Neujahrsempfang / Wiseler betont die Bedeutung des Parlaments für die Demokratie
Mit dem Empfang der Abgeordnetenkammer haben die Wochen der Rezeptionen zum neuen Jahr begonnen – wobei diesem Empfang des Parlaments eine besondere Bedeutung zukommt: Denn die repräsentative Demokratie ist in vielen Ländern unter Druck geraten.
Die gute Nachricht zuerst: „Die demokratischen Institutionen sind stabil“, sagte Laurent Scheeck, Generalsekretär der Abgeordnetenkammer, zu Beginn der Neujahrsrezeption im Foyer der Chamber. Was jahrelang eine Selbstverständlichkeit gewesen sein mag, ist es heute im internationalen Kontext nicht mehr. Denn mittlerweile kann angesichts des Vormarschs rechtspopulistischer und rechtsextremer Parteien und einer Zunahme autoritärer Regime mit Fug und Recht von einer weltweiten Krise der Demokratie gesprochen werden. Und man sei geneigt, den berühmten und unzählige Male auch von dem Autor dieser Zeilen zitierten Satz – „wenn wir wollen, dass alles so bleibt, wie es ist, muss alles sich ändern“ – aus Giuseppe Tomasi di Lampedusas Roman „Il Gattopardo“ umzuformulieren: „Um die Stabilität zu wahren, muss sich etwas ändern.“
Das Parlament muss sich also den Herausforderungen der Zeit stellen. Auf das kam Scheeck zu sprechen, der zuerst jedoch das Jahr 2023, das nicht zuletzt wegen zweier Wahlen ein schwieriges war und viele Veränderungen mit sich brachte, Revue passieren ließ, angefangen von den Visiten aus dem Ausland in den heiligen Hallen von Luxemburgs parlamentarischer Demokratie, die mittlerweile auf eine lange Geschichte mit Vorgeschichte zurückblicken kann. So wurde im vergangenen Jahr auch hierzulande das Jubiläum der 1848er-Revolution gefeiert, nicht nur, weil es sich um eine europaweite Revolution handelte, sondern, weil mit der Jahreszahl auch die Einführung des direkten Zensuswahlrechts verbunden wird, aus der die damalige parlamentarische Versammlung hervorging. Zum Gedenken an jene 1848er-Zeit fanden eine „Séance académique“, eine Ausstellung sowie eine Konferenz statt.
Parlament in Bewegung
Scheeck erinnerte außerdem an das, was sich alles in Bewegung befindet und umgesetzt wird, wie zum Beispiel die 2021 lancierte Digitalisierungsstrategie der Chamber. In einer Zeit, in der die Demokratie in vielen anderen Ländern unter Druck geraten ist, gilt das Augenmerk umso mehr der politischen Bildung und der Jugendarbeit, aber auch dem Bemühen um Sichtbarkeit nach draußen insbesondere durch die Tage der offenen Tür. Nach außen ist es die Struktur der Verwaltung, die dem Haus der Legislative Stabilität verleiht. Scheeck lobte nicht zuletzt die Arbeit der insgesamt 162 Mitarbeiter in den 17 Abteilungen des Parlaments.
Stichwort Legislative: Neben der Gesetzgebung, also der Verabschiedung und Abänderung von Gesetzen, sind es die Kontrolle der Regierung und die politischen Debatten, die dem Parlament als Hauptaufgaben obliegen. Und wie es im Artikel 62 der Verfassung heißt: „La Chambre des députés représente le pays“. Apropos Regierungskontrolle sei angemerkt, dass unter den Anwesenden der Rezeption Premierminister Luc Frieden (CSV), kurz bevor zu seinem Antrittsbesuch nach Berlin flog, und Justizministerin Elisabeth Margue (CSV) waren.
Die Sujets sind nicht schwarz-weiß. Sie sind komplex. Deshalb dürfen wir in unseren Diskussionen keine Schwarz-Weiß-Malerei betreiben, sondern müssen auch bis in die Details diskutieren.Parlamentspräsident
„Nuanciert statt schwarz-weiß“
In puncto Debattenkultur forderte der Hauptredner des Empfangs, Parlamentspräsident Claude Wiseler: „Die wesentlichen politischen Diskussionen müssen hier im Haus geführt werden.“ Dabei müssten die Parlamentarier respektvoll miteinander umgehen. Weil es sich in der Regel um komplexe Themen handelt, sollten die Debatten nuancenreich geführt werden. „Die Sujets sind nicht schwarz-weiß. Sie sind komplex. Deshalb dürfen wir in unseren Diskussionen keine Schwarz-Weiß-Malerei betreiben, sondern müssen auch bis in die Details diskutieren“, sagte Wiseler, was auch als Seitenhieb auf unnötige und unsachliche Polemiken interpretiert werden kann.
Der CSV-Politiker ist erst seit November im Amt, zu dessen Aufgaben es gehört, für den ordnungsgemäßen Verlauf zu sorgen und die Redezeiten zu erteilen. Als Präsident der Chamber ist er nun „Erster Bürger Luxemburgs“. Umgeben von seinen beiden Vorgängern Fernand Etgen (DP) und Mars Di Bartolomeo (LSAP) sowie den Mitgliedern des Chamber-Präsidiums und der Präsidentenkonferenz, betonte Wiseler den Symbolcharakter des Parlaments als „Haus der Demokratie“. Wiseler machte darauf aufmerksam, dass es erstmals seit 20 Jahren weltweit weniger Demokratien als autokratische Regime gibt. Dazu zählt seit 2019 Ungarn. Prozesse in Richtung Autokratisierung sind jüngst auch in anderen europäischen Ländern wie Polen, Slowenien, Kroatien, Tschechien und Griechenland zu beobachten.
Nach dem Demokratieindex, der von der britischen Zeitschrift The Economist jedes Jahr veröffentlicht wird, standen 2020 noch 90 demokratische Staaten 89 autoritär regierten gegenüber. Allerdings zeigt sich auch hier ein Trend hin zu mehr Autokratien. Und sogar 72 Prozent aller Menschen weltweit lebten in einer Autokratie. Ein verstärkter Trend hin zu mehr illiberalen Demokratien, als die etwa Ungarn unter Viktor Orban und Polen unter der PiS-Regierung (bis 2023) bezeichnet werden, zeigt sich auch hier. Übrigens lag Luxemburg im Demokratieindex 2022 nach Uruguay und Kanada auf Platz 13, knapp vor Deutschland, deutlich vor Frankreich (22.) und Belgien (36.). Claude Wiseler betonte: „Unsere Aufgabe ist es, die Demokratie zu verteidigen.“
Vertrauen in die Institutionen
Schließlich ist auch hierzulande nicht alles bestens, weiß der CSV-Politiker. Wiseler zitierte aus einer im vergangenen November veröffentlichten Statec-Umfrage, dass 52 Prozent der Menschen in Luxemburg der Politik misstrauten. Tröstlich scheint dabei, dass 55,8 Prozent dem Parlament vertrauen. „Das ist mehr als im Vergleich zu anderen Ländern“, so der Chamber-Präsident. Das Vertrauen in die demokratischen Institutionen ist demnach noch stabil. Laut Umfrage haben sogar 58,6 der Befragten Vertrauen in die Regierung und 55,4 Prozent in die internationalen Institutionen. Noch mehr Vertrauen genießen die Polizei (70,4 Prozent), die Justiz (66 Prozent) und die Statistikbehörde selbst (69 Prozent). Weniger gut sieht es beim Finanzsystem aus (53,3 Prozent), nur 34,4 Prozent vertrauen den Medien. Was interessant ist und optimistisch stimmt: Mehr als in den anderen Ländern vertrauen gerade junge Leute hierzulande in die demokratischen Institutionen.
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