Aufmerksamkeits-Defizit-Syndrom / Worauf es bei ADS ankommt
Jeder glaubt es zu kennen, aber die wenigsten wissen, was es genau ist und was sie dagegen tun können. Ein einstelliger Prozentsatz an Kindern leidet unter dem Aufmerksamkeits-Defizit-Syndrom, kurz ADS. Nun haben sich zwei Beratungs- und Unterstützungsstellen zusammengetan und den Oktober zum ADS-Monat ausgerufen. Zahlreiche Veranstaltungen, Workshops, Debatten und Weiterbildungen sollen nicht nur Lehr- und Erziehungskräfte, sondern auch Eltern und Angehörige für das Thema sensibilisieren.
Der Monat Oktober steht in Luxemburg im Zeichen des Aufmerksamkeits-Defizit-Syndroms (ADS). Kinder, die unter diesem Syndrom leiden, haben meist Konzentrationsschwierigkeiten, sind hyperaktiv oder aber verträumt. Neben Lernschwierigkeiten wie Lese-, Rechtschreib- oder Rechenschwäche weisen diese Kinder meist auch Verhaltensauffälligkeiten auf.
Die Veranstaltungsreihe wurde am vergangenen Freitagabend mit einem Vortrag der deutschen Fachärztin für Kinder- und Jugendmedizin, Dr. Elisabeth Aust-Claus, eröffnet. „Ich bin sehr neidisch, weil es in Luxemburg bereits mehrere solcher Beratungs- und Unterstützungszentren gibt“, sagte Aust-Claus gleich zu Beginn ihres Vortrags. „Das haben wir in Deutschland nicht.“ In der Tat wurde die Oktober-Kampagne zu ADS vom „Centre pour le développement des apprentissages Grande-Duchesse Maria Teresa“ (CDA) und vom „Service de consultation et d’aide pour troubles de l’attention, de la perception et du développement psychomoteur“ (SCAP) gemeinsam auf die Beine gestellt. Die gesamte Agenda kann auf der Webseite tdah.lu eingesehen werden.
Ich bin sehr neidisch, weil es in Luxemburg bereits mehrere solcher Beratungs- und Unterstützungszentren gibt. Das haben wir in Deutschland nicht.Rednerin und Fachärztin für Kinder- und Jugendmedizin
In ihrem Vortrag am Freitag setzte Aust-Claus den Fokus darauf, aufzuzeigen, welche Bedingungen notwendig sind, um trotz ADS zufrieden und erfolgreich zu werden. „Diese Assoziation nimmt man erst nicht an, wenn man ADS-Kinder kennt, die unruhig sind, anstrengend sind, jeden herausfordern, Eltern, Lehrer und andere Eltern, die mit ihnen umgehen.“ „Können diese Kinder später wirklich erfolgreich sein?“, fragte sie. „Das können sie, wenn ADS gut kompensiert wird.“ Dazu erzählte die Fachärztin die Geschichte von Anna und Kai.
Die Geschichte von Anna und Kai
Beide kannte sie damals, als sie noch Kinder waren und ADS hatten. Heute seien beide erwachsen. Anna sei Lehrerin geworden, sei glücklich und zufrieden. Sie habe die Kompensationsstrategien richtig angewendet. Doch bei Kai sei das mit der Zufriedenheit noch schwierig, sagte Aust-Claus. „Er hat seinen Weg noch nicht ins Leben gefunden.“ Kai kam gerade aus der Klinik raus, wo er wegen einer Depression behandelt wurde, die unter einem Drogenabusus entstand. „Das ist leider manchmal das Outcome, wenn man ADS nicht frühzeitig ernst nimmt und auch nicht frühzeitig Kompensationsstrategien lernt.“ Bei ihm habe man auch sehr früh in der Grundschule die Diagnose gestellt, nur leider konnten sich die Eltern nicht zur multimodalen Therapie entscheiden. Sie hatten sehr viele Ratgeber und haben eher auf Nahrungsergänzungsmittel und alle möglichen Dinge gesetzt. Das sei bei Kai nicht so gut gelaufen.
Bildungsminister Claude Meisch wohnte dem Auftakt der Kampagne ebenfalls bei. Er betonte die Wichtigkeit, auf vielfältige Art aufzuklären. „Eltern, Lehr- und Erziehungskräfte müssen sich darauf einstellen und sich damit auseinandersetzen“, sagte Mesich. Es komme darauf an, den Blick dafür zu haben, und richtig zu reagieren. „Dafür haben wir die CDA gegründet und die Zusammenarbeit mit SCAP verstärkt.“ Dies sei eine der großen Prioritäten bei der Reform der ganzen „Education différenciée“ gewesen.
„Die ganze Kampagne fokussiert auf die Unterstützung der Schulgemeinschaft mit all seinen Akteuren“, sagte Alex Kockhans, Direktor des CDA. Im September 2018 wurde das CDA-Zentrum eröffnet. Ein multiprofessionelles Team, zusammengestellt aus 35 Fachkräften, greift seitdem Lehrkräften unter die Arme, um ADS-Fälle in der Klasse frühzeitig zu detektieren. „Das CDA ist im Schulsystem nicht nur das nationale Kompetenzzentrum für Lernstörungen, sondern auch für ADS“, so Kockhaus. Das Zentrum will über die Oktober-Kampagne hinaus zusätzliche Weiterbildungen und Workshops in diesem Bereich anbieten.
Wissen über ADS soll transparent werden
SCAP gibt es seit 30 Jahren. Es handelt sich um eine ambulante Beratungs- und Unterstützungsstelle für Kinder und Jugendliche zwischen 4 und 18 Jahren mit psychologischen Auffälligkeiten, Wahrnehmungsstörungen sowie mit Symptomatik einer Aufmerksamkeitsstörung. „Bei uns melden die Eltern die Kinder an, oft auf Empfehlungen von Ärzten oder anderen Professionellen“, so Cathy Mangen, Direktorin des SCAP. Durch die Konvention, die das Zentrum mit dem Bildungsministerium hat, kann es seine Dienste für die Schüler auch unentgeltlich anbieten. Zu den rund 30 Mitarbeitern zählen ein pädagogisches und ein psychologisches Team. Daneben gibt es ein Bewegungsteam und ein orthophonistisches Team. Außerdem arbeiten noch zehn konsiliarisch tätige Ärzte mit: Kinderärzte, Kinderpsychiater und Neurologen.
Zur Person
Dr. Elisabeth Aust-Claus betreut seit 1991 in der fachübergreifenden neurologischen und psychiatrischen Praxis Kinder mit neurologischen Krankheiten und Entwicklungsproblemen. Ihre Schwerpunkte sind Kinder mit Wahrnehmungsstörungen, Koordinationsstörungen, Kopfschmerzen, Aufmerksamkeitsstörungen, Teilleistungsstörungen und Hochbegabung. Sie ist Autorin von Büchern und audiovisuellen Produktionen zum Thema Lernen und ADHS. 1998 hat sie das Optimind-Institut in Wiesbaden gegründet, um neuropsychologisches Wissen über ADS und andere Lernstörungen transparent zu machen.
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