/ Wir müssen draußen bleiben: Will das Atelier nur Hofberichterstattung?
Seit Ende Juli 2019 wird das Tageblatt nicht mehr für Konzerte im Atelier akkreditiert. Über die Gründe dafür schweigen die Konzertorganisatoren.
Als Kulturjournalist oder als Konzertfotograf gehört man zu den Privilegierten, die sich selten bis nie Gedanken machen müssen, ob sie nun Karten zu diesem oder jenem Konzert bekommen werden. Und die zudem auch noch freien Einlass zu allen Shows haben – was bei steigenden Konzertpreisen durchaus von Vorteil ist.
Oftmals wird man um diesen Status beneidet – und ich müsste lügen, wenn ich dies nicht zu den Vorteilen meines Jobs zählen würde, auch wenn ich durch meinen eklektischen Musikgeschmack oftmals unter beruflichem (Eigen-)Zwang etwas blasiert Konzerte besuche, die längst ausverkauft sind. In verschiedenen Fällen handelt es sich dabei gar um Konzerte, deren Ausverkauf in sozialen Netzwerken zu wilden Beschimpfungen frustrierter Fans führt, die den Konzertorganisatoren oder der langsamen Internetverbindung die Schuld geben, weil sie keine Karten mehr ergattern konnten.
Ein Blick hinter die journalistischen Kulissen verrät: Über Konzerte zu berichten, ist und bleibt Arbeit. Es ist meist sogar, wenn man den Job ernst nimmt und nicht nur schreiben will, dass das Publikum „eine gute Zeit hatte“ und die Band die Konzerthalle „rockte“, keine leichte Arbeit. Und es wäre unverständlich, dafür bezahlen zu müssen, damit man seine Arbeit ordentlich verrichten kann. Dies wäre in etwa so, als würde man einen Handwerker, der für eine Reparaturarbeit in ein Museum gerufen würde, zwingen, Eintritt zu bezahlen. Oder als müsse man eine Geschäftsreise selbst finanzieren.
AUS DEM ARCHIV:
Unsere Berichterstattung rund um das Rammstein-Konzert
Bierpreise, Transportchaos und brachialer Sound:
Das etwas andere Gespräch über Rammstein
„Herchesfeld“ – Mit Rammstein wurden die Grenzen des Machbaren erreicht
Feuer frei: Organisatoren trotz offener Fragen auf Tauchstation
Die Konzertberichterstattung bedeutet harte Arbeit für den Fotografen, der auch im Hochsommer mit bleischwerer Ausrüstung in der stickigen Halle steht, auf den Konzertbeginn wartet, um sich dann mit den Arbeitskollegen in den Fotopit zu stürzen, nur um dann unter Zeitdruck – die Fotografen werden standardmäßig nach den ersten drei Liedern wieder aus dem Pit verjagt, was bei Punkbands mit kurzen Nummern die Arbeit zusätzlich erschwert – so viele Fotos wie möglich zu schießen.
Immerhin kann sich der Fotograf, wenn ihm das Konzert nicht gefällt oder er an dem Abend etwas Besseres vorhat, nach den ersten drei Tracks aus dem Staub machen. Der Berichterstatter sollte, hat er auch nur einen Schimmer deontologischer Überzeugungen, bis zum bitteren Ende bleiben. Im Fall eines schlechten Konzertes ist dies definitiv kein Vergnügen. Da man keinen Freund mit gutem Musikgeschmack dazu verleiten will, 50 Euro für eine potenziell schlechte Band auszugeben, hat man in solchen Fällen meist nicht mal den Trost einer guten Gesellschaft, in deren Beisammensein man überteuerte Biere herunterkippen kann, um sich das Konzert nicht etwa schönzutrinken (was teilweise einfach nicht mehr möglich ist), sondern dem gemeinsamen ästhetischen Leiden diese Betäubung der Sinne entgegenzubringen, die einen das Leben (bzw. die schlechte Musik) mit einem absurden Lachen auffassen lässt.
Der Fall Rammstein
Ergo steht man oft alleine auf einem Konzert. Tippt man dann Notizen – über die Setlist, über die Technik oder sonstige Satzfetzen über das, wozu die Musik inspiriert – in sein Handy, fühlt man sich wie ein Opfer der Smartphone-Sucht, die die Hälfte der Bevölkerung befallen hat, und erntet böse Blicke von den hippen Musikgenießern, zu denen man sich im Grunde eigentlich auch zählt oder zählen will.
Nun hat sich diesen Sommer etwas relativ Bizarres ereignet, was ich erst mal als Unachtsamkeit und/oder Überforderung und/oder Personalmangel eines Konzertveranstalters, der diesen Sommer so viele Konzerte wie noch nie geplant hatte, abstempelte.
