Asylpolitik / Wohin führt die Frieden-Gloden-Marschroute?
Die im Koalitionsvertrag angekündigte Asylpolitik fügt sich in den internationalen Kontext der verstärkt auf Abschottung setzenden Europäischen Union ein. Der „Lëtzebuerger Flüchtlingsrot“ (LFR) nahm das Migrationskapitel unter die Lupe und hat einiges daran auszusetzen.
Die gute Nachricht zuerst: Die Regierung will die Asylprozeduren verkürzen. Der FLR findet das durchaus positiv, schließlich wirkt sich das lange Warten häufig, vor allem für die Asylbewerber, negativ aus: Der Flucht aus der Heimat folgt oftmals ein Leben in der Ungewissheit.
Allerdings, und darauf macht der Flüchtlingsrat aufmerksam, dürfen die schnelleren Verfahren nur unter Achtung der Grundrechte und Garantien erfolgen. Die Beschleunigung der Verfahren dürfte zum Beispiel nicht zur Folge haben, dass die Anträge nur oberflächlich analysiert werden. Vielmehr müsste zusätzlich geschultes Personal sowohl bei der Einwanderungsbehörde als auch bei den Verwaltungsgerichten herangezogen werden.
Ein Dorn im Auge des aus mehreren Hilfsorganisationen – von Amnesty International und ASTI über „Médecins du monde“ bis hin zu Passerell – bestehenden Flüchtlingsrates* ist etwa der umstrittene Einsatz von DNA-Tests. Gemäß der EU-Richtlinie 2003/86/EG sollten diese nur dann eingesetzt werden, wenn keine anderen und weniger einschneidenderen Mittel zur Verfügung stehen, um etwa familiäre Verbindungen festzustellen.
Umstrittene DNA-Tests
Die Prinzipien des Hohen Flüchtlingskommissariats müssten dabei respektiert sowie klare Kriterien für den Einsatz der DNA-Tests festgelegt werden. Außerdem müssten die betreffenden Personen ihr Einverständnis geben können. Ebenso muss die Datenverarbeitung in Übereinstimmung mit dem Gesetz von 2002 über die „Verarbeitung von genetischen Daten“ sowie mit dem Gesetz vom August 2006 über Identifizierungsverfahren stehen.
Der Flüchtlingsrat fordert, zur Bestimmung des Alters von Asylbewerbern multidisziplinäre Methoden wie etwa psychosoziale Interviews anzuwenden, wie es zum Beispiel in Frankreich praktiziert wird und wie sie vom UN-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR) empfohlen werden. Die ausschließliche Verwendung der häufig kritisierten Knochentests lehnt der Flüchtlingsrat ab, die einst nicht selten praktizierte Untersuchung der Genitalien weist sie strikt zurück. Bestehen Zweifel über das Alter einer jungen Person, müsse der „Grundsatz der Minderjährigkeitsvermutung“ gelten.
Ein weiterer Punkt, der dem LFR wichtig ist, betrifft die Aufnahmestrukturen. Hier begrüßt sie die Ankündigung der Regierung, neue Strukturen zu schaffen und bestehende zu renovieren, ebenso die Funktionsweise des „Office national de l’accueil“ (ONA) einer Analyse zu unterziehen. Zu begrüßen sei auch, dass die Regierung untersuchen will, wie Privatleute, die Flüchtlinge beherbergen, finanziell unterstützt werden können oder eine Steuererleichterung genießen.
Der LFR lehnt entschieden ab, einen Teil des REVIS einer Person mit Schutzstatus zu verwenden, um deren „Miete“ für die Unterbringung in einer ONA-Struktur zu bezahlen oder es als Reserve zurückzubehalten, um die Miete einer Wohnung zu bezahlen. Eine solche Maßnahme würde dem angestrebten Selbstbestimmungsrecht der Personen widersprechen. Und auch wenn der LFR begrüßt, dass die Regierung Asylbewerber vier Monate nach deren Ankunft arbeiten lassen will, stünden in diesem Punkt noch einige Fragen offen. Generell müssten die Maßnahmen zur sozialen Eingliederung verstärkt werden.
Perspektiven für Abgelehnte
Selbst abgelehnte Asylbewerber sollen eine Zukunftsperspektive erhalten. Damit verbunden sei eine würdige Rückkehr in ihr Herkunftsland. Apropos Herkunftsländer: Der LFR, der sich bewusst ist, dass auch die Rückkehrpolitik ein Bestandteil der Asylpolitik ist, begrüßt eine regelmäßige Evaluierung der Liste dieser vermeintlich sicheren Staaten. Die UNHCR müsste dabei mit einbezogen werden.
Was die Abschiebezentren respektive die anvisierten „Maisons de retour“ betrifft, lehnt der LFR die Platzierung von Kindern kategorischen ab, insbesondere von unbegleiteten Minderjährigen. Der Besuch einer Parlamentsdelegation im Jahr 2017 in ein Rückkehrzentrum in den Niederlanden habe gezeigt, wie wichtig ein System zur Vorbereitung und Unterstützung von abgelehnten Asylbewerbern ist. Dagegen stehen die Erinnerungen an die Nacht-und-Nebel-Abschiebungen, die es vor allem im ersten Jahrzehnt des Jahrhunderts gab. Damals wurden Familien im Morgengrauen aus ihren Unterkünften geholt und abgeschoben.
Während die Regierung den europäischen Asylkompromiss unterstützt und sich dieser von den Staaten der Europäischen Union ausgehandelten Praxis anschließt, äußert der Flüchtlingsrat seine Besorgnis über den Pakt, vor allem bezüglich der Bearbeitung von Asylanträgen außerhalb der EU-Grenzen. Der LFR erinnert daran, dass der Europäischen Agentur für Grenzschutz (Frontex) schon einige Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen wurden und ist daher gegen die Unterstützung der Frontex in ihrer aktuellen Form.
Außerdem wird in der Analyse auf fehlende Punkte im Koalitionsvertrag hingewiesen, etwa auf die Frage, die sich um unbegleitete Minderjährige dreht, die internationalen Schutz suchen. Der Flüchtlingsrat weist darauf hin, dass Luxemburg die internationale Kinderrechtskonvention unterzeichnet hat. Diese verlangt, dass das Wohl des Kindes bei allen Entscheidungen, die Kinder betreffen, vorrangig sein muss. Ebenso wurde darauf aufmerksam gemacht, dass Menschen, die Verletzungen ihrer körperlichen und/oder psychischen Integrität erlitten haben, oft nicht in der Lage sind, über die erlittenen Traumata zu berichten. Umso wichtiger sind eine angemessene Unterstützung der Schutzbedürftigen sowie Verfahrensgarantien.
Individuelles Asylrecht in Gefahr
Die Asylpolitik der Regierung ist bisher vor allem eine angekündigte Politik. Doch nachdem die EU ihren vorgezeichneten Kurs eingeschlagen hat, indem sie auf Deals mit autoritären Herrschern wie Präsident Kais Saied in Tunesien – die EU verhandelte übrigens schon mit dem damaligen Diktator Zine al-Abidine Ben Ali und mit Libyens Muammar al-Gaddafi – setzt, kann dies nur ein schlechtes Vorbild für die Frieden-Gloden-Marschroute sein.
Außerhalb der EU hat in jüngster Zeit Großbritanniens Regierung im britischen Unterhaus das umstrittene Gesetz zur Abschiebung von abgelehnten Asylbewerbern nach Ruanda durchgebracht. Wenn es dann zu Abschiebungen in das ostafrikanische Land kommt, dürfte das die eine oder andere rechtsgerichtete Regierung in Europa motivieren, einen ähnlichen Kurs zu fahren. Doch selbst Mitte-Rechts-Regierungen schrecken nicht davor zurück, im Rennen um die härteste Linie mitzuwirken. Für Demokraten und Menschenrechtler gilt nach wie vor: Rechts überholen ist verboten. Nur stellt sich die Frage: Weiß das auch die luxemburgische Regierung? Für Asylpolitik ist bekanntlich der Hardliner Léon Gloden zuständig. Und der hat bereits in Sachen Bettelverbot ein unrühmliches Zeichen gesetzt.
Mit dem Asylpakt der EU ist die Grundlage für einen restriktiven Kurs geschaffen, der zwar nicht so weit geht wie jener der britischen Tories oder der US-Regierung. Das individuelle Asylrecht ist jedenfalls weiter in Gefahr. Es geht nicht einmal mehr nur um die Bekämpfung der sogenannten illegalen Migration, sondern um die generelle Einschränkung und Abschaffung von Fluchtwegen.
Die Externalisierung des Asylrechts, eine seit längerer Zeit anhaltende Strategie, und die sogenannten Migrationspartnerschaften mit Autokraten in der Art des EU-Türkei-Deals, scheint von den einzelnen Ländern brav umgesetzt zu werden. Und Luxemburg gibt momentan nicht vor, von diesem Trend abzuweichen. Gegen den aktuellen internationalen Rechtskurs vorzugehen, obliegt den Oppositionsparteien und einer Zivilgesellschaft, wie sie etwa im Flüchtlingsrat vertreten ist.
*) ACAT, Amnesty International, Asti, Caritas, Clae, Fondation de la Maison Ouverte, Jesuit Refugee Service, Médecins du Monde, Mir wëllen iech ons Heemecht weisen, Reech eng Hand, Passarell, Ryse, Singa
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Höchstwahrscheinlich und zu 99% zum einzigen richtigen Ziel.
Die Menschen werden kommen.Das Paradies auf Erden lockt. Wenn sie wüssten….
Uns wird es mit „diesem Haus der offenen Tür“ nicht besser ergehen als der BRD. Es werden falsche Hoffnungen erweckt .
Es gab Zeiten da musste man als 13-jähriger einen Ausweis vorzeigen am Zoll um im Nachbardorf in der BRD einen Zahnarztbesuch zu tätigen. Na ja. Man kann es auch übertreiben.
Sehr schwieriges Thema, auf der einen Seite will und muss man Helfen, auf der anderen Seite wird man diesen Leuten keine Perspektive hier im Land bieten können. Sagen wir mal, wir schaffen es die Prozeduren zu beschleunigen und einem Geflüchteten innerhalb von einem Jahr diesen Status zu gewähren, nun müssen wir eine Arbeit für ihn finden, erstes Problem, Sprache, solange hier im Land in jedem Sektor und jeder Firma eine andere Hauptsprache gesprochen wird, ein Ding der Unmöglichkeit! Nun Gut, setzen wir mal französisch voraus, 1-2 Jahre Formation um auf ein akzeptables Niveau zu kommen wenn der jenige motiviert ist und auch privat nichts dazwischen kommt (sprich er die Ausbildung ohne Unterbrechung jeglicher Art durchführen kann). Dann kommt das Problem der Fähigkeiten, viele der Geflüchteten hatten in ihrer Heimat ein Handwerk oder gar eine höhere Ausbildung gemacht, diese wird ihnen aber hier im Land nicht anerkannt, bzw. die Standards und Machinen sind ganz andere, sie werden also bestenfalls als Lehrlinge eingestellt. Nun ,muss ich keinem erklären dass man hier im Land mit einem einzigen Lehrlingsgehalt sich kein Leben aufbauen kann. Zu diesem Zeitpunkt sind die Leute dann schon
5-7 Jahre im Land und immer noch keine Perspektive in Sicht! Dass dies zu Frust und Frust zu Radikalisierung führen kann liegt auf der Hand. Es ist wahrlich nicht mit einer schnelleren Prozedur getan, es benötigt viel mehr Ehrlichkeit in dieser Debatte!