Indopazifik / Wo sich künftig die Geschichte abspielt
Der Streit um den von den USA und Großbritannien vereitelten U-Boot-Deal zwischen Frankreich und Australien wirft ein Schlaglicht auf eine Weltregion, die künftig der geopolitische Hotspot sein wird: der Indopazifik. Gleichzeitig werden die Fronten zwischen den beiden Rivalen in der Region, den USA und China deutlicher gezogen.
Seit der Präsidentschaft von Barack Obama zeichnete sich ab, dass die USA ihr sicherheits- und außenpolitisches Interesse verstärkt in den Pazifikraum verlagern würden. Der Kalte Krieg war längst vorbei, Obama betrachtete den einstigen Rivalen nur noch als „Regionalmacht“, die nur noch „aus Schwäche“ Nachbarstaaten drangsaliert und angreift. Zwischenzeitlich hatte sich China als globale Wirtschaftsmacht etabliert und schickt sich seitdem an, die Region seinen Interessen zufolge umzukrempeln. Kernstück dieser Bemühungen ist die sogenannte „Belt and Road“-Initiative, die wohl bekannter unter der gebräuchlichen Bezeichnung „neue Seidenstraße“ ist. Dem wollen die USA ihr unter Präsident Donald Trump ausgearbeitetes Konzept eines „Free and Open Indo-Pacific“ (FOIP) als Alternative entgegensetzen. Den gleichen Namen hatte bereits einige Jahre vorher der ehemalige japanische Ministerpräsident Shinzo Abe seiner Indopazifik-Strategie gegeben.
Gleichzeitig weitet Peking gegen alle internationalen Abmachungen sein Hoheitsgebiet im Südchinesischen Meer auf aggressive Weise aus, sehr zum Ärger seiner Nachbarländer. Damit einher geht ein massiver Ausbau der chinesischen Streitkräfte. Die USA sehen sich angesichts dessen in der Region herausgefordert, herrschte doch seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges in Asien-Pazifik eine „Pax Americana“, also ein „von den USA dominiertes Ordnungssystem“ vor, das bislang nicht infrage gestellt wurde, wie Felix Heiduk und Gudrun Wacker in einer Studie der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) schreiben. Die beiden Wissenschaftler des Deutschen Instituts für internationale Politik und Sicherheit haben in ihrer im Mai 2020 vorgelegten Untersuchung verschiedene Konzepte zum Indopazifik miteinander verglichen, um europäischen Entscheidungsträgern eine Hilfe für die Erstellung einer eigenen Strategie an die Hand zu geben.
Verschiedene Ansichten über Grenzen des Indopazifik
Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell hat vergangene Woche die Indopazifik-Strategie der EU vorgestellt, deren Ausarbeitung die EU-Außenminister im April in Auftrag gegeben hatten. Dass mehrere Stunden vorher die Bildung der neuen Allianz „Aukus“ in der Region zwischen den USA, Großbritannien und Australien bekannt gegeben wurde, dürfte kein Zufall gewesen sein. Die Geschichte werde sich in diesem Jahrhundert im Indopazifik abspielen, meinte denn auch Josep Borrell und fügte hinzu: „Das Gravitationszentrum der Welt verlagert sich sowohl in geoökonomischer als auch geopolitischer Hinsicht immer mehr auf den indopazifischen Raum.“ Wie groß dieser Raum jedoch ist, welche Staaten dazu gehören und welche nicht, darüber gibt es unter jenen Staaten (Australien, Indien, Japan, USA), die sich bislang eine Strategie für die Region gegeben haben, unterschiedliche Ansichten, wie die beiden Autoren der SWP-Studie herausgefunden haben (siehe Karte).