Nachdem das Tageblatt relativ kritisch über die Organisation des Rammstein-Konzertes berichtet hatte (eine Organisation, die jeder, der vor Ort war, als schlampig empfand), bekam ich auf die Akkreditierungsanfragen für die darauffolgenden Konzerte im Atelier (Royal Blood, The Good, The Bad And The Queen, Airbourne) keine Antwort mehr.
Der Akkreditierungsprozess verläuft folgendermaßen: Zu Beginn des Monats gibt das Atelier in der Presseabteilung seiner Homepage die Presseakkreditierungen für die Konzerte des kommenden Monats frei, nach der Anfrage bekommt der Journalist eine Zu- oder Absage.
„Sorry, kein Platz mehr“
Ich hütete mich zu diesem Zeitpunkt vor einer voreiligen Opferhaltung: Nur weil etwas davor passierte, soll man nicht grundsätzlich eine kausale Verbindung zwischen dem Davor und dem Danach herstellen. Auf meine Akkreditierungsanfrage für das Mando-Diao-Konzert kam ein knappes: „Sorry, kein Platz mehr.“
Als ich später auf ebendiesem Konzert war – die Karte zahlte ich aus eigener Tasche –, stellte ich fest, dass das Konzert tatsächlich nicht ausverkauft war. Last-Minute-Plätze für berichtende Journalisten waren in der Vergangenheit im Atelier nie ein Problem gewesen. Wenn man für das Tageblatt arbeitete.
Bei anderen Presseorganen ist die Rhetorik des Ateliers seit längerem so, dass im Fall einer Absage dem Management der Band die Schuld in die Schuhe geschoben wird. Eine solche Begründung mag bei einer limitierten Anzahl an Fotografen vor Ort Sinn machen – falls der Konzertveranstalter aber einen Schreiberling auf dem Konzert haben will, steht es ihm eigentlich meist frei, diesen in seine Halle hineinzulassen.
Da das Tageblatt in den vergangenen Jahren noch nie eine Akkreditierung abgesagt bekam, schickte ich vor meinem Sommerurlaub die freien Mitarbeiter, die zu besagten Konzerten gehen wollten, hin – warnte aber vor, es habe keine Zusage des Ateliers gegeben, dies würde jedoch nichts bedeuten, wahrscheinlich würde es bloß daran liegen, dass die für die Öffentlichkeitsarbeit zuständige Person derzeit im Urlaub wäre.
Während meines Urlaubs erreichten mich dann Nachrichten von freien Mitarbeitern, die keinen Pressezugang gewährt bekamen, ich musste den Eifer unserer Fotografen, die sich auf den Weg in die Hollericher Straße machen wollten, bremsen. Als ich während des Mando-Diao-Konzertes selbst vor Ort war und nachfragte, was eigentlich los wäre, teilte man mir nur mit, dass keine Akkreditierung vorliegen würde.
Ein neuer PR-Angestellter entschuldigte sich danach via Mail für den Vorfall. Ich hatte inzwischen mehrmals nachgefragt, was denn eigentlich los sei. Als die PR-Angestellte aus dem Urlaub zurückkam, wurde mir mit der Klarheit eines Kriminellen, der vor der Menge an belastenden Beweisen seine Schuld zwar nicht mehr verneinen kann, die Tat aber nur euphemistisch zugibt, erklärt, die Zusammenarbeit mit dem Tageblatt würde sich „schwierig“ gestalten – man würde uns folglich auch keine „Freikarten“ mehr zur Verfügung stellen (was von der Formulierung her problematisch ist: ein Journalist bekommt keine „Freikarten“, er wird akkreditiert). Man würde uns aber nicht „verbieten“, weiterhin über vom Atelier organisierte Konzerte zu berichten, uns auch weiterhin Pressemeldungen schicken und gar „au besoin“ Fotos von den Hoffotografen weiterleiten.
Auf meine vermehrten E-Mails, woher dieser plötzliche Umschwung komme, bekam ich keine Antwort, nur einmal antwortete mir die Pressesprecherin mit den gleichen vertröstenden Worten, die mir bereits zugesandt worden waren.
Der Rammstein-Elefant im virtuellen Raum blieb unbeachtet, man denkt wohl beim Atelier, keine Begründung sei würdevoller, als klarzumachen, dass man beleidigt ist. Dabei weiß ein jeder, der sich auch nur minimal mit Soziolinguistik befasst hat, dass es, wie Roland Barthes mal sagte, unmöglich ist, nicht zu kommunizieren. Die Abwesenheit einer Antwort ist eine überdeutliche Antwort.
