Auf den Zahn gefühlt / Woher die sanitären Maßnahmen an den Schulen stammen
Manche Faktoren in Bezug auf die Pandemie haben sich geändert. Für das neue Schuljahr wurden Anpassungen bei den sanitären Regeln vorgenommen. Doch zustande kamen die Maßnahmen nicht etwa in einem Hinterzimmer des Bildungs- oder Gesundheitsministeriums. Wie diese entstanden sind und worauf sie basieren, hat uns jeweils ein Vertreter der „Santé“ und des Bildungsministeriums erläutert.
Zum Schulanfang wurden die sanitären Maßnahmen an den Bildungseinrichtungen angepasst. Einerseits wurde die Maskenpflicht gelockert, andererseits wurde die „Mise à l’écart“ in den Zyklen 2 bis 4 der Grundschule und in den Sekundarschulen abgeschafft und gegebenenfalls durch Quarantänen ersetzt. Letztere können mit oder ohne „autorisation de sortie“ für Schule und Betreuungseinrichtungen ausgesprochen werden. Zudem haben sich die Voraussetzungen im Kampf gegen Covid-19 gegenüber vergangenem Jahr geändert. Immer mehr Schüler und Lehrer sind geimpft, es zirkuliert die sich schneller ausbreitende Delta-Variante und die Schnelltests stehen den Schülern nun zweimal die Woche zur Verfügung. In der Grundschule werden beide Tests in der Schule durchgeführt und im Lyzeum einer in der Schule und ein weiterer zu Hause. Nun fragt man sich, inwiefern diese veränderte Situation die Anpassung der sanitären Maßnahmen beeinflusst hat? Basieren die neuen Maßnahmen überhaupt auf wissenschaftlichen Fakten? Wer war eigentlich an der Festlegung dieser Instrumente beteiligt?
Manche Lehrergewerkschaften zweifeln an der Wissenschaftlichkeit der neuen sanitären Maßnahmen an Luxemburgs Bildungseinrichtungen. Zumindest habe Bildungsminister Claude Meisch nie darüber kommuniziert. Darauf angesprochen im Tageblatt-Interview vor der „Rentréé“, sagte Meisch zu den Maßnahmen: Das ist nicht unbedingt eine wissenschaftliche Rechnung, die wir gemacht haben, bei der ein bestimmter Koeffizient herauskommt. Nein, es ist ein permanentes Abwägen.“ Also doch keine Wissenschaftlichkeit bei den sanitären Maßnahmen in den Schulen?
„Unsere primäre Aufgabe ist es, dass die Schulen so normal wie möglich funktionieren und dass wir uns darauf konzentrieren“, sagt Meisch. Das Bildungsministerium bestimme nicht die sanitäre Politik. „Wir haben da keine eigene Agenda.“
Dialog zwischen „Santé“ und Bildungsministerium
Laut Dr. Jean-Claude Schmit, Direktor der „Santé“, wurden die sanitären Maßnahmen im Dialog zwischen dem Gesundheits- und Bildungsministerium festgelegt. Es sei das gleiche Vorgehen wie im Jahr davor, erklärt er gegenüber dem Tageblatt. Daran seien laut Schmit mehrere Mitarbeiter der „Santé“ wie Fachärzte für Kinderkrankheiten beziehungsweise Infektionskrankheiten, Epidemiologen oder Schulmediziner beteiligt gewesen. Diese würden zudem, falls nötig, Anpassungen vorschlagen. „Es gibt auch noch immer die mindestens wöchentlich stattfindenden Videokonferenzen zwischen der ,Santé‘ und dem Personal des Bildungsministeriums, das aktiv am Contact Tracing teilnimmt“, so Schmit.
Flore Schank ist Leiterin der „Cellule de coordination“ (CeCo), also jener Schnittstelle zwischen dem Bildungsministerium und der „Santé“. Ihr unterstehen insgesamt 14 Mitarbeiter. Schank arbeitet täglich mit der Abteilung der „Inspection sanitaire“ zusammen. Die CeCo ist räumlich an das Tracing Team angebunden. Zudem ist Schank Mitglied im Expertengremium „Comité de pilotage“. Dieses Komitee besteht einerseits aus Experten der „Santé“, wie z.B. Epidemiologen, Virologen oder Kinderärzten, und andererseits aus hohen Beamten des Bildungsministeriums, die sich laut Schank sehr gut mit der Situation in den Bildungseinrichtungen auskennen.
Die sanitären Maßnahmen wurden zusammen mit „Santé“-Direktor Dr. Jean-Claude Schmit und der „Inspection sanitaire“ ausgearbeitet, aber auch mit dem „Comité de pilotage“, dem hier eine wichtige Rolle zukamVerantwortliche der „Cellule de coordination“
Schank zufolge wurden die neuen Maßnahmen nicht einfach aus dem Boden gestampft. Im Verlauf des vergangenen Schuljahres habe ein regelmäßiger Austausch auf verschiedenen Ebenen stattgefunden, sagt sie gegenüber dem Tageblatt. „Die sanitären Maßnahmen wurden zusammen mit ,Santé‘-Direktor Dr. Jean-Claude Schmit und der ,Inspection sanitaire‘ ausgearbeitet, aber auch mit dem ,Comité de pilotage‘, dem hier eine wichtige Rolle zukam.“ Mit eingeflossen seien zudem die Erfahrungswerte der CeCo.
Über 17.000 wissenschaftliche Publikationen
Covid-19 gelte immer noch als „Neuland“, sagt Dr. Jean-Claude Schmit. „Trotzdem haben die Erfahrungen von vor den Sommerferien sicherlich zu den neuen Maßnahmen beigetragen.“ Außerdem könne man sich auf Erfahrungswerte aus anderen EU-Ländern basieren. Vieles sei über EU-Arbeitsgruppen wie beispielsweise das Europäische Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC) oder das „Health Security Committee“ kommuniziert worden, ohne natürlich die wissenschaftliche Presse zu vergessen.
Wobei man wissen muss, dass es kein Null-Risiko gibt und dass man sich gegebenenfalls sehr schnell und flexibel anpassen muss, falls sich die epidemische Lage ändertDirektor der „Santé“
Auf der wissenschaftlichen Datenbank „Pubmed“ gebe es aktuell mehr als 17.000 Publikationen über Covid-19 bei Kindern. „Dies ist reichlich Material, um sich Gedanken zu machen“, sagt Schmit. Luxemburg habe zudem den Vorteil, dass der Schulstart etwas später als in anderen EU-Ländern stattfinde. „Somit konnten wir das Geschehen in denjenigen Ländern, die ebenfalls Lockerungen eingeführt haben, wie beispielsweise Dänemark oder Deutschland, beobachten.“ Laut „Santé“-Direktor bleiben Richtlinien für Schulen immer ein Kompromiss zwischen dem Recht auf Bildung und der Pflicht, das sanitäre Risiko so gering wie möglich zu halten. „Wobei man wissen muss, dass es kein Null-Risiko gibt und dass man sich gegebenenfalls sehr schnell und flexibel anpassen muss, falls sich die epidemische Lage ändert.“
Die Maßnahmen sind zusammen ausgearbeitet worden, sonst könnte weder die eine noch die andere Seite Verantwortung übernehmenVerantwortliche der „Cellule de coordination“
Flore Schank sieht das ähnlich. Die Schule habe zwar den Bildungsauftrag, sie müsse aber gleichzeitig darauf achten, diesen der Pandemie-Situation bestmöglich anzupassen. Hier spiele die „Santé“ mit ihrem Know-how und ihren Erfahrungswerten eine große Rolle. Den Blick auf die Erfahrungen im Ausland hält sie ebenfalls für sehr wichtig. „Dort verfügt man über Daten, die wesentlich für uns sind.“ Schank spricht von getrennten Verantwortlichkeiten. „Die Maßnahmen sind zusammen ausgearbeitet worden, sonst könnte weder die eine noch die andere Seite Verantwortung übernehmen.“
Validiert wurden die sanitären Regeln schließlich von „Santé“-Direktor Schmit. „Ich habe dies persönlich zusammen mit hohen Vertretern des Bildungsministeriums getan“, sagt er.
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