Musik / Wizards Without You: Der musikalische Zauber von The Cookie Jar Complot
Mit „Caviar Capital“ veröffentlichen The Cookie Jar Complot ihre erste EP, die mit funkigen, verspielten Post-Rock-Songs trumpft und der Luxemburger Math-Rock-Szene einen weiteren vielversprechenden Namen hinzufügt. Wir haben uns mit Gilles Glesener und Sven Schmeler, den beiden Masterminds der Band, unterhalten.
Mutiny on the Bounty, No Metal in this Battle, Mount Stealth: Irgendwie gibt es im kleinen Luxemburg eine außergewöhnlich hohe Anzahl an Bands mit langen und/oder rätselhaften Namen, die faszinierende, spannende und fordernde instrumentale Musik schreiben. Mit The Cookie Jar Complot gibt es nun einen weiteren Bandnamen, der weniger eingängig als beispielsweise Korn oder Coldplay ist – aber deren Musik so gut ist, dass es sich lohnt, den Namen auf dem Radar zu haben.
„So kompliziert wie And So I Watch You From Afar oder … and You Will Know Us By the Trail of Dead klingt unser Bandname dann aber doch nicht“, lacht Gilles Glesener, Schlagzeuger und einer der beiden Masterminds der Band.
Die Gründung der Keksdosenverschwörungstheoretiker führt eigentlich auf 2012 zurück: „Damals haben Sven und ich uns getroffen, um Songs zusammen zu schreiben. Es gab andere Mitmusiker und wir hatten bereits damals Lust, das Projekt zu starten – wir haben sogar in der Rockhal geprobt. Aber aus den verschiedensten Gründen – es gab nicht ausreichend Geld, um das nötige Material zu kaufen und bei einigen kam das Studium dazwischen – hat sich das alles nicht konkretisiert. Schließlich haben wir uns 2019 wiedergesehen. Sven hat mich erst mal für ein anderes Musikprojekt rekrutiert“, so Glesener.
Die beiden sind da aber recht schnell ausgestiegen, haben sich abgekapselt und begonnen, ernsthaft an ihrem damaligen Projekt zu werkeln. „Irgendwann hat Sven nachgehakt: Wir ziehen das aber jetzt durch, oder? Ich meinte nur: Ich hab mir bereits ein elektronisches Schlagzeugset zugelegt, klar machen wir das. Und dachte mir nur: Wenn daraus jetzt nichts wird, werde ich das (ernsthafte) Musikmachen wohl sein lassen.“
Keksdosenverschwörungstheoretiker
Nachdem ein paar Songs veröffentlicht wurden, macht die Band nun Ernst: Das Konzert am kommenden Samstag in den Rotondes (weiterhin spielt das luxemburgische Duo NBLR) bietet eine gute Gelegenheit, etwa ein Jahr nach dem ersten Auftritt im Rahmen der „Congés annulés“ eine erste Bilanz zu ziehen und in die Zukunft zu blicken – eine Zukunft, die dank der Veröffentlichung der ersten EP „Caviar Capital“ durchaus rosig aussieht.
„Caviar Capital“-Opener „Neo“ beginnt mit Shoegaze-Gitarren und klingt erst mal wie ein funkiger Beach-House-Song, bevor der Track Fahrt aufnimmt und, wie auch das darauffolgende „TFO“, mit einer schön singenden Lead-Gitarre, die auch auf einer von John Frusciantes experimentelleren Soloplatten zu Beginn der 2000er-Jahre nicht verkehrt gewesen wäre, endet. Das bereits erwähnte „TFO“ klingt nach verspielt-vertracktem Indie-Rock, wie ihn die Foals auf ihrer ersten Platte streckenweise praktizierten, ist aber abwechslungsreicher und macht definitiv, genau wie das kurze, energische „Tides“, Lust auf die Live-Show.
Und auf dem EP-Highlight „Sweet Dreams“ hört man den Einfluss von Bands wie Mutiny on the Bounty oder auch And So I Watch You From Afar definitiv heraus – auch wenn die Handschrift der Band jetzt schon deutlich genug ist, um sich vielseitig von der luxemburgischen Kultband zu unterscheiden: „Mutiny on the Bounty hat schon etwas ausgelöst, einerseits, weil die Band definitiv eine Inspiration ist, andererseits aber auch, weil wir durch Mutiny stets auf weitere Bands gestoßen sind“, so Gitarrist Sven Schmeler.
