Editorial / Willkommen in Absurdistan, wo die Rechte von Frauen zum politischen Spielball werden
Stillsitzen, es ist Zeit für die Geografie-Klausur! Wer weiß, wo Absurdistan liegt? Mehrfachantworten sind angesichts der Weltlage erlaubt. In der hinteren Reihe schnellt eine Feministin hoch. Es befindet sich u.a. auf dem „Krautmaart“ in Luxemburg-Stadt, dem Sitz der luxemburgischen Abgeordnetenkammer? Korrekt! Dort führten die Politikschaffenden – die prominenteste Bevölkerungsschicht des Landes der Unsinnigkeiten – diese Woche eindrücklich Sitten und Bräuche vor.
Herausgeputzt und mit Notizblättern in der Hand stellten sie sich ans Rednerpult und debattierten über häusliche Gewalt gegen Frauen und Kinder. Alle waren sich einig: Gegen diese Aggressionen, meist ausgehend von Männern, muss die Regierung vorgehen. Der dafür vorgesehene Aktionsplan gehört unterstützt! Her mit mehr Daten zu genderspezifischer Gewalt! Fast alle Abgeordneten sprachen sich für passende Anträge aus – darunter einer, in dem Daten zu Frauenmorden seit 2023 sowie jährliche Statistiken dazu gefordert werden. Absurdistan würde seinem Ruf allerdings nicht gerecht, gäbe es keine Haken. Die folgen prompt.
Femizide sind in Luxemburg nämlich kein Straftatbestand. In Kriminalstatistiken werden sie (noch) nicht separat erfasst. Daten gibt es also keine, weswegen Justizministerin Elisabeth Margue (CSV) bei der Debatte zu bedenken gab: Jedes Dossier müsse jetzt einzeln hervorgekramt und darauf untersucht werden, ob der Mord an der Frau aufgrund ihres Geschlechts begangen wurde. Ist mühsam, könnten sich die zuständigen Behörden jedoch sparen, würden Femizide endlich als solche anerkannt und erfasst. Zwar gilt u.a. geschlechtsspezifische Gewalt seit 2022 als erschwerender Straftatbestand, doch wurde diese Gesetzeserweiterung bisher kein einziges Mal angewandt.
Kommen wir zur nächsten Absurdität: Die Regierung predigt ein Ende der Gewalt gegen Frauen, übt sie jedoch selbst aus. Gesundheitsministerin Martine Deprez (CSV) teilte in der Abgeordnetenkammer mit: Die Verlängerung der gesetzlichen Frist für den Schwangerschaftsabbruch von zwölf auf 14 Wochen ist in dieser Legislaturperiode vom Tisch. „Nach der zwölften Schwangerschaftswoche sind verschiedene Charakteristiken des Kindes feststellbar“, sagt Deprez, „und das ist ein schwieriges ethisches Problem, das wir nicht von heute auf morgen lösen können.“ Sollen wir auch nicht, denn die Entscheidung, wer ein Kind gebärt, obliegt allein den Schwangeren. Genauso die Risikoeinschätzung für die eigene Gesundheit, in Rücksprache mit den behandelnden Ärzt*innen. Den medizinischen Fachkräften steht es nach dem „Code de déontologie“ zudem frei, den Eingriff abzulehnen, sofern die Behandlung nicht lebensnotwendig ist oder einen Notfall darstellt.
Das „Nationalkomitee der sozialistischen Frauen“ ist über Deprez’ Beschluss empört, lässt aber außen vor: Unter Gesundheitsministerin Paulette Lenert (LSAP) bestand eine interministerielle Arbeitsgruppe zum Thema, an der sich u.a. der Verein „Vie naissante“ beteiligen sollte. Ein Bündnis, das sich klar gegen Schwangerschaftsabbrüche positioniert. Es kam nie zu dem Treffen und die Arbeitsgruppe wurde inzwischen aufgelöst, dennoch spricht allein die Einladung Bände.
Da ist es nur ein schwacher Trost, dass die Regierung immerhin die bisher obligatorische Bedenkzeit vor dem Schwangerschaftsabbruch aufhebt. In Absurdistan, Hausnummer 19, sollte trotzdem demnächst über die Namensänderung von „Chambre des députés“ in „Chambre des contradictions“ nachgedacht werden – vor allem, wenn es um den Kampf für Frauenrechte geht.
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