Persönliche Erfahrungen / Wieso Lehrer Chiocci als vulnerable Person trotzdem in der Schule unterrichtet
Eigentlich gehört Micaele Chiocci zu den vulnerablen Personen. Trotz Corona hat er sich dafür entschieden, weiter in der Schule zu unterrichten. Wieso er sich trotz ärztlicher Atteste dazu bewegte und wie er die letzten Wochen vor der „Summervakanz“ erlebte, erzählt er im Tageblatt-Gespräch.
Micaele Chiocci ist ein sogenannter Risikopatient. Sein Hausarzt und sein Kardiologe haben ihm ein Zertifikat ausgefüllt, das besagt, dass er zur „Rentrée“ im Juni nicht in seiner Schule zu unterrichten brauche. Doch Chiocci sah das nicht ein. Er ist Lehrer für Kunst am „Lycée Bel-Val“.
„Meine Frau hat auf ihrer Arbeit Kontakt mit vielen Menschen. Meine Kinder gehen zur Schule“, sagt er. „Was macht das für einen Unterschied, ob ich nun zu Hause bleibe oder nicht? Das Risiko, dass das Virus ins Haus kommt, ist da.“ Chiocci hat seit 20 Jahren Herzrhythmusstörungen und nimmt Betablocker, wie er sagt.
Dennoch wollte Chiocci sich absichern. Im Lockdown hat er seinen Schülern via Teams erklärt, sie sollten auf jeden Fall im Klassenzimmer ihre Masken anbehalten. Um sich selbst und auch ihn zu schützen. Diese Vorgabe hat das Bildungsministerium nicht verpflichtend gemacht. Lehrer dürfen allerdings darauf bestehen.
Was macht das für einen Unterschied, ob ich nun zu Hause bleibe oder nicht? Das Risiko, dass das Virus ins Haus kommt, ist da.Lehrer
In Chioccis Klasse trugen die Schüler seit der „Rentrée“ einen Atemschutz. Die Schüler haben das alle eingesehen, sagt er. „Es gab niemanden, der sich weigerte.“ Chiocci hat, wie er sagt, einen guten Draht zu seinen Schülern. Er hat ihnen das verständlich erklärt und die Schüler haben es verstanden. Chiocci unterrichtet insgesamt zehn Klassen in Kunst. Das sind rund 200 Schüler.
Direktion beschließt Maskenpflicht im Klassensaal
Bei der „Rentrée“ waren die Gruppen halbiert. Die Schülerzahlen waren gering und die Abstände konnten selbst in den Klassenzimmern gut eingehalten werden. Am 29. Juni wurden die Klassen wieder zusammengeführt. Die Abstände in den Klassen konnten nicht mehr eingehalten werden. „Da entschied unsere Direktion, die Maskenpflicht in den Klassenzimmern einzuführen“, sagt Chiocci. Die Direktion habe die Eltern angeschrieben und darum gebeten, diese Maßnahme zu respektieren.
Chiocci hat Glück, da der Raum, in dem er Kunst unterrichtet, einer der größten im Lyzeum ist. Aber dennoch sei es nicht möglich, die Distanzen einzuhalten. „Die Schüler saßen jeweils zu zweit in einer Schulbank mit ungefähr einem Meter Distanz.“ Dieses Phänomen ist kein Einzelfall. Alle Lyzeen des Landes sind mit der gleichen Problematik konfrontiert. Deshalb sei die Maskenpflicht, die das „Lycée Belval“ beschlossen hat, „eine gute Sache“ und „wirklich notwendig“, laut Chiocci.
Als der Kunstlehrer aufgrund seines gesundheitlichen Risikos noch unschlüssig war, ob er zu Hause bleiben oder doch in die Schule gehen sollte, bot ihm die Direktion an, sich von den Sicherheitsmaßnahmen selbst zu überzeugen und dann eine Entscheidung zu treffen. Chiocci entschied sich für die Schule.
