern herzustellen, die zum Bau von Unterkünften geeignet sind. Auch Sauerstoff kann aus dem Regolith gewonnen werden. Mit einer hohen Wahrscheinlichkeit gibt es an den Polen des Mondes Wassereisvorkommen, aus denen Trinkwasser gewonnen werden kann, erklärt Olivares-Mendez. Wenn die ersten Menschen auf dem Mond landen, dann sollen sie dort die besten Bedingungen für ihren neuen Lebensabschnitt vorfinden.
Nicht das erste seiner Art
Das Labor auf dem Kirchberg ist nicht das erste dieser Art in Luxemburg. Das Weltraumunternehmen iSpace hat in seinem Keller in Hollerich ebenfalls eine Mondlandschaft aufgeschüttet, um darin die Fähigkeiten ihres Mond-Rovers zu erproben. iSpace wurde zu einem der Aushängeschilder der „New Wave of Space“ in Luxemburg. Die Universität konnte von der Expertise von iSpace profitieren. Die brillanten Köpfe des Unternehmens halfen Olivares-Mendez bei der Entwicklung seiner Mondlandschaft. Eine Dopplung gibt es jedoch nicht. Die Forschenden waren darauf bedacht, dass beide Mondlandschaften für jeweils andere Experimente genutzt werden können. Jenes der Universität im Speziellen für optische Experimente mit Sensoren. Auch wenn gute Kontakte zu iSpace bestehen, eine offizielle Zusammenarbeit gibt es nicht. „Bislang haben wir keine Kollaborationen mit Unternehmen, sind aber dafür offen“, sagt Olivares-Mendez.
Damit seine Mondlandschaft noch überzeugender wird, hofft Olivares-Mendez darauf, künstlichen Regolith zu bekommen, um sein Labor damit auszustatten. Dann könnten seine Studierenden – vorausgesetzt, die sanitären Verhältnisse lassen es wieder zu – bald mit „echtem“ Mondstaub experimentieren. „Daran können wir auch andere Sensoren testen. Nicht nur optische.“ Die Roboter sollen lernen, Regolith zu identifizieren.
In erster Linie sind es die Studierenden des „Interdisciplinary Space Master“ der Universität, die sich hier austoben sollen. Dieser Studiengang ist ganz neu an der Uni. Er hat sowohl eine technische und wirtschaftliche Ausrichtung. Die erste Generation an Studierenden hat den Studiengang gerade absolviert. Weil es kleine Verzögerungen mit der Fertigstellung des Raumes gab und wegen der sanitären Krise konnten sie nicht von ihrer neuen Spielwiese profitieren. Der Professor ist optimistisch: „Ich freue mich darauf, hier mehr Studenten anzutreffen.“ Die Studierenden sollen dann auch mit Unternehmen der „New Wave of Space“ in Luxemburg zusammenarbeiten und wenn möglich dort eine Anstellung finden.
Zero G
Bald soll ein weiteres Labor in Luxemburg entstehen, in dem an Weltraumtechnik gearbeitet werden kann. Im „Zero G Lab“ sollen Roboter für den Gebrauch im Orbit entwickelt werden. „Dort wollen wir Schwerelosigkeit auf einer Ebene emulieren.“ Dazu wird ein perfekt flacher Boden mit Epoxidharz überzogen. Mithilfe von Druckluft wird darüber eine Plattform nach dem gleichen Prinzip wie bei einem Airhockey-Tisch zum Schweben gebracht, um so das komplizierte Verhalten von Maschinen im Weltall zu simulieren. So lassen sich zum Beispiel Arbeiten im Weltall simulieren. Wie das LunaLab soll das Zero G Lab komplett schwarz angestrichen werden. Allerdings soll es eine simulierte Sonne erhalten.
Das Video zeigt ein Zero G Lab der europäischen Weltraumbehörde ESA. Das neue Zero G Lab der Universität soll nach dem gleichen Prinzip funktionieren, allerdings in einem schwarzen Raum mit simulierter Sonne.
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