Zukunftsforscher Matthias Horx / „Wir haben die Verpflichtung zur Zuversicht“
Nach wochenlange Ausgangssperren sehnen viele Normalität herbei. Sie wird anders aussehen als vor der Krise, sagt Matthias Horx (65). Der Zukunftsforscher hat einen Essay ins Netz gestellt, der vom Herbst 2020 aus auf die Coronakrise zurückschaut. Ein Gespräch über Illusionen, veraltete Denkmodelle und Kreuzfahrtschiffe.
Tageblatt: Viele wünschen sich derzeit die Zeit vor Corona zurück, die „alte Normalität“. Die wird es nicht mehr geben, sagen Sie. Warum?
Matthias Horx: Es gibt unterschiedliche Arten von Krisen. Die Finanzkrise 2009 hat das Vertrauen in den Finanzsektor erschüttert und Menschen haben Geld verloren. Aber diese Krise erschüttert unser aller Leben, indem sie uns Verletzlichkeiten klarmacht. Wir leben nach wie vor in einer Welt, in der sich Viren und Bakterien ausbreiten können. Außerdem hat sie unser persönliches Leben verändert. Die Erfahrung des Lockdown bringt andere Sichtweisen mit sich.
Liegt das in der Natur von Pandemien?
Seuchen haben immer gesellschaftliche Veränderungen mit sich gebracht. Entlang von Seuchen lernen Kulturen und Menschen. Das hat in allen Bereichen Auswirkungen. Es ist eine Illusion, zu glauben, dass nach dem Stillstand die Wirtschaft wieder im gleichen Stil anläuft. Branchen werden sich verschieben, vieles wird entschleunigt und nicht mehr so boomen wie zuvor.
Sie sprechen davon, dass es nach Corona einen neuen gesellschaftlichen Kontext geben wird. Wie sieht er aus?
Es hat sich ja eine Art neuer Gesellschaftsvertrag entwickelt. Er besteht darin, alte, schwache Menschen, Risikogruppen zu schützen, indem die Wirtschaft zurückgefahren wird. Das ist neu. 1970 gab es die Hongkong-Grippe, die allein in Deutschland 40.000 Tote gefordert hat. Es kam aber damals niemand auf die Idee, die Wirtschaft stillzulegen. Andererseits gab es schon vor der Krise eine Frage der Jugend an die älteren Generationen in Bezug auf die Erderwärmung: „Wollt ihr nicht mal euer Verhalten ändern?“ Die Jüngeren haben jetzt die ältere Generation durch Verhaltensänderung geschützt. Sie werden in den nächsten Jahren natürlich die Einhaltung dieses Vertrages in die andere Richtung einklagen. Die nächste große Krise, in der wir ja im Grunde schon mittendrin sind, ist die globale Erwärmung.
Sie stellen eine neue Verbindlichkeit fest. Es wird wieder mehr telefoniert, alte Freundschaften leben auf … Wird sich das halten?
Das ist eine Frage von Lernprozessen. Wir haben einerseits gelernt, mit neuen Technologien umzugehen, in denen wir nicht so geübt waren. Andererseits haben wir uns auf alte, analoge Techniken bezogen, wenn wir gespürt haben, dass nahe Beziehungen existenziell für uns sind. Wir konnten uns nicht verabreden und nicht aus dem Haus, und das hat auf paradoxe Weise die soziale Verbindlichkeit wieder enger gemacht. Diese Erfahrung wird Spuren hinterlassen.
Sie attestieren den sozialen Netzwerken, dass sie eine Art „kollektive Nervenschwäche“ verursacht haben. Was meinen Sie damit?
Die sogenannten „sozialen“ Netzwerke haben in der menschlichen Kommunikation zu schrecklichen Auswirkungen geführt, sie haben uns „Shitstorms“, Hass, Missbrauch, Fake News und Verschwörungsgerüchte in hohem Ausmaß gebracht. Dadurch haben sie die Zukunft beschädigt im Sinne einer konstruktiven Zukunftsdebatte, die eine Gesellschaft führen muss.
Eine Blase also?