„Ich erinnere mich an die Autofahrten zu Mutiny-Konzerten, bei denen wir dann plötzlich Post-Rock-Bands – damals noch auf CD – gehört haben. Dadurch, und dank YouTube, habe ich Bands wie Explosions in the Sky oder Moving Moutains, This Will Destroy You entdeckt. Spätestens ab God is an Astronaut habe ich gemerkt: Ich stehe einfach auf dieses Musikgenre.“
Das digitale Zeitalter stellt junge Bands vor eine weitere Herausforderung: Einerseits muss man nicht mehr darauf hinarbeiten, eine erste Platte herauszubringen, und kann erste Songs relativ schnell auf den gängigen Streamingdiensten zur Verfügung stellen. Andererseits büßt man so aber, speziell bei Bands, die auf Atmosphäre und Storytelling setzen, an Kohärenz ein.
Digitale Zeiten
„Ich glaube nicht mehr so sehr an das Format Album“, meint Glesener. „Wenn man eine Platte veröffentlicht, riskiert man, dass die Zuhörer nur zwei Songs davon hören, wohingegen die restlichen Tracks, in die man genauso viel Zeit investiert hat und die genauso toll sind, unbemerkt bleiben. Veröffentlicht man die Tracks über eine längere Zeitspanne, bleibt man halt im Gespräch – aber dann muss man es auch so timen, dass die Zuhörer eine Gewissheit haben, dass und wann man etwas nachreicht.“
Trotzdem möchte The Cookie Jar Complot auch über die einzelnen Songs hinaus etwas erzählen: „Aus den vielen Ideen, die wir über die Jahre gesammelt haben, hat sich unser Live-Set herauskristallisiert und aus diesem Set haben wir die vier Songs für die EP gewählt. Auf lange Sicht möchten wir eine Platte aufnehmen, damit wir das Narrativ dieser Songs fertigspinnen können“, erklärt Sven Schmeler.
„Für mich hat die EP eine klare Struktur: Der erste Track ‚Neo‘ deckt mit Funk, Post-Rock-Atmosphäre und Indie-Elementen die Interessen einer etwas breiteren Zuhörerschaft ab, ‚TFO‘ betont noch mal die Indie-Elemente, während die letzten beiden Tracks wirklich mehr unsere Liebe zu Math- und Post-Rock zum Ausdruck bringen. So ähnlich stelle ich mir auch eine längere Platte vor. Die Story, die die Musik erzählt – die ergibt sich nicht nur durch die Reihenfolge der Songs, sondern auch durch das, was der Zuhörer empfindet“, so Schmeler.
Wie bei allen tollen Post-Rock-Bands liegt das Augenmerk hier verstärkt auf den paar Wörtern, die es dann gibt – so spielen Songtitel und Bandname bei instrumentaler Musik oftmals eine besonders gewichtige Rolle. „Irgendwann haben wir uns überlegt, einen roten thematischen Faden zu finden. Aber diese Songs, die jahrelang auf unseren Rechnern, in unseren Köpfen und Herzen unter genau diesen Namen existiert haben, in ein thematisches Korsett zu zwingen – das hätte sich total unehrlich angefühlt. Also haben wir die Idee verworfen. Was genau Songtitel wie ‚Neo‘ oder ‚TFO‘ bedeuten – das kann im Endeffekt jeder für sich entscheiden“, erklärt Schmeler.
„Mit dem Bandnamen verhält es sich ähnlich. Es gab Listen mit Ideen. Eine der furchtbarsten war Wizard Without You“, so Glesener. Nachdem der Verfasser dieser Zeilen einen Lachkrampf überwunden hat, durfte der Schlagzeuger seine Erläuterungen auch weiterführen: „Irgendwann wollten wir auf Social Media auftreten, um als Band ein bisschen Aufmerksamkeit zu bekommen, weswegen es wichtig war, uns für einen Namen zu entscheiden. Ich wollte gerade schlafen gehen, da fiel mir dieser alte Song ein, den wir einst schrieben: The Cookie Jar Complot. Ich fragte Sven, ob er auch der Meinung sei, dass dies ein toller Bandname sei – und somit hatte sich diese Frage erledigt.“
Wer herausfinden möchte, was sich genau hinter dem Keksdosenkomplott – in einer Zeit all möglicher verschwurbelter Verschwörungstheorien wohl noch einer der harmlosesten – versteckt, sollte sich das Konzert am Samstag auf keinen Fall entgehen lassen. Live werden die beiden Köpfe hinter dem Projekt durch den Zweitgitarristen Mikołaj Buraczyk und den Bassisten Charel Baumann (für den es das letzte Konzert mit der Band sein wird, mit Philippe Colling wird der talentierte Musiker aber ebenbürtig ersetzt) unterstützt.
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