Biodiversität / Wildblumen für Luxemburg: Samen heimischer Sorten tun der Umwelt gut
Was sich seit längerem auf der Windschutzscheibe zeigt, sie ist trotz weiterer Fahrten fast nicht verschmutzt, ist längst Allgemeingut. Die Artenvielfalt leidet, es gibt immer weniger Insekten. Ein Weg, dem entgegenzuwirken, ist das Projekt „Wëllplanzesom“. Der Wildblumensamen heimischer Sorten soll öffentliche Plätze, Wiesen und private Gärten attraktiver für die Tiere machen.
Um die Artenvielfalt steht es nicht gut. Kaum noch wachsen und blühen heimische Blumen wie Wildsalbei oder Pechnelke auf den Wiesen Luxemburgs. Experten haben das nachgewiesen. „Durch unsere Forschungen wissen wir, dass es diesen Rückgang gibt und es eine Rolle spielt, ob man die gleiche Sorte aus einem anderen Verbreitungsgebiet sät oder eine heimische“, sagt Thierry Helminger (55).
Er ist Botaniker beim „natur musée“ und einer der am Projekt „Wëllplanzesom“ Beteiligten. In schicken Tüten mit konsequentem Marketing dahinter werden die Samen von Wiesenmargerite, Kornblumen, Klatschmohn oder Labkraut als typisch heimische Sorten seit dieser Woche an zehn Verkaufspunkten vertrieben. „Die Pflanzen, die hier in Luxemburg vorkommen, sind dem hiesigen Klima angepasst und kommen damit klar“, sagt Helminger.
Knapp 500 solcher Tüten kommen auf den Markt. Mehr eigene Produktion, wo vieles in Handarbeit passiert, gibt es noch nicht. Deswegen steuert ein Spezialist in der Herstellung von naturnahem, heimischen Saatgut andere ebenso zertifizierte Samen bei. Ihre Herkunft ist genauso nachvollziehbar wie bei den Samen von Sicona, die im Übrigen biologisch produziert sind.
Lange Vorarbeit
Im deutschen Blaufelden-Raboldshausen beginnt die Geschichte der Wildblumensamen für Luxemburg vor zehn Jahren. Da besucht Simone Schneider (41) den Saatguthersteller und ist begeistert. Die promovierte Botanikerin hat ihre Doktorarbeit über das Grünland in Luxemburg geschrieben, genauer über die Artenvielfalt der Pflanzen. Das Großherzogtum ist reich an Grünland.
Mit 52,28 Prozent wird nach Angaben des Landwirtschaftsministeriums etwas mehr als die Hälfte der Landesfläche landwirtschaftlich genutzt. Davon sind wiederum etwas mehr als die Hälfte Wiesen und Weiden. Die Zahlen stammen aus dem Jahr 2019. Schneider leitet bei der Naturschutzinitiative Sicona die wissenschaftliche Abteilung.
Unter den 21 Mitgliedsgemeinden der Initiative sind viele Südgemeinden wie Differdingen, Petingen oder Sanem und Schifflingen. Esch gehört nicht dazu. Schneider schlägt – damals noch ganz neu bei Sicona – ein Projekt zur Samenzucht beim Umweltministerium vor und stößt auf offene Ohren. Jetzt ist der Wildblumensamen Realität und soll nicht in der Naturschutzecke der Gutmenschen bleiben.
Biodiversität geht alle an
„Jeder müsste sich damit beschäftigen, weil er auf diesem Planeten lebt“, sagt Schneider. „Insektenförderung, Artenvielfalt oder Biodiversität bei Tieren und Pflanzen geht alle an.“ Der Grund ist simpel und Ignoranz gegenüber dem Thema hat Auswirkungen. Die Natur agiert ganzheitlich. Insekten spielen eine ganz entscheidende Rolle in der Lebensmittelversorgung. Ohne ihre Aktivität als Bestäuber gibt es beispielsweise kein Obst.
Andererseits brauchen sie Blumennektar als Nahrung. Wenn das fehlt, geht es ihnen schlecht. Und heimische Pflanzen sind wiederum dem Boden vor Ort angepasst, gedeihen da, wo sie üblicherweise herkommen, gut. So schließt sich der Kreis. Nächstes Jahr soll unter anderem Johanniskraut das Sicona-Sortiment ergänzen. Es blüht gerade auf einem rund einem Hektar großen Feld am Rand von Kopstal.
Dort wachsen auch Wiesen-Schwingel, gewöhnlicher Hornklee und gewöhnlicher Rotschwingel. Das Grünland gehört zu einem der insgesamt 19 landwirtschaftlichen Betriebe, die mit an Bord sind. „Es ist ein weiteres Standbein für die Landwirte“, sagt Schneider. „Auch wenn wir nur ein kleiner Zipfel in der Saatgutproduktion sind.“ Das stimmt.
Die luxemburgische Landwirtschaft produziert an Saatgut nach Angaben des Landwirtschaftsministeriums 9.200 Tonnen Getreide, 1.000 Tonnen Futterpflanzen wie Gräser und Leguminosen und 7.000 Tonnen Pflanzkartoffeln pro Jahr. Das war der Stand im Jahr 2019. Auf diese Zahlen kommt das Projekt nicht. Noch nicht.
Obwohl der „Wëllplanzesom“ ein kleines Pflänzchen unter dem Horizont der Möglichkeiten für Naturschutz ist, ist es ein vielversprechendes. Es dürfte Furore machen, weil es zwei Fliegen mit einer Klappe schlägt. Die Wildblumensamen heimischer Sorten entsprechen dem Anspruch „lokal“ und sind gut für die Umwelt.
„Wëllplanzesom“: Die LUX-Mischungen
Die Wildblumensamen gibt es in drei Varianten. In „Blumenwiese“ und „Schotterrasen“ sind 50% Blumen- und 50% Gräsersamen enthalten. Die Mischung „Bunter Saum & Schmetterling“ enthält 100% Blumensamen. Die Tüten mit den Samen gibt es an zehn Verkaufspunkten in Luxemburg: Natur- & Geopark Mëllerdall (Befort), Fondation Kräizbierg (Düdelingen), Naturpark Öewersauer (Esch/Sauer), Naturpark Our (Hosingen), Haus vun der Natur (Kockelscheuer), Ëmweltberodung Lëtzebuerg (Luxemburg), Shop des „natur musée“ (Luxemburg), Naturschutzsyndikat Sicona (Olm), Op der Schock (Redingen/Attert), Waasserhaus (Redingen/Attert). Daneben sind sie auch über den Webshop der Firma Rieger-Hofmann erhältlich. Das Projekt wurde mit 2,6 Millionen Euro vom Umweltministerium gefördert. Weitere Informationen gibt es auf www.sicona.lu.
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Wann mer d’Spretzen mat Herbiziden ennerbannen kommen dei‘ Blummen vum selwen erem an der Natur !
Blumen statt Monokulturen wie Rollrasen im Natura 2000 Gebiet wären toll. Aber es bringt kein Geld in die Bauernkasse.
Observer, wéi verdingt Dir dann aert Geld?