Zum 1. Mai / „Wir fordern jetzt eine Tripartite“ – OGBL-Präsidentin Back im Gespräch
Seit Dezember vergangenen Jahres ist Nora Back Präsidentin des OGBL und durfte sich seitdem quasi ununterbrochen als Krisenmanagarin beweisen. Dass der 1. Mai Corona-bedingt exklusiv digital über die Bühne gehen wird, stimmt sie traurig: „Ein 1. Mai ohne politische Aussagen ist eigentlich unvorstellbar“, so Back, die darauf verweist, dass auch die „politische Vorfeier“, die der OGBL traditionell dazu nutzt, Forderungen zu stellen, in diesem Jahr ausfallen musste.
Nach 2019, als die Staatstrauer um Grand-Duc Jean den Gewerkschaften einen Strich durch die Rechnung machte, ist es demnach das zweite Jahr in Folge ohne Fest der Arbeit und der Kulturen in Neumünster. Als wenig zufriedenstellende Alternative muss ein digitaler 1. Mai herhalten, bei dem Nora Back eine videobedingt kürzere Rede halten wird und das Rahmenprogramm ebenfalls rein elektronisch am PC oder Smartphone verfolgt werden kann.
Die Auswirkungen der Pandemie auf die Gewerkschaften und ihre Arbeit seien weitreichend, so die Vorsitzende. Die Einschränkung des Versammlungsrechts sei für den OGBL heftig: Mobilisierung, Treffen, Versammlungen seien in gewohnter Form nicht möglich. Dennoch funktioniere die Gewerkschaft gut und habe den Großteil der Leistungen aufrechterhalten können.
Sprechstunden auch in der Krise
Die hauptamtlichen Gewerkschafter seien weiterhin erreichbar gewesen; die zahlreichen Fragen der Mitglieder im Zusammenhang mit den Regelungen etwa zur Kurzarbeit konnten und können beantwortet werden. Auch die Sprechstunden, bei denen Hilfestellung in arbeitsrechtlichen oder sozialrechtlichen Fragen geleistet wird, fanden weiterhin statt. In öffentlichen Mitteilungen konnte der OGBL wie gewohnt, und eher noch verstärkt, seine Positionen darlegen, und er sei auch gehört worden.
So konnte die Arbeitnehmerorganisation sich positiv einbringen, viele Entscheidungen mit beeinflussen, so Nora Back, die betont, dass die Regierung bislang auf die Unterstützung der Gewerkschaft zählen konnte: „Wir wollen und können die Mediziner, die Experten nicht ersetzen …“ Lockdown und die Aufforderungen, zu Hause zu bleiben, wurden so mitgetragen, andererseits sei auf den OGBL gehört worden. In zahlreichen Videokonferenzen, vor allem mit den Ministern Kersch (Arbeit), Schneider (Soziales), Fayot (Wirtschaft), aber auch mit Gesundheitsministerin Paulette Lenert konnten Vorschläge wirkungsvoll eingebracht werden.
Und dies sei auch notwendig gewesen; allein bis Mittwoch seien 29 Ausnahmen zum Arbeitsrecht und 41 großherzogliche Reglemente, die das Arbeitsfeld der Gewerkschaften berühren, angenommen worden. Bei vielem konnten Nachteile für die arbeitenden Menschen abgewendet, Verbesserungen durchgesetzt werden. So zum Beispiel bei den Sonderurlauben für Familien während der Krise. Auch die Erweiterung des „Chômage partiel“ auf alle Wirtschaftsbereiche und alle Betriebsangehörigen sei ein Resultat dieser fruchtbaren Zusammenarbeit, ebenso wie das Verbot, während der Krise Mitarbeiter zu entlassen, die Aufhebung des Zahlungsendes von Arbeitslosengeld und die Aufhebung der 78-Wochen-Regelung, nach der im Krankheitsfall Arbeitsverträge ausgesetzt werden können. So sei verhindert worden, dass Menschen schuldlos in eine Misere geraten.
Arbeitszeitliche Ausnahmen schnell beenden
Ein Dorn im Fleisch der Gewerkschaftlerin bleibt allerdings die von Anfang an abgelehnte Ausnahmeregelung zum Arbeitsrecht in krisenrelevanten Unternehmen, die eine Verlängerung der täglichen Arbeitszeit auf 12 Stunden und der Wochenarbeitszeit auf 60 Stunden erlaubt. Dies sei eine falsche Entscheidung gewesen, so die OGBL-Präsidentin, die betont, dass gerade jene Menschen, etwa in den Krankenhäusern, die ohnehin unter Extrembedingungen und mit Angst zur Arbeit müssten, nicht auch noch länger arbeiten sollten.
Wie jetzt festzustellen sei, würden auch diese Menschen an ihre Grenzen kommen und hätten Anrecht auf Erholungsphasen und Urlaub. Die Ausnahmeregelung, so eine Forderung des OGBL, müsse schnell wieder zurückgenommen werden.