Das Gravitationszentrum der Welt verlagert sich sowohl in geoökonomischer als auch geopolitischer Hinsicht immer mehr auf den indopazifischen RaumEU-Außenbeauftragter
In allgemeinen Fragen verfolgen die vier Staaten jedoch dieselben Ziele: alle haben ein Interesse daran, eine regelbasierte internationale Ordnung aufrechtzuerhalten und die Freiheit der Schifffahrt in der Region zu garantieren. Dem schließt sich die EU ebenso an wie dem Bestreben, die Infrastruktur sowie die Konnektivität in der Region auszubauen. Immerhin kommt dies der wirtschaftlichen Entwicklung zugute, woran alle Akteure interessiert sind. Insbesondere auch die EU-Staaten, deren Investitionen laut Angaben von Josep Borrell das Doppelte jener der USA im indopazifischen Raum ausmachen würden.
Offen für alle, auch für China
Wie aber umgehen mit China? Sicherheitspolitisch würden die vier auf ein Gleichgewicht gegenüber China setzen. In wirtschaftlicher Hinsicht allerdings seien allein die USA bereit, sich vom Reich der Mitte zu entkoppeln, heißt es in der SWP-Studie weiter. Für die Länder in der Region ist die chinesische Wirtschaftsmacht zu bedeutend, als dass sie sich einer Kooperation mit China entziehen könnten.
Josep Borrell seinerseits betonte vergangene Woche, dass die Indopazifik-Strategie der EU offen für alle Partner sei, inklusive China. „Unsere Strategie baut auf dem Willen der Kooperation auf, nicht der Konfrontation“, versicherte der Spanier. Auch die vier anderen Staaten, die sich bereits vor Jahren zur „Quad“-Gruppe (Quadrilateral Security Dialogue) zusammengeschlossen haben, um gemeinsam sicherheits- und militärpolitische Fragen in der Region zu diskutieren, sind nicht an einer direkten Konfrontation mit China interessiert. Dennoch stellen die Autoren der SWP-Studie zumindest in Bezug auf die USA fest: „Ob der Dominanz des Pentagon in der Debatte um den FOIP ist es nicht verwunderlich, dass die Schwerpunkte des FOIP bislang vor allem in den Politikfeldern Sicherheit und Verteidigung liegen.“
Ärger zwischen Canberra und Peking
Inwieweit und in welchem Ausmaß Australien sein Verhältnis zu China neu ausrichtet, dürfte nach den Ankündigungen der vergangenen Woche deutlicher geworden sein. Dem ging in den vergangenen Monaten und Jahren eine weitgehende Verschlechterung der Beziehungen zwischen Canberra und Peking voraus. Nicht nur hatte Australien die chinesische Regierung immer wieder wegen Menschenrechtsverstößen kritisiert, sondern erschwerte zudem chinesische Direktinvestitionen und schloss den Telekomriesen Huawei vom Bieterwettbewerb zum Aufbau des 5G-Netzes aus. Das Fass zum Überlaufen brachte die australische Forderung nach einer Untersuchung über die Herkunft des Coronavirus in China. Peking reagierte mit Wirtschaftssanktionen unter anderem in Form von Strafzöllen auf australischen Importen. Ein Handelskrieg mit China trifft die Australier hart, gehen doch 38 Prozent ihrer Warenexporte in das Reich der Mitte. All das trägt nicht dazu bei, eine Verbesserung der von den Staaten der Quad-Gruppe als „fragil“ wahrgenommenen Lage in der Region herbeizuführen.
Die EU versucht, mit ihrer Strategie in der Region mitzumischen, auch wenn das Interesse der Mitgliedstaaten daran unterschiedlich ausgeprägt ist. Zumindest aber dürfte Brüssel mit der Ausarbeitung eines eigenen Konzepts dokumentiert haben, dass die EU-Staaten nicht so schnell gewillt sind, sich wie Großbritannien und Australien den USA im Indopazifik in die Arme zu werfen. Denn noch ist vieles dort offen, wie die Autoren der SWP-Studie in einem Zwischenfazit schreiben: „Selbst der FOIP Tokios und Washingtons enthält bis dato keine neuen, konkreten Ordnungsentwürfe für die Region. Der Begriff Indopazifik offenbart, den offenen Konfrontationskurs der USA ausgenommen, ein Stück weit die Ratlosigkeit der Akteure in Bezug auf den zukünftigen Umgang mit China.“
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