Die „Hobbits“ von Indonesien / Winziger Armknochen gibt Einblick in die Ursprünge der Zwergenmenschen von Flores
Auf der indonesischen Insel Flores lebte einst eine eigene Gattung Mensch, die deutlich kleiner war als der moderne Mensch. Über die Ursprünge dieser „Hobbits“ rätseln Forschende, seitdem die ersten Fossilien vor über 20 Jahren ans Tageslicht kamen. Nun liefert ein neuer, ebenfalls winziger Knochen frische Erkenntnisse.
Der Fund könnte weitere Geheimnisse der Urmenschen lüften: Forschende sind in Indonesien auf den ungewöhnlich kleinen Armknochen eines Erwachsenen gestoßen. Dieser gehörte einem der Zwergenmenschen, die vor mehreren Hunderttausend Jahren auf der indonesischen Insel Flores lebten.
Diese menschlichen „Hobbits“, wie der Homo floresiensis gerne genannt wird, wurden erstmals 2003 entdeckt, als ein neuseeländischer Paläoanthropologe das Skelett einer ungewöhnlich kleinen, aber ohne Zweifel erwachsenen Menschenfrau ausgrub. Der inzwischen verstorbene Mike Morwood, der damals für die australische Universität New England unterwegs war, grub die Knochen in der Liang-Bua-Höhle auf Flores aus. Gerade mal 106 Zentimeter soll diese kleine Frau gemessen haben, mit einem Gehirn so groß wie das eines Schimpansen.
In der Wissenschaftsgemeinde löste der Fund eine kleine Sensation, aber auch zahlreiche Debatten aus. Gehörte die Frau zur Gattung Homo sapiens? Hatte sie an einer Krankheit gelitten? Oder war sie ein Beispiel für die sogenannte Inselverzwergung – ein evolutionsbiologisches Phänomen, das aus der Tierwelt bekannt ist? Hier wurde beobachtet, dass die Körpergröße von Tierarten abnimmt, die auf Inseln ohne Fressfeinde und mit beschränktem Nahrungsangebot leben. Als die Wissenschaftler im Anschluss jedoch die fossilen Überreste weiterer solcher Zwergenmenschen in der Höhle entdeckten, setzte sich die Meinung durch, dass es sich um die eigenständige Gattung Homo floresiensis („Mensch von Flores“) handelt.
„Eldorado“ für Paläoanthropologen
Bis heute faszinieren diese Urmenschen die Wissenschaftsgemeinde. Die Insel Flores ist zum „Eldorado“ der Paläoanthropologen geworden, die dort nach weiteren fossilen Knochen graben und sich mit jedem Fund neue Einblicke in die Evolutionsgeschichte der Flores-Menschen erhoffen. Eine solche Entdeckung wurde nun im Fachmagazin Nature Communications bekannt gegeben, nämlich der Fund eines erstaunlich kleinen Armknochens eines Erwachsenen, der 700.000 Jahre alt sein soll.
Während die ursprünglichen menschlichen Fossilien in der Liang-Bua-Höhle gefunden wurden, stammt der aktuelle Knochen von der offenen Ausgrabungsstätte Mata Menge, 75 Kilometer östlich der Höhle. Andere Überreste aus Mata Menge wurden zuvor ebenfalls schon auf ein Alter um die 700.000 Jahre datiert und damit rund 650.000 Jahre älter als die meisten Liang-Bua-Funde. Bisher waren die Forscher in Mata Menge auf etwas kleinere Kiefer und Zähne gestoßen, die bereits darauf hindeuteten, dass sich eine kleine Körpergröße schon früh in der Geschichte der Flores-Menschen entwickelt hat.
Ein hundert Zentimeter großer Urmensch
Um dies jedoch zu beweisen, brauchte es einen Gliedmaßenknochen und auf genau so einen sind die Forschenden nun gestoßen. „Als ich den kleinen Oberarmknochen zum ersten Mal sah, dachte ich, es sei ein Kinderknochen“, sagte Yousuke Kaifu vom Nationalen Naturkunde- und Wissenschaftsmuseum in Tokio, der an den Forschungsarbeiten beteiligt war. Dann sei er aber „neugierig“ geworden und wurde beim genaueren Studium überrascht, in welchem Entwicklungsstadium sich der Knochen befand. Denn: „Die digitale Mikroskopie der Mikrostruktur weist darauf hin, dass der kleine Oberarmknochen von einem Erwachsenen stammt“, wie es in einer Pressemitteilung heißt.
Basierend auf der geschätzten Länge des Knochens berechnete das Team die Körpergröße dieses Urmenschen auf etwa 100 Zentimeter und damit noch einmal sechs Zentimeter weniger als die Körpergröße des 60.000 Jahre alten Homo-floresiensis-Skeletts aus Liang Bua. Letzteres wurde basierend auf der Oberschenkellänge geschätzt.
Noch mal kleiner als bisher angenommen
„Dieser 700.000 Jahre alte Oberarmknochen eines Erwachsenen ist nicht nur kürzer als der des Homo floresiensis, er ist auch der kleinste Oberarmknochen, der weltweit aus dem Fossilienbestand von Menschen bekannt ist“, sagte Adam Brumm, ein Experte der australischen Griffith University und Co-Autor der Studie. Das Exemplar bestätige die Hypothese, dass die Vorfahren des Homo floresiensis eine extrem kleine Körpergröße hatten – sie seien sogar noch mal kleiner gewesen als bisher angenommen. Neben dem Armknochen stießen die Forschenden bei ihren Ausgrabungen auch noch auf zwei neue, ebenfalls kleine Zähne. Dabei stellten die Wissenschaftler fest, dass einer von ihnen Formmerkmale aufwies, die am ehesten mit dem frühen Homo erectus von Java übereinstimmten.
Damit deuten die neuen Fossilien nun darauf, dass die Geschichte der „Hobbits“ tatsächlich begann, „als eine Gruppe der frühen asiatischen Homininen, bekannt als Homo erectus, vor vielleicht einer Million Jahren irgendwie auf dieser abgelegenen indonesischen Insel isoliert wurde und eine dramatische Reduktion der Körpergröße erlebte“, so Brumm. Offenbar begünstigte „ein kleinerer Körper auf dieser isolierten Insel ihre Überlebensfähigkeit“, sagte Gerrit van den Bergh von der australischen Universität Wollongong, ebenfalls ein Co-Autor der Studie. Eine Theorie, die eine Verbindung der „Hobbits“ zu Urmenschen in Afrika vermutete, die noch vor dem Homo erectus lebten und von Anfang an kleinwüchsig waren, scheint aufgrund des aktuellen Funds nun eher unwahrscheinlich.
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