Europawahlen / Worum geht es überhaupt? Nicht um Luxemburg, so viel steht fest
720 Abgeordnete aus 27 Ländern, die rund 450 Millionen Menschen vertreten – die EU-Wahl, die am Donnerstag begann und am Sonntag enden wird, ist ein demokratisches Großereignis. Doch es ist auch eines, bei dem gerne nationale Interessen vorgeschoben und vorgegaukelt werden. Ein paar Fragen und Antworten als Auftakt unseres Dossiers zu den Europawahlen.
Worum geht es überhaupt bei den Europawahlen?
Nicht um Luxemburg. So viel ist klar. Gewählt werden seit Donnerstag und bis Sonntag 720 Europaabgeordnete, die das neue Parlament bilden werden, aber keine nationalen Abordnungen darstellen. Das EU-Parlament ist ein supranationales Parlament, in dem die Abgeordneten, als Co-Gesetzgeber mit dem Rat der Mitgliedstaaten, für alle rund 450 Millionen EU-Europäer ein Gemeinschaftsrecht erarbeiten. Die Gesetze, die dort beschlossen werden, sollen demnach einem Spanier, einem Letten und einem Slowenen gleichermaßen zugutekommen. Und nicht ausschließlich einem Deutschen, einem Spanier oder einem Luxemburger, wie es bei nationalen Wahlen der Fall ist.
Warum werben Parteien denn damit, dass sie sich besonders für ihr Land einsetzen werden, in unserem Fall besonders viel für Luxemburg herausschlagen werden?
Wer einen solchen Wahlkampf führt, ist unehrlich und gaukelt seinen potenziellen Wählern etwas vor, was nicht ist, um deren Stimmen zu fangen. Etwas Nationales zu versprechen, ist demnach nichts anderes, als die Wählerinnen und Wähler zu betrügen.
Und was war gleich noch mal der Sinn der Europäischen Union?
Die EU ist, über die ganzen Jahrzehnte hinweg, als Reaktion auf den Zweiten Weltkrieg entstanden. Sie wird oft als Friedensprojekt bezeichnet, was auch so stimmt. Vor allem aber ist sie ein Projekt gegen alle Nationalismen. Ihr Ziel wird und muss es bleiben, die Nationalstaaten mehr und mehr zu überwinden, indem sie überflüssig werden. Je mehr Gemeinschaftsrecht wir haben, desto schwächer werden die Nationalstaaten. Dieser Prozess mag zäh sein und von Rückschlägen begleitet, aber bislang setzt er sich stetig fort.
Ist die EU überhaupt noch zeitgemäß?
Das war sie noch nie. Vielmehr war und ist die EU ein Pionier-Projekt, wie es sonst nirgendwo auf der Welt existiert. Um weitere Kriege zu vermeiden, entschied man sich, die verschiedenen nationalen Wirtschaften derart miteinander und ineinander zu verflechten und verweben, dass eine Aggression oder gar ein Krieg nur Verlierer hervorbringen würde. Das ist, kurzgefasst, die sogenannte europäische Integration. Zudem ist die Menschenrechtscharta in den europäischen Verträgen verankert. Das heißt auch, dass man sie vor dem Europäischen Gerichtshof einklagen kann.
Bei den nun anstehenden EU-Wahlen droht aber ein Rechtsruck. Ist das nicht eine Rückkehr der Nationalismen?
Doch, fast alle Beobachter gehen von einem Rechtsruck aus. In vielen EU-Staaten haben rechte oder rechtsextreme Parteien in den vergangenen Jahren zugelegt. Dementsprechend stark dürften sie bei diesem Wahlgang abschneiden und dann auch viele Abgeordnete nach Brüssel und Straßburg schicken. Die Arbeit der progressiven Parteien im künftigen Europaparlament wird das schwerer, aber nicht unmöglich machen. Das EU-Parlament hat in den vergangenen Jahren bemerkenswerte Fortschritte gemacht, sich viele Rechte und Vollmachten erkämpft und so zur weiteren Demokratisierung der EU beigetragen. Es mag ein langer und manchmal mühsamer Prozess sein, aber bislang hat die EU den Menschen vor allem ein Mehr an Frieden, Wohlstand und Rechten gebracht.
Sind die Rechten und Rechtsextremen im EU-Parlament die größte Gefahr im Hinblick auf Rückschritte oder Blockaden im Staatenbündnis?
Auch wenn Rechte und Rechtsextreme im Europaparlament ein Weiterkommen vielleicht verlangsamen können, sitzen die größten Bremser und Blockierer woanders, nämlich im Rat der Mitgliedstaaten. In den Politikfeldern, wo Einstimmigkeit verlangt ist, wie zum Beispiel bei der Außenpolitik, reicht ein Abweichler, damit es nicht zu einer gemeinsamen Position der 27 EU-Staaten kommen kann. Jüngstes Beispiel war, in Bezug auf China und Russland, meist Ungarn. Anders gesagt: Im Europaparlament schafft man es besser, die Extreme einzudämmen, als wenn einer oder mehrere Staaten von Extremen regiert werden und diese Positionen damit im Rat der Mitgliedstaaten vertreten werden. Genau das ist zurzeit der Fall und könnte sich, zum Beispiel mit den französischen Wahlen 2027, in Zukunft noch weiter verschärfen. Die Macht des Rates zu beschränken, wäre demnach oberstes Gebot, da ein solcher Schritt auch helfen würde, die nationalistischen Gedanken im Zaum zu halten. Die EU mag ein beeindruckendes Projekt sein, zu kritisieren gibt es trotzdem noch viel an ihr.
Was gibt es denn noch zu kritisieren?
In Bezug auf diese Wahlen zum Beispiel, dass wir noch immer keine transnationalen Listen haben. Diese könnte es neben den nationalen Listen geben. Ohne diese wird bei den Menschen der Eindruck erweckt, es handele sich doch irgendwie um nationale Wahlen, was schlichtweg falsch ist und zudem rechtsextremen beziehungsweise nationalistischen Verführungen Tür und Tor öffnet. Im Moment schaut es so aus, dass wir alle am Sonntag wählen gehen und am Ende doch Ursula von der Leyen wieder EU-Kommissionspräsidentin sein wird. Das ist ein Unding und sorgt für Europapolitik-Verdrossenheit. Ebenso wie der unsägliche Postenschacher, der am Montag nach Vorlage der Ergebnisse beginnt. Dann wird es nicht nur darum gehen, die Fraktionen im Europaparlament teilweise neu zu bilden und sich so Geld, Macht und Einfluss zu sichern, sondern auch darum, die EU-Spitzenposten zu besetzen. Also zu klären, wer Chef der EU-Kommission wird (wie erwähnt sehr wahrscheinlich die Konservative von der Leyen), wer Ratspräsident wird (hierfür wird der portugiesische Sozialist Antonio Costa als Favorit gehandelt), wer Präsidentin oder Präsident des Europaparlamentes wird (hier sagt die Gerüchteküche, dass