Wie undemokratisch und bedauerlich ein solches Verfahren ist, das anderen Zeitungen mit kleinerer Auflage bereits seit Jahren widerfährt – lesen Sie dazu mehr in unserem Leitartikel.
- Barbie, Joe und Wladimir: Wie eine Friedensbotschaft ordentlich nach hinten losging - 14. August 2023.
- Des débuts bruitistes et dansants: la première semaine des „Congés annulés“ - 9. August 2023.
- Stimmen im Klangteppich: Catherine Elsen über ihr Projekt „The Assembly“ und dessen Folgeprojekt „The Memory of Voice“ - 8. August 2023.
Wat ass dann elo dee grousse Problem? Hien huet misse fir e Concert bezuelen, Buhuu.
Da kënnt der d’Organisatioun jo elo berouegt zur Sau maachen, et ass jo keng Bestiechung méi.
Hm. Sie erwarten doch auch von uns, dass wir Ihren kritischen Kommentar veröffentlichen, oder?
Der Autor hat das „große Problem“, einen Verstoß gegen die Pressefreiheit, jedenfalls in seinem Text deutlich dargestellt.
– Ihre Redaktion
Dir hat wuel ze kritesch geschriwwen. Et soll jo Leit gin, déi keng Kritik verdroë well si perfekt sin.
Hatte der Journalist Hausverbot oder müsste er nur sein Ticket auf eigenen Kosten bezahlen wie Roby andeutet?
Die Lektüre des ganzen Artikels beantwortet diese Frage.
– Ihre Redaktion
Lieber Herr Goebel, leider gibt es Leute resp. Kommentatoren, die anscheinend nicht die Geduld aufbringen, einen Artikel ganz zu lesen oder das Geschriebene einfach nicht verstehen ( wollen oder können ). Das sind aber dann die, die am lautesten schreien.
Liebe Mitleser , es gibt Leute die verstehen nicht wenn eine Frage rethorisch war. Solange man kein Hausverbot hat kann man doch nicht schreiben“wie müssen draussen schreiben“ in einem Titel. Die 50 € sind doch wie in jedem Beruf Werbekosten die steuerlich absetzbar sind und eben auch die absolute Neutralität des Journalisten untermauern würde.
Ich war ehrlich gesagt, wie viele Leser hier, überrascht, dass wie die Gepflogenheiten dann hier sind die dann eben gerade zu Hofberichterstaaung führen.
Ja, aber ich erwarte keine Gratis-Zeitung dafür.
Här Schinker,
bezuelt ären Ticket och als Press wi di aner Leit, da kënnt der schrewien waat der wëllt.
Ech fannen ärt Gesouers lamentaabel fir eng Press di wëll fräi schaffen.
BG
MS
Das Prinzip der Akkreditierung ist ein etablierter internationaler Standard der Pressearbeit. Es ist auch logisch, denn anders als „die anderen Leute“ besucht ein Journalist ein Konzert eben nicht zum Vergnügen.
– Ihre Redaktion
Er kann das Ticket ja dann auch problemlos von der Steuer absetzen.
Vielleicht ist ja auch ein anderer Grund für die Nicht-Akkreditierung da, vielleicht hat ihr Mann zu oft gegen die Tragepflicht verstoßen oder sich sonst daneben benommen.
Halleluja, wenn die Presse weltweit überall müsste Eintritt bezahlen bei Veranstaltungen, sei es Kultur, Sport, Konferenzen, etc. … wenn man von keiner Sachkenntnis getrübt ist, sollte man einfach lieber den Mund halten. Danke an den T-Journalisten für seine Engelsgeduld und seine Sachlichkeit
Dann bezuelt einfach en Tix an dann kënn där jo och Berichten wat där wëllt. Muss dann och soen dass Tageblatt sech och net brauch ze brätzen wat d’ Ënnerstëtzung vum Lëtzebuerger Musek an Festivalen betrëfft.
Unsere Kulturjournalisten begehren selbstverständlich üblicherweise nur nach einer Akkreditierung für Veranstaltungen, über die sie auch berichten wollen – obwohl man das als Journalist nicht immer im Vorfeld weiß. Eine Akkreditierung zu gewähren entspricht jedenfalls international üblichen Standards der Pressearbeit. Zudem bedeutet eine verweigerte Akkreditierung meist auch, dass nicht (legal) fotografiert werden kann. Da wir unseren Lesern unabhängig berichten wollen, möchten wir aber etwa auf Fotos der Veranstalter verzichten, die letztlich nichts als PR sind.