Digitalität hat das Versprechen, dass wir uns näherkommen, nicht eingelöst. Genauso wenig wie das Versprechen, dass digitale Techniken alle Probleme lösen können. Es ist eher das Gegenteil eingetreten. Man hat sich das aber nicht eingestanden. Es wird weiterhin Fake News und Verschwörungsgerüchte geben, aber vielleicht lernen wir, besser damit umzugehen. In einer Krisensituation ist das nicht sehr gefragt. Dann suchen die Menschen eher nach Vereinbarungen, nach Konsens.
In Ihrer Wahrnehmung wird die Künstliche Intelligenz überschätzt. Selbstfahrende Autos, alles ist „smart”. Das war doch der Hype …
Künstliche Intelligenz wird meiner Meinung nach überschätzt. Sie kann Detailprobleme lösen, aber sie ist nicht in der Lage, Probleme zu lösen, die auf der menschlichen Ebene liegen. Dienende Funktionen kann man darauf übertragen, aber die Beantwortung ethischer Fragen nicht. Wenn ein Großcomputer die Verkehrsplanung großer Städte lösen soll, werden dabei kaum Modelle zur sanften Mobilität herauskommen. Es ist ein Werkzeug, das überschätzt worden ist.
Der Klimaschutzdiskussion attestieren Sie eine „Verzichts-Ideologie”, die nichts Neues hervorbringt. Was muss sich da ändern?
Die Ökologiedebatte hat sich in gegenseitiger Polemik festgefahren. Wandlungsunfähigkeit steht dem Appell für Konsumverzicht gegenüber. Diese Polarisierung führt uns nicht viel weiter. Eine ökologische Zukunft kann nur entstehen, wenn wir verstehen, dass die Natur uns mehr als genug zum guten Leben gibt. Wir haben mehr als genug natürliche Energie in Form von Sonne und Wind. Wir können durch „Cradle-to-cradle“-Systeme Materie immer neu nutzen. Wenn wir die Zukunft nur als Knappheit darstellen, demoralisieren wir die Menschen.
Klimaschutz ist aber doch oft auch aus Kostengründen zurückgestellt worden … Jetzt hat der globale „Shutdown“ ganz schnell funktioniert. Ist das eine Lehre?
Das ist Anreiz, darüber nachzudenken, warum es hier funktioniert und dort nicht. Ich behaupte mal, es funktioniert auch bei der Eindämmung der Erderwärmung. Das erfordert aber eine hohe gesellschaftliche Kooperation. Da müssen Wirtschaft, Politik und Bürger zusammenarbeiten wie jetzt bei Corona.
Sie beraten Unternehmen. Welche Fehler werden da gemacht?
Es gibt extreme Beharrungskräfte in den einzelnen Branchen, die das alte Modell permanent optimieren und maximieren wollen. Beispiel: Autoindustrie. Sie ist auf Stückzahlen fixiert und will preisgünstig sein. Das führt in den Dauerstau und ist ein veraltetes Wirtschaftsmodell.
Und wie sieht das neue aus?
Es erfordert ein Umdenken. Nehmen wir die Businessflüge. Gerade jetzt erfahren Firmen, dass ihre Mitarbeiter Telekonferenzen gut bewältigen können. Das ist ein Kosten- und ein Umweltfaktor. Das nimmt den Druck aus diesen, wie ich sie nenne, „überreifen“ Branchen.
Welche sind denn „überreif”?
Das sind die, die in der Vergangenheit hohe Wachstumsraten hatten und Umweltprobleme verursachen. Kreuzfahrtschiffe sind ein gutes Beispiel. Sie sind immer größer und unverschämter in ihrem Auftreten geworden. Wenn man sieht, wie diese Riesenschiffe in Venedig anlanden, dann wird einem ganz unwohl. 3.000 Leute über die Weltmeere zu schippern und zu verköstigen und dabei noch jede Menge Schweröl zu verbrennen, hat keine Zukunft. Vielleicht gibt es andere, befriedigendere Formen, Urlaub zu machen.
Die Wirtschaft war überhitzt?
