Luxemburgerin in Beirut / „Wir haben die Explosion viel mehr gefühlt als gesehen“
Mindestens 135 Tote, mehr als 100 Vermisste, 4000 Verletzte – und ein großer Teil Beiruts in Trümmern. Die Luxemburgerin Mandy Esta lebt nur anderthalb Kilometer von dem Ort entfernt, an dem es am Dienstagabend zu einer gigantischen Explosion gekommen ist.
„Wir haben die Explosion mehr gefühlt als gesehen“, sagt Mandy Esta. „Die Druckwelle erschütterte das ganze Gebäude, das Glas flog aus unseren Fenstern. Meine Mutter wurde zwei Meter weit aus ihrem Sessel auf den Boden geschleudert. Wir waren unfassbar schockiert.“ Die Luxemburgerin pausiert ihre Erzählung und atmet tief durch. „Wir dachten erst, es wäre ein Erdbeben“, sagt sie. Ihre Kinder sind zu dem Zeitpunkt nicht da – aber in Sicherheit. „Zum Glück“, sagt Esta.
Es ist eigentlich ein ganz normaler Tag in Beirut, als plötzlich eine gewaltige Explosion den Hafen, die Stadt und das gesamte Umland erschüttert. Glas zersplittert, Wände stürzen ein, eine riesige Druckwelle fegt zwischen Häusern und Autoschlangen hindurch. Der Knall ist noch in 200 Kilometern Entfernung zu hören. Bereits Minuten später kann es die ganze Welt im Internet sehen, viele Menschen haben die Explosion gefilmt, weil ihr ein großer Brand in einer Lagerhalle im Hafen vorausging.
Mandy Esta ist zum Zeitpunkt des Brands gerade zu Hause. Die 50-Jährige wohnt gemeinsam mit ihrer Mutter, ihrem Mann und ihren siebenjährigen Zwillingen im Beiruter Stadtbezirk Achrafieh, rund anderthalb Kilometer vom Hafen entfernt. Dann kommt der große Knall.
Druckwelle zerstört Autos und ganze Häuser
Nachdem sie sich vom ersten Schock erholt hat, findet sie heraus: Auch sie kennt Menschen, die verletzt wurden oder gestorben sind. „Wir haben Freunde, die Familienmitglieder verloren haben“, sagt Esta. Der Freund einer Cousine ist tot, einer ihrer anderen Freunde wird vermisst. „Er gehörte vermutlich zu den Feuerwehrleuten, die vor der Explosion zu dem Brand geschickt wurden.“
Esta, die sowohl die luxemburgische als auch die libanesische Staatsbürgerschaft besitzt, zählt sich selbst zu den Menschen, die bei dem Unglück glimpflich davongekommen sind. Sie und ihre Familie seien vor allem froh darüber, dass sie noch leben.
Bald komme jemand vorbei, um in ihrem Zuhause die Fenster für die neuen Scheiben auszumessen –allerdings macht die 50-Jährige sich keine großen Hoffnungen, dass die Reparaturen schnell vorankommen werden. „Ganz Beirut hat ja momentan dieses Problem.“
Ein weiterer Rückschlag für die Menschen im Libanon
Die vergangenen Monate seien ohnehin schwer für die Libanesen gewesen. Der Grund: eine Wirtschaftskrise – und schließlich die Corona-Pandemie. Normalerweise kommt Esta öfter in die Luxemburger Hauptstadt, wo sie für ein Immobilienunternehmen arbeitet. Seit den Corona-Einschränkungen ist sie allerdings vorerst dauerhaft im Libanon. Obwohl der Vorfall am Hafen erst einmal eine schwere Zeit für die Familie bedeutet, will sie nicht resignieren: „Die Menschen hier sind stark. Wir werden vielleicht etwas Hilfe brauchen, aber wir schaffen das schon.“
Neben ihrer Arbeit setzt sich die Luxemburgerin dafür ein, dass Familien im Libanon finanzielle Unterstützung für die Schuldbildung bekommen. „Die Schulen laufen über und viele Familien haben nicht das Geld, um ihre Kinder in die Schule zu schicken“, sagt sie. „Und so eine Katastrophe wie die Explosion am Hafen macht die Situation natürlich nicht gerade einfacher.“
Laut Charles Raphaël, Luxemburger Honorarkonsul im Libanon, sind unter den Toten oder Verletzten bisher keine Luxemburger Staatsbürger. Er sagt: „Wir sind noch dabei, zu untersuchen, was da überhaupt genau passiert ist. Wir können das hier selbst noch gar nicht so richtig glauben.“
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