/ „Wir sind näher am Zentrum“: 59,41 Prozent der Wähler in Leudelingen wollen raus aus dem Südbezirk
Am Sonntag mussten die 1.420 wahlberechtigten Bürger der Gemeinde Leudelingen nicht nur ihre Kreuze auf den Europawahllisten setzen – im Rahmen eines Referendums stimmten sie ebenfalls darüber ab, ob die Gemeinde weiterhin zum Wahlbezirk Süden zählen oder eher in den Zentrumsbezirk wechseln soll. Auch wenn eine solche Bürgerbefragung nicht bindend ist, kann sie durchaus Impulse in Richtung Politik geben.
Die Diskussionen um einen eventuellen Wechsel des Wahlbezirks sind nicht neu und auch nicht spezifisch für Leudelingen, denn bevor man in dieser 2.600-Seelen-Gemeinde darüber gesprochen hat, waren ähnliche Stimmen in der Kommune Kopstal laut geworden. Dort hatten sich die Wähler bereits 2017 für einen Wechsel vom Süden ins Zentrum ausgesprochen, da man eben dem Zentrum näherstehe. Ähnliche Diskussionen gab es Ende 2018, als die Idee einer Fusion der „Nordstad“-Gemeinden aufkam. Fünf der insgesamt sechs Kommunen gehören zum Nordbezirk, dagegen liegt die sechste Gemeinde, und zwar Colmar-Berg, im Bezirk Zentrum. Letztere nimmt aus einer Reihe von Gründen schließlich nicht an den Sondierungsgesprächen zu einer eventuellen Fusion teil; dennoch stellt sich die Frage, warum Colmar-Berg, rein geografisch gesehen, nicht doch eher zum Nord- als zum Zentrumsbezirk gezählt wird.
Nach den letzten Kommunalwahlen wurden also auch in Leudelingen Stimmen laut, die einen Wechsel des Wahlbezirks forderten. Es waren die Oppositionsräte der Gruppierung „Zesumme fir Leideleng“, die auch nach einem negativen Votum im Gemeinderat nicht lockerließen und alles Mögliche in Bewegung setzten, damit es zu einer Bürgerbefragung kommt. „Der angestrebte Wechsel hat längst nicht nur geografische Gründe“, so die Räte Linster, Roemen, Calmus und Jakobs.
Im Dezember 2018 trug Rat Lou Linster während einer Pressekonferenz mehrere Argumente vor, warum Leudelingen seiner Meinung nach näher am Zentrum als am Süden ist. Rund 550 Leudelinger würden in Luxemburg-Stadt arbeiten, was über 50 Prozent aller Arbeitnehmer der Gemeinde entspreche. Zähle man die Leute hinzu, die in anderen Zentrums-Gemeinden wie Bartringen oder Strassen einer Beschäftigung nachgehen, so könne daraus geschlossen werden, dass nur eine Minorität der Leudelinger Arbeitnehmer im Süden arbeite.
Verbindungen zur Stadt
Auch in puncto öffentlicher Nahverkehr sei Leudelingen wesentlich besser an die Zentrums- als an die Südregion angebunden. Eine TICE-Verbindung oder einen Schulbus nach Esch suche man in Leudelingen beispielsweise vergebens. Lediglich die Busse, die zwischen Esch und der Hauptstadt verkehren, würden im südlichen Teil der Gemeinde stehen bleiben. „Alle größeren Infrastrukturprojekte, die die Regierung in und um Leudelingen in den nächsten Jahren umsetzen will, fokussieren sich stark auf die Hauptstadt, sei es die Verlängerung der Tram nach Leudelingen aus Richtung Cloche d’Or bzw. Porte de Hollerich oder der Bau des Boulevard de Cessange/Merl. Diese Projekte werden einen starken, vermutlich positiven Einfluss auf die Leudelinger Verkehrssituation haben“, so Lou Linster im Dezember 2018.
In einer informellen Umfrage, die „Zesumme fir Leideleng“ am 14. Oktober 2018 vor den Leudelinger Wahllokalen durchgeführt hatte, sagten über 58 Prozent der insgesamt 127 Befragten, sie würden sich eher mit Zentrums- als mit Süd-Politikern identifizieren, und rund 77 Prozent der Befragten hatten sich für die Organisation eines Referendums auf Gemeindeebene ausgesprochen. Eine Anfang dieses Jahres durchgeführte Unterschriftenaktion bestätigte diesen Wunsch: Ganze 464 Unterschriften kamen zusammen, 355 hätte es deren laut Gemeindegesetz gebraucht. So weit zur Entstehungsgeschichte des am Sonntag abgehaltenen Referendums. Die Frage, auf die die 1.420 Wahlberechtigten mit ja oder nein antworten sollten, lautete: „Wünschen Sie, dass die Gemeinde Leudelingen dem Wahlbezirk Zentrum zugeordnet wird?“
„Genau verfolgt“
Innenministerin Taina Bofferding verfolgte die Geschehnisse in der Kommune Leudelingen nach eigenen Aussagen sehr genau und sagte dem Tageblatt gegenüber, noch bevor das Resultat des Referendums am Sonntag bekannt war: „Egal wie diese Bürgerbefragung ausgeht, die Themen ‚Umänderung der Wahlbezirke‘ oder ‚Einheitsbezirk‘ werden uns wohl noch eine Zeit lang beschäftigen. Ich nehme Referenden sehr ernst, auch wenn sie keinen bindenden Charakter haben, und ich verschließe mich keiner Debatte. Ich möchte aber gleichzeitig hervorheben, dass dieses Thema nicht allein am Innenministerium festgemacht werden darf. Es braucht Abstimmungen im Gemeinderat und in der Abgeordnetenkammer, es braucht Gesetzesänderungen und sogar, den Fall gesetzt, eine Verfassungsänderung. Wahlbezirke zu wechseln, ist auf juristischer Ebene kein leichtes Unterfangen, ganz im Gegenteil.“
Die Initiatoren der Unterschriftenaktion, die Mitglieder der Gruppierung „Zesumme fir Leideleng“, warteten am Sonntagabend gemeinsam im Restaurant „De Spackelter“ gespannt auf das Resultat des Referendums. „In den vier Wahlbüros hat man zuerst die Stimmen zur Europawahl ausgezählt, bevor man die Stimmzettel des Referendums ausgewertet hat“, so Lou Linster am Sonntagabend gegen 19 Uhr. „Wir müssen also Geduld aufbringen.“ „Einer der Schöffen hat dieser Tage gesagt, der Schöffenrat wolle die Idee eines Bezirkswechsels schließlich unterstützen, sollte sich denn eine Mehrheit dafür aussprechen“, so war am Sonntag zu vernehmen. Hörte sich das vor Monaten nicht noch ganz anders an? Gegen 20 Uhr war es dann so weit: 59,41 Prozent der Wähler haben sich für einen Wechsel ihrer Gemeinde in den Bezirk Zentrum ausgesprochen. „Wir sind zufrieden mit diesem Resultat“, so Lou Linster anschließend.
„In Kopstal gab es zwar damals ein besseres Resultat, doch da stand auch der gesamte Gemeinderat hinter der Idee. Bei uns sah das bekanntlich ganz anders aus.“ „Wir wollen die Diskussion über einen Bezirkswechsel in Gang halten“, hatte Rat Lou Linster im Dezember letzten Jahres gesagt. Mit dem gestrigen Resultat des Referendums wird das Thema sicherlich nicht so schnell vom Tisch sein.
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Der erste Schritt zur Fusion mit der nGemeinde Luxemburg.???