Eine grundsätzliche Forderung des „Onofhängege Gewerkschaftsbond“ bleibt die Einberufung der Tripartite, jenes Kriseninstruments, das Arbeitgeber, Arbeitnehmer und Staat an einen Tisch bringt. Zu Beginn der Krise hatte der Staatsminister einer entsprechenden Anfrage eine Abfuhr erteilt – mit der Begründung, jetzt sei nicht der Moment dafür. Inzwischen werde allerdings die Wiederaufnahme der wirtschaftlichen Aktivitäten intensiv vorbereitet und deshalb sei gerade jetzt ein guter Zeitpunkt für Dreiergespräche auf höchster Ebene. Der Einzelaustausch mit Ministern und die Teilnahme an einer Taskforce zum psycho-sozialen Zustand der Bevölkerung sei zwar wichtig und nützlich; der OGBL wolle aber auch bei den anstehenden Entscheidungen zur Exit-Strategie mitreden. In diesem Zusammenhang verweist Back auf die Bedeutung der Binnennachfrage, der Aufrechterhaltung der Kaufkraft der Bevölkerung also, die garantiert werden müsse.
Eher staatliche Kreditaufnahme als Austerität
In dem Sinne dürften keinesfalls die Fehler wiederholt werden, die nach der Finanzkrise 2008/09 in ganz Europa und in Luxemburg die Lage vieler Menschen dramatisch verschlechterten. Eine Neuauflage einer Austeritätspolitik, wie einst auch von der blau-rot-grünen Regierung mit ihrem „Zukunftspak“ betrieben, das ein Sparpaket war, müsse verhindert werden. Auch bei der angekündigten Steuerreform der Regierung, zu der bislang nichts Konkretes mitgeteilt wurde, dürften die Krise und die damit verbundenen Ausgaben nicht als Argument für höhere Belastungen der Klein- und Mittelverdiener herhalten. Die Betriebe seien in der Krise stark unterstützt worden, dies mit dem Einverständnis der Gewerkschaft. Jetzt gelte es, den Binnenmarkt zu stärken.
In diesem Zusammenhang sollte eher untersucht werden, welche Entlastungen für die Arbeitnehmer noch möglich seien; der Staat sei nur gering verschuldet und zusätzliche Kredite könnten den notwendigen Spielraum hierfür bieten. Daneben hält die Organsiation im steuerlichen Kontext ihre Forderungen aufrecht, etwa jene nach Abschaffung des sog. Mittelstandsbuckels und der kalten Progression.
Auf die Frage, inwiefern die Digitalisierung der Arbeit die Rolle der Gewerkschaften verändert oder sie gar dadurch gefährdet, dass die Arbeitnehmer weniger persönlichen Kontakt untereinander haben werden, antwortet Nora Back, die Daseinsberechtigung der Arbeitnehmervertretungen sei zwar nicht infrage gestellt, diese müssten sich allerdings anpassen, in anderen Strukturen funktionieren und den neuen Anforderungen begegnen. Der OGBL sei nicht gegen „Télétravail“, der bisher auch durch die hohe Zahl an Grenzgängern und Abstimmungsprobleme im Sozial- und Steuerrecht zwischen den Ländern gebremst worden sei. Im Rahmen der Krise seien jetzt schnell Lösungen hierfür gefunden worden, Abmachungen, die auch künftig Gültigkeit behalten sollten. Es gebe bereits ein interprofessionelles Abkommen mit den Arbeitgebern zur Tele-Arbeit, das nun schnell neu verhandelt werden müsse. Fragen zum Einsatz von privatem Material der Arbeitnehmer, aber auch zur Erreichbarkeit bzw. dem Recht, für den Betrieb nicht erreichbar zu sein, müssten geklärt werden. Davon abgesehen würden auch bei Fernarbeit Möglichkeiten zum Treffen und Austausch, zur Pflege der Kollegialität des Personals im Firmensitz bestehen bleiben.
Europa: Soziale Dimension muss in den Vordergrund
Die Gewerkschaften sind historische Verteidiger des Europa-Gedankens. Auf die abschließende Frage nach der Zukunft der Gemeinschaft, die besonders zu Beginn der Krise in keinem guten Licht erschien, unterstreicht Nora Back, die soziale Kohäsion sei für die Zukunft der EU zentral wichtig. Nur wenn die soziale Dimension der Staatengemeinschaft in den Vordergrund rücke und von den Menschen wahrgenommen werde, werde die Idee zukunftsfähig sein. Nur Staaten, die soziale Aspekte als prioritär sehen, sich gegenseitig helfen und an einem Strang ziehen, könnten der Union eine Zukunft garantieren.
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Ich habe es schon in einigen Kommentaren angedeutet, doch immer wieder kann man nicht genug daraufhin weisen, das Schlagwort dieser Pandemie: »WIR FORDERN…… »
Krisenmanagarin ??
Alles liegt am Bodem, Betriebe in Insolvenz,
Arbeitslosigkeit wächst schneller als vorher,
Arme werden noch ärmer,Chaos total,
wieso dann noch Forderungen stellen ??
es braucht Jahre bis zur Normalisierung,
nichts wird mehr werden wie vorher.
Wir leben in einer Zeit wo es ums wirtschaftliche Überleben geht und die Zukunft der EU.Hysterische Politiker rütteln am Gerüst einer guten Institution.Da sind Forderungen jetzt eher ein „Faux Pas“. Auch wenn es Damen gibt die sich trotz Coronakrise unbedingt profilieren wollen.Da ist sogar eine „bei Hofe“,oder sind es zwei?
Gelegenheit verpasst sich dezent zurückzuhalten.Bis die Wirtschaft wieder brummt.
OGBL,
bekëmmert iech emol em den OPE.
Aert Glanzsteck, wou dir Patron gespillt huet.
An soot den Leit dobaussen wievill Geld do verbrodden gin ass.