– Ihre Redaktion
Sorry, liebe Fotografen, so ein Konzert ist eine Privatveranstaltung. Der Veranstalter bestimmt die Regeln, unter denen dort Fotos gemacht werden dürfen, was mit den Fotos passieren soll, wer reinkommt, was es kostet,, usw. Wenn Euch die Regeln nicht passen, berichtet nicht. Euer gutes Recht
Es stimmt: Viele Sitten und etablierte Regeln der Gesellschaft (hier: der Umgang mit der Presse) sind streng „juristisch“ gesehen nicht durchzusetzen oder gar definiert. Ob es gut ist, sie darum ersatzlos zu streichen, steht auf einem anderen Blatt.
„…nur nach einer Akkreditierung für Veranstaltungen, über die sie auch berichten wollen – obwohl man das als Journalist nicht immer im Vorfeld weiß.“
Sie wissen nicht im Vorfeld was sie wollen?
Oder meinten Sie etwa, sie wüssten nicht ob sie hingehen _müssten_?
Wie im restlichen Leben kann sich auch im Journalismus eine Veranstaltung oder ein Termin anders entpuppen, als man es im Vorfeld abgeschätzt hat. Und dann wird aus einem Thema plötzlich keines mehr – oder umgekehrt.
Ist geplant, auch zusammen mit anderen Presseorganen, das Atelier schlichtweg totzuschweigen? Eigentlich sind ja Presseberichte auch Werbung für die Bude. Ohne Artikel keine Werbung…
Wird dem katholischen Konkurrenten auch die Akkreditierung verwehrt?
Liesen… No Denken…
Roby a Guy, dir huet näischt verstanenen an dat ass de Problem vun eiser Zäit !
Erkläert Dir eis et, Dir hutt et jo anscheinend bekäppt, wat mir Dommer net hunn.
D’Organisatioun ronderem de Ramstein Konzert war schlecht an geféierlech.
Ären Artikel dozou war mir awer och e bëssen ze spicy.
Den nächsten groussen Concert gëtt dann vum Atelier besser organiséiert an ären Artikel dozou bléift modéréiert. #peace
Da Sie ja auch auf Ihren Leitartikel verweisen, gestatten Sie dich die Frage in wie fern Ihre Berichterstattung professionnelker sein soll als jene eines Bloggers? Habdn Sie Musik studiert, oder Bühnentechnik oder was war Ihr Bildungsgebiet?
Lieber Frank Goebel,
ich bewundere Ihre Geduld, mit der Sie antworten!
Irgendwie warte ich auch immer noch auf eine öffentliche Antwort vom Atelier. …
Sehr geehrte Damen und Herren,
die eigentliche Frage ist, dass nach einer kritischen Darstellung eine grundsätzliche Änderung einsetzte. Das spricht gegen die Veranstalter.
Freundliche Grüße, Felix
Es erklärt so einige Dinge. Ja. Welcher Firma gehört das Atelier?
Lo hat ech et bal vergiess, d’Äntwert ass Neen, wéinst dem Betteridge sengem Gesetz iwwert d’Iwwerschrëften.?
In der Kultur ist es wie im Sport.
Entweder man macht bei der Selbstbeweihräucherung mit oder man wird ausgeschlossen und somit mundtod gemacht.
Somit wird freie Berichterstattung und investigativer Journalismus im Keim erstickt und das obwohl es, vor allem im Sport, genügend Skandale gäbe über sie man berichten könnte.
Einer Demokratie eigentlich unwürdig.
„Indignez vous“ liebe Journalisten und wehrt euch gegen diese Zensur !!!!
„Man kann nicht nicht kommunizieren“ stammt übrigens von Paul Watzlawick.
Bezuelt dach einfach aeren Ticket (an aert Gedrenks etc) an dann kennt der aus der Perspektif vun engem normalen Client schreiwen. Et muss jo net emmer „VIP“ Zelt mat gratis Crément sinn.
nicht verwunderlich vom Atelier..
die haben noch nie Kritik vertragen… und werden immer schlechter bei dem was sie machen..
in den 90gern, war das atelier ein richtig guter austragungsort sowie veranstalter wo mann noch meinen konnte die Musik stehe klar im vordergrund.. Dies ist allerdings über die Jahre dem reinen Kapitlismus gewichen und somit zählt seit Jahren fürs Atelier nichts viel ausser Kohle.. da ist kritische berichterstattung nicht willkommen egal wie war sie ïst 🙂
die meisten Bands die im Atelier autreten kann mann auch in Köln oder Brüssel sehen, vielleicht klappst ja da mit der Akkreditierung und das Publikum ist auch meist noch Tanzfreudiger und besser gelaunt als in luxemburg…