Zurück zum Homeschooling. Kunst via MS Teams? Klappt sowas eigentlich? „Ja, sehr gut“, sagt Chiocci. Aber es ersetzt nicht die physische Präsenz. „Wir haben viel und intensiv gearbeitet“, sagt der Lehrer. So viel, dass er sogar Streit mit seiner Frau bekam. „Du machst zu viel“, sagte sie. Das Homeschooling hat in der Tat viel Energie gefordert. Und bei den A- und B-Wochen sei die Belastung dann doppelt gewesen. „Ich war abwechselnd zu Hause, wo ich Homeschooling machte, und dann wieder in der Schule. Ich war schon etwas müde.“
Kunst und Corona im Homeschooling
Der Lehrer hat vor allem den theoretischen Aspekt in der Kunstgeschichte behandelt. Er postete Videos mit Beispielen. Die Schüler mussten verschiedene Objekte zeichnen und im Internet dazu recherchieren. Im Homeschooling hat er mit seinen Klassen ganze Dossiers zum Thema Corona angefertigt. „Wir haben das Thema Corona in der Kunst umgesetzt.“ Ein Kapitel hieß „Maskiert – demaskiert“. Die Schüler haben expressive Fotos von ihrem Gesicht aufgenommen und dabei unterschiedliche Gefühle ausgedruckt. Mit Maske und ohne Maske.
Am ersten Schultag nach der „Rentrée“ haben die drei Direktionsmitglieder mit angepackt. Chiocci sagt, dass sie die Schüler empfangen und ihnen die Sicherheitsmaßnahmen erklärt haben. Es wurden 20 Desinfektionsspender aufgestellt und zwei Personen warteten mit Kisten voller Masken an den Eingängen, um jenen Schülern, die keine dabeihatten, welche auszuhändigen. Sportlehrer, deren Kurse ausfielen, sowie das technische Personal haben die Aufsicht übernommen. Sie kontrollierten an den Eingängen, in den Fluren und Treppenhäusern, ob sich alle Schüler an die Corona-Bestimmungen halten. Bei Bedarf mussten sie einschreiten, die Schüler zurechtweisen und ihnen erklären, wie man es richtig macht. „Diese Vorgehensweise hat mich als gefährdete Person enorm beruhigt“, sagt Chiocci. „Vielleicht wäre ich unter anderen Umständen nur im Homeschooling geblieben.“
Die anfänglichen Bedenken, dass die Schüler sich nicht an die Sicherheitsmaßnahmen halten würden, schwanden sehr schnell, sagt Chiocci. „Ich war verwundert, wie einwandfrei die Kinder das aufnehmen. Ich habe keinen Schüler gesehen, der Quatsch macht. Manchmal habe ich welche beobachtet, die die Maske nicht richtig bis über die Nase gestülpt hatten, aber in meinem Klassenzimmer war dann stets wieder alles perfekt.“ Chiocci gibt zu, dass es immer wieder einzelne gibt, die aus der Reihe tanzen, aber die Mehrheit sei sehr diszipliniert gewesen. „Vielleicht kommt es daher, dass wir die Schüler sehr stark sensibilisiert haben, bevor der Lockdown anfing. Wir haben ihnen erklärt: ‚Passt auf, dass ihr euch, eure Freunde und Eltern nicht ansteckt.‘ Das hat sie wahrscheinlich geprägt.“
Dennoch gab es auch im „Lycée Bel-Val“ infizierte Schüler. Im Vergleich zu anderen Schulen seien es aber nicht viele gewesen, sagt Chiocci. Eine Klasse wurde kurz nach der „Rentrée“ in Quarantäne gesetzt, und vor drei Wochen kam eine weitere Klasse dazu, weil ein Schüler positiv getestet wurde. „Insgesamt hatten wir drei Covid-positive Schüler.“ Der Lehrer meint, dass sich keiner der Schüler in der Schule infiziert habe, und erklärt auch wieso.
Die Angst sitzt dem Lehrer im Bauch
„Ein Schüler hat mich privat kontaktiert, um mir zu sagen, dass er positiv sei.“ Dann habe er den Regenten und die Direktion direkt benachrichtigt. Bei diesem Fall seien die Eltern ebenfalls positiv getestet worden. Laut Chiocci weise dies darauf hin, dass sich die Schüler zu Hause infiziert haben. Bei einem weiteren Fall soll sich ein Schüler bei einem Freund seines Vaters angesteckt haben. „Das Virus war demnach nicht in der Schule“, schlussfolgert der Lehrer.
Alle Schüler und Lehrer, die im Kontakt mit den Infizierten waren, haben sich in der Folge ebenfalls einem Covid-Test unterzogen. Die „Santé“ habe diese Personen zuvor kontaktiert. Das Ergebnis war, dass sämtliche Tests negativ ausfielen, sagt Chiocci.
Trotz aller Sicherheitsmaßnahmen geht Chiocci mit einem mulmigen Gefühl zur Arbeit. „Die Angst sitzt mir im Bauch“, sagt er. Auch für die Schüler sei die ganze Situation auf psychischer Ebene sehr schwierig. Chiocci hat beobachtet, dass sie eine gewisse Müdigkeit und Energielosigkeit an den Tag legen. „Sie waren wie aus der Bahn geworfen.“ Im Homeschooling seien viele sehr spät schlafen gegangen und hätten dadurch einen anderen Rhythmus aufgebaut. Je mehr sich das Schuljahr zu Ende neigte, desto mehr merkte der Lehrer, dass die Jugendlichen eigentlich nur noch Ferien wollen. Sie wollen das Schuljahr abhaken, sagt er.
Kinder können das Ganze nicht so rationalisieren wie wir ErwachsenenLehrer
„Kinder können das Ganze nicht so rationalisieren wie wir Erwachsenen.“ Bei manchen habe er Fragezeichen im Gesicht gesehen. Andere seien zu ihm gekommen und sagten, dass sie Angst um ihre Eltern haben. Angst, diese anzustecken. Sie fragten: „Ich verstehe nicht, wieso das jetzt so gehandhabt wird. Wieso wird jetzt wieder alles zusammengewürfelt?“ Nicht alle Schüler zeigen diese Angst oder sprechen drüber, sagt Chiocci. „Es ist eine Schwäche, die man nicht nach außen zeigen möchte“, sagt er. Aber er habe es ihnen dennoch angesehen.
Schüler hatten am Ende keine Energie mehr
Die Schüler hatten Fragen, sagt er, aber sie hatten keine Energie mehr in sich. Dennoch probierte Chiocci bis zum Schluss, mit ihnen zu arbeiten. „Aber das war fast nicht mehr möglich. Es war schwierig, sie noch zu motivieren.“ Etwas Weiteres fiel Chiocci auf: „Sie waren nie so ruhig wie jetzt in den letzten Wochen. Man hat die Fliegen im Klassenzimmer fliegen hören.“ Auch wenn alles etwas schwerfällig gewesen sei, bedauert es der Lehrer, dass er manche Schüler nach dem Lockdown nicht mehr wiedersehen konnte.
Seine Eltern hat Chiocci seit dem Lockdown nicht mehr umarmt. Die Frage, ob er dies nun in den Sommerferien wieder tun könne, jetzt, wo er keinen Kontakt mehr mit Schülern hat, verneinte er. „Das wird so bleiben.“ Die Angst vor einer Infektion ist auch in den Ferien immer noch präsent. „Sicher ist das Risiko nun kleiner, aber es ist immer noch da.“ Er sagt: „Vieles über das Virus wissen wir noch nicht, man sollte lieber vorsichtig handeln.“ Er besuche zwar seine Eltern, aber stets mit Maske und Abstand. „Das tut weh, nicht die Eltern umarmen zu können.“
Was hält Chiocci als sogenannter Risikopatient denn eigentlich von der Zusammenführung der A- und B-Gruppen? „Das sind politische Entscheidungen“, sagt er. Persönlich finde er es fragwürdig. Es sei nicht klar genug gesagt worden, dass es sich bei den letzten zwei Wochen um eine Testphase für die „Rentrée“ im September handele, wie von Gesundheitsministerin Paulette Lenert in einem Interview bestätigt wurde. Diese Formulierung hätte er sich klarer gewünscht, gepaart mit der Gewissheit, dass man etwas zurückziehe, wenn es nicht klappt. „Aber es wurde ja anders verkauft“, sagt er. Das Argument lautete vielmehr, dass sich die Kinder vor den Sommerferien noch mal wiedersehen. Er habe sich als Lehrer in die Enge gedrängt gefühlt. „Die Schüler und die Lehrer sind dem Ganzen am Ende ausgesetzt, da wir ‚um Terrain‘ stehen.“
Deshalb sei die Maßnahme der Maskenpflicht, die seine Direktion eingeführt habe, essenziell. Dies sollte auch anderen Lyzeen als Vorbild dienen. Die Distanz sei zwar das eigentliche A und O. Da die meisten Lyzeen in Luxemburg dies bei gut über 20 Schülern pro Klasse aufgrund der bestehenden Infrastrukturen nicht gewährleisten können, müsse man das Tragen der Maske in der Klasse verpflichtend machen. „Das ist für mich als Risikopatient ein wichtiger Punkt“, sagt er.
Die Gebäude können wir nicht größer machen. Aber wir könnten eine Maskenpflicht einführen, wenn die Zahl der positiven Fälle so hoch bleibt.Lehrer
Das ist auch eine Maßnahme, die sich Chiocci für die „Rentrée“ im September wünscht. „Die Gebäude können wir nicht größer machen. Aber wir könnten eine Maskenpflicht einführen, wenn die Zahl der positiven Fälle so hoch bleibt.“ Am liebsten hätte der Lehrer eine „Rentrée“ mit normalen Schulzeiten. Daten hätten sie von offizieller Seite noch keine bekommen. Er könne sich aber vorstellen, dass die Pausen weiter versetzt stattfinden und die Kantinen wieder öffnen werden. Letztere aber wahrscheinlich auch mit versetzten Essenszeiten, damit nicht zu viel Verkehr aufkomme.
Auch wenn Chiocci persönlich in Bezug auf die Zusammenführung der A- und B-Klassen nicht dieselbe Meinung vertritt wie Bildungsminister Claude Meisch, muss er zugeben, dass der Minister am Anfang der Corona-Krise durchaus die richtigen Maßnahmen getroffen hat. Es seien schwierige Entscheidungen gewesen, um den Schulbetrieb irgendwie aufrechtzuerhalten. „Da muss man Kompromisse eingehen“, sagt er.
Serie: Corona in der Schule
Die Corona-Pandemie beeinflusst viele Bereiche unseres Lebens. Insbesondere in den Schulen hat die Politik im Laufe der Krise immer wieder verschiedene Wege eingeschlagen und für viel Diskussionsstoff gesorgt. Wir lassen in unserer Serie „Corona in der Schule“ verschiedene Akteure des Bildungswesens zu Wort kommen, die uns über ihre Erlebnisse der letzten Wochen vor den Sommerferien berichten und uns Einschätzungen geben, wie es zur „Rentrée“ im September weitergehen könnte.
- Was Jugendliche im Internet treiben: Bericht zeigt Nutzungsverhalten auf digitalen Geräten - 8. Februar 2023.
- Kritik am FDC: Die „schmutzigen“ Investments des „Pensiounsfong“ - 7. Februar 2023.
- Ein Plan für mehr Naturschutz in Luxemburg - 3. Februar 2023.
Daat ass egoistesch an verantwortungslos.Dee misst direkt suspendéiert gin.Ech sin och Risikopatient,ech wees et ass schlemm am Lockdown,mee als Risikopatient muss een sech duebel schützen,an domat och aaner Leit,well een séier infizéiert ass an dann de Virus ronderem verdeelen kann.
Ech kennen leit die risiko patienten sinn fir schaffen ze goen awer net fir an d‘Stadt oder an der Belle-Etoile Kaffi drenken ze goen an geschãfter kucken dann sollen Sie dann och doheem bleiwen. Wenn den Micaele sech gudd spiert virwatt soll hien net schaffen goen. All respekt fir eseou leit dei net vun all geleegenheet profiteieten fir net schaffen ze goen.
Fir sonja lesen bildet dir hun naicht verstanen