Einzelhandel / Wirtschaftsminister Delles plant Liberalisierung der Öffnungszeiten – Gewerkschaften wehren sich
Der Regierungsrat hat einen Gesetzentwurf gebilligt, der weitreichende Folgen für viele Beschäftigte im Einzelhandel haben wird: Die Öffnungszeiten sollen liberalisiert werden. Die Gewerkschaften zeigen sich entsetzt – und planen bereits Gegenmaßnahmen.
„Das ist der ‚Worst Case‘, den wir uns vorstellen konnten.“ So fasst David Angel vom OGBL den Plan der Luxemburger Regierung zusammen. Der Regierungsrat hat am Mittwoch einen Gesetzentwurf von Wirtschaftsminister Lex Delles (DP) gebilligt. Der Inhalt: eine Liberalisierung der Öffnungszeiten im Einzelhandel.
Unter der Woche soll von 5 bis 22 Uhr gearbeitet werden dürfen, samstags, sonntags und an gesetzlichen Feiertagen von 5 bis 19 Uhr. Lediglich an drei Feiertagen, am 1. Mai, 25. Dezember und 1. Januar, müssen Geschäfte geschlossen bleiben. Die Möglichkeit, das Geschäft 24 Stunden lang zu öffnen, soll von einmal auf zweimal im Jahr verdoppelt werden.
Somit können Geschäfte unter der Woche eine Stunde früher öffnen und zwei Stunden länger geöffnet bleiben. Sonntags sowie feiertags dürfen die Türen insgesamt sieben Stunden länger geöffnet bleiben. „Der Gesetzentwurf berücksichtigt die neuen Einkaufsgewohnheiten der Verbraucher sowie die derzeitige Öffnungspraxis der Einzelhändler“, steht in der Pressemitteilung des Regierungsrats.
„Eine Frontalattacke“
„Das ist eine Frontalattacke“, sagt David Angel. Alles würde gehäuft zusammenkommen. Das Privatleben von Beschäftigten aus dem Handel sei damit abgeschafft – diese müssten jetzt zu jedem Moment ihrem Arbeitgeber zur Verfügung stehen. „Die Regierung plant die Einführung des mit Abstand liberalsten Öffnungszeitenregimes in der gesamten Großregion“, schreiben die Gewerkschaften OGBL und LCGB in einer Pressemitteilung. 50.000 Arbeitnehmer seien betroffen.
Eine Studie des Luxembourg Institute of Socio-Economic Research (Liser) zeige, dass Arbeitnehmer keine Liberalisierung der Öffnungszeiten haben wollen. Denn die „überwältigende Mehrheit der Beschäftigten“ ziehe es vor, an Sonntagen und spätabends überhaupt nicht zu arbeiten, wie die Gewerkschaften schreiben. Auch zeige die Studie auf, dass vor allem größere Unternehmen davon profitieren.
Obwohl die Reform der Öffnungszeiten im Koalitionsvertrag stehe, komme sie in dieser Form doch überraschend, sagt David Angel. Im Vorfeld habe es zwei Treffen zwischen Gewerkschaften und Wirtschaftsministerium gegeben: „Wir hatten das Gefühl, dass unsere Nachricht angekommen ist.“ Die Gewerkschaften hätten sich für einen restriktiven gesetzlichen Rahmen ausgesprochen – und wollten die Liberalisierung über Kollektivverträge regeln. „Wir haben das Gefühl, dass das Interesse der Arbeitnehmer überhaupt nicht berücksichtigt wird“, sagt Angel.
Sonntagsarbeit unter Beschuss
Denn nur über Kollektivverträge war es bisher etwa möglich, legal sonntags acht Stunden zu arbeiten. Dafür haben die Beschäftigten dann höhere Zuschläge, mehr Urlaub oder andere Ausgleichsmaßnahmen erhalten. Im Oktober hatte der Regierungsrat erst einem Gesetzentwurf zugestimmt, der die Sonntagsarbeit von vier auf acht Stunden ausweiten will – und somit die Sonderregelung über Kollektivverträge überflüssig macht. Die Begründung damals von Arbeitsminister Mischo (CSV): Eine bessere Work-Life-Balance. „Delles macht diese Argumentation jetzt zunichte“, sagt Angel. Durch die Genehmigung von Öffnungen am Sonntag von bis zu 14 Stunden würde die Sonntagsarbeit „de facto zu einer Pflicht werden“, schreiben die Gewerkschaften.
Zufrieden hat sich damals die Luxembourg Confederation gezeigt: Der Entwurf passe das Gesetz an die wirtschaftlichen und sozialen Realitäten an, schrieb die Arbeitgeberorganisation in einer Pressemitteilung. Die „seit langem geforderte Entwicklung“ sei ein dringendes Anliegen von Arbeitnehmern und Unternehmen gewesen. Die Ausweitung der Sonntagsarbeit biete den Unternehmen mehr Flexibilität – und stärke gleichzeitig die Kaufkraft der Arbeitnehmer. Letztendlich könne man so nicht nur den Erwartungen der Verbraucher besser gerecht werden – sondern auch die Innenstädte wiederbeleben.
„Wir kritisieren die Salamitaktik der Regierung“, sagt David Angel. Für die Gewerkschaften gehören die Themen zusammen – und müssen in den Gremien zusammen mit den Sozialpartnern diskutiert werden. Stattdessen umgehe die Regierung aktiv die Gepflogenheiten des Sozialdialogs in Luxemburg und stelle ihre Partner vor vollendete Tatsachen. „Dieser neue Angriff auf die Arbeitsbedingungen ist eine weitere schwarze Episode“, schreiben die Gewerkschaften – und warnen den Premierminister in einem Schreiben vor den Konsequenzen für das Luxemburger Sozialmodell. Während sie auf eine Stellungnahme warten, wollen OGBL und LCGB schon mal die Beschäftigten des Sektors mobilisieren.
- Wirtschaftsminister Delles plant Liberalisierung der Öffnungszeiten – Gewerkschaften wehren sich - 18. Dezember 2024.
- Wie Luxemburgs Autobahntunnel mit Spezialfahrzeugen aus der Schweiz gereinigt werden - 26. Oktober 2024.
- Gewerkschaften wollen sich nicht von Ministerin Deprez den Mund verbieten lassen - 24. Oktober 2024.
Sie müssen angemeldet sein um kommentieren zu können.
Melden sie sich an
Registrieren Sie sich kostenlos