In gewissem Sinne ja. Es ist vielleicht nicht ganz schlecht, wenn wir das herunterdrehen. Es ist, glaube ich, auch ein Irrtum, dass dann gleich Verarmung droht, wenn es kein steiles Wachstum gibt. Das ist ein veraltetes Denkmodell.
Sie klingen sehr optimistisch …
Hinter Pessimismus stecken oft Ängste. Und es ist nicht gut, sich als Gesellschaft nur von Angst leiten zu lassen.
Der Gegenentwurf ist Schweden. Haben sie dort weniger Angst als wir?
Sie vertrauen mehr auf ihre eigenen Verantwortlichkeiten. Das machen sie gut. Trotzdem bleibt die Feststellung, dass die Länder mit strengen Auflagen schneller durch die Krise gekommen sind.
Ihr Fazit?
Wir haben eine Verpflichtung zur Zuversicht. In einer Krise wird deutlich, dass das stetige Jammern und Schimpfen nicht weiterführt. Das Virus hat uns gezeigt, dass wir uns wehren können, wenn wir als Gesellschaft zusammenhalten. Wenn wir das können, können wir auch den Wandel hin zu postfossilen Lebens- und Wirtschaftsmodellen schaffen.
Zur Person: Matthias Horx
Matthias Horx (65) ist Publizist, Journalist und Zukunftsforscher. Er hat in Frankfurt Soziologie studiert und 1998 das Zukunftsinstitut mit Sitz in Frankfurt und Wien gegründet. Das Institut versteht sich als „Think tank”, analysiert Megatrends und berät Wirtschaftsunternehmen. Der gebürtige Deutsche lebt mit seiner Familie in Wien. Mehr Infos: www.horx.com und www.zukunftsinstitut.de.
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Zukunftsforscher. Was bitte soll denn das sein? Ratingagenturen und Statec bestimmen doch schon was uns blühen wird. Wer kann denn sagen was in fünfzehn oder auch nur zehn Jahren sein wird?
Das ist doch Kaffeesatzleserei. Kennen sie eine „Periode“in der Geschichte der „Menschlein“ die sich wiederholt hat? Die Welt wird nie mehr so sein wie sie war! Das ist mein Lieblingssatz.Den höre ich seit ich auf der Welt bin(65). Unsere Zukunft können wir nur in beschränktem Maße beeinflussen ( Krieg oder Frieden ).Eine Pandemie haben wir jetzt und hatten wir schon,auch Meteoriteneinschläge haben wir überlebt(zufälligerweise),Kriege und andere Katastrophen gab es zuhauf. Nur eines ist sicher,die Zeit vergeht und wird auch damit eines Tages aufhören. Wir sollten uns also nicht zu wichtig nehmen und den Tag genießen. Das ist Zuversicht.
DEN NOSTRADAMUS HUET ETT VIRAUS GESOTT
Die Steile Karriere des M. Horx
Von 2003 – 2008 betrieb er schon Zukunftsforschung mit seiner Frau.
Dann blieben 2010 seine GELDGEBER weg!!!
https://www.sueddeutsche.de/panorama/karriere-nach-unten-millionaer-wird-tellerwaescher-1.922827
2011 Zukunftsvisionen für die Versicherungsindustrie, vor allem private Krankenversicherungen für die 18-35 Jährigen, von da ans gings wieder bergauf, also finanziell.
Zu seiner Vision für Herbst 2020: Er verwechselt persönliche Projektion mit Prognose. Wir sehen hier die Welt, wie Matthias Horx sie sich und seiner Geldgeber nach Ende der Krise wünscht.
Und wer sind diesmal seine Geldgeber?
Würde seine Glaskugel richtig funktionnieren, dann hätte sie ihm folgendes Szenario erspart….!
https://www.sueddeutsche.de/panorama/karriere-nach-unten-millionaer-wird-tellerwaescher-1.922827
Zukunftsforscher im Frondienst der Wirtschaft ist, wie mit Zuversicht in die Zukunft der Welt schauen , einer Welt wo Machtstreben , Wirtschaftswachstum wichtiger sind als die Spezie „ Mensch“.