Science Center / Wissenschaft, wenn man nichts anfassen darf
Das Science Center in Differdingen ist eine in Luxemburg einzigartige Einrichtung. Vor allem Kinder sollen hier Wissenschaft spielerisch erleben. Ein Großteil der Ausstellung ist darauf ausgerichtet, dass die Besucher physikalische Phänomene ergründen, indem sie Exponate anfassen und damit hantieren. In der Welt von Corona geht das natürlich nicht. Das Science Center macht das Beste aus der Situation, reagiert und verleiht den Sicherheitsmaßnahmen gleich einen pädagogischen Charakter.
Die Corona-Krise kommt zu einem Zeitpunkt, an dem das noch junge Science Center gerade seine Besucherzahlen steigern konnte. Laut Direktor Nicolas Didier hatte das Zentrum im Februar 80 Prozent mehr Besucher als im Vorjahreszeitraum.
Während der Zwangspause standen die Räder im Science Center nicht still. Das Team verlegte seine Anstrengungen ins Netz. Das Programm „LSC@home“ wurde kreiert. „Wir haben Quiz ins Internet gestellt. Mehr als 10.000 Menschen haben daran teilgenommen“, sagt Didier. Zusammen mit dem „Fonds national de la recherche“ (FNR) hat das Science Center auch Aufklärungsarbeit über das Sars-CoV-2-Virus geleistet. „Wir haben das Programm ‚Myth Busters‘ ins Leben gerufen, um Fehlinformationen über das Coronavirus, die die Runde gemacht haben, zu entschärfen“, so Nicolas Didier. Dabei konnte das Science Center auf die Expertise aus dem eigenen Haus zurückgreifen. Einer der Mitarbeiter des Zentrums ist nämlich Virologe, erzählt Didier im Gespräch mit dem Tageblatt.
Damit Kinder und deren Eltern sich in Zeiten von Corona nicht langweilen, haben die Mitarbeiter des Science Center Anleitungen für interessante Experimente online gestellt, die sich zu Hause mit einfachen Mitteln, die man in jedem Haushalt findet, bewerkstelligen lassen.
Private Vorstellungen
„Mitte Juni werden wir wieder aufmachen“, sagt Didier. Allerdings wird ein Besuch im Science Center dann nicht genau ablaufen können wie vor der Corona-bedingten Pause: „Unsere Experimentier-Stationen sind zum Anfassen gedacht. Im Moment bereitet das noch Sorge wegen des Virus.“ Wenn es wieder losgeht, werden deshalb andere Akzente gesetzt. „Den Besuchern werden zwei Shows in einer gesicherten Umgebung angeboten“, erklärt Didier. Die Besucherzahl wird begrenzt. Ein Besuch soll fast „privat“ sein. Es ist dann auch nicht möglich, spontan zum Science Center zu fahren. Besucher werden nur mit Reservation empfangen und müssen sich an die abgemachte Uhrzeit halten, um anderen Besuchern nicht ihren Platz wegzunehmen. „Bislang haben wir rund 50 Besucher gleichzeitig empfangen. Jetzt werden es nur noch 20 sein.“
Eine Zielgruppe des Science Center sind Schulklassen. Da die Schüler bis zum Ende des Jahres keine Klassenausflüge machen dürfen, plant das Science Center, interaktive Shows über das Internet in die Klassenzimmer zu bringen. Einen ersten Versuch soll es bereits bald mit der benachbarten „Ecole internationale“ geben, mit der das Science Center gute Kontakte pflegt. Einige technische Probleme seien noch zu lösen, aber die Idee habe Potenzial, glaubt Didier – auch wenn die Mitarbeiter umdenken müssen. „Unsere Wissenschaftsvermittler sind es gewohnt, vor Publikum aufzutreten. Das ist etwas anderes als wenn man vor einer Kamera steht.“ Bild und Ton müssen professionell aufgezeichnet und verarbeitet werden. Die Fragen, die normalerweise aus dem Publikum kommen, kommen dann per Chat. „Das ist eine ganz andere Herangehensweise.“ Didier erwartet die Entwicklung mit Spannung und Optimismus. „Unter den Schülern sind oft einige, die eher schüchtern sind und sich nicht trauen, Fragen öffentlich zu stellen. Ich könnte mir vorstellen, dass es für sie einfacher ist, eine Frage per Internet zu stellen“, so der Direktor des Science Center.
Bereits in der Vergangenheit hat das Science Center viel Energie in die für Luxemburg typische Sprachenvielfalt gesteckt. Gegenüber Wissenschaftsmuseen im nahen Ausland, die Inhalte nur in einer Sprache produzieren, war das ein Nachteil. Besonders bemerkbar macht sich das in den sehr persönlichen Präsentationen der Mitarbeiter, die es in mehreren Sprachen gibt. Er sei schon seit längerem auf der Suche nach einer Möglichkeit gewesen, diesen vermeintlichen Nachteil in einen Vorteil zu verwandeln, meint Didier. Nun eröffnet sich durch das neue digitale Konzept vielleicht ein Weg, um die Inhalte an ein ganz neues Publikum zu bringen. Die Zielgruppe des Science Center wird dann nicht mehr bloß durch die geografische Lage bestimmt, sondern durch die Sprache. Eine Präsentation auf Französisch könnte so ihren Weg zum Beispiel auch nach Marokko finden und nicht nur bis nach Frankreich.
Schutzmaßnahmen zur Wissensvermittlung
Öffnen darf das Science Center wieder, wenn alle Regeln, die die Regierung ihm auferlegt hat, erfüllen kann. Das Science Center will jedoch darüber hinausgehen. „Wir wollen wissenschaftlich an die Sache herangehen – so möchten wir zum Beispiel ergründen, an welchen Stellen sich die Gefahren mehren.“ Deshalb installiert das Science Center mitunter Signale vor den sanitären Einrichtungen, die anzeigen, von wie vielen Menschen die Einrichtungen gerade benutzt werden, damit nur eine begrenzte Zahl an Besuchern sie betritt.
Daneben sollen die Schutzmaßnahmen dazu genutzt werden, Wissen zu vermitteln. Die Mitarbeiter des Science Center überlegen, das Handdesinfektionsmittel mit fluoreszentem Zusatzstoff zu versetzen, damit die Nutzer selber sehen können, ob sie die Hände komplett damit eingerieben haben. Eine zusätzliche Überlegung geht dahin, die Körpertemperatur der Besucher zu messen und gleichzeitig darüber aufzuklären, dass dies keine vollkommen zuverlässige Methode ist, da eine Covid-19-Erkrankung auch asymptomatisch verlaufen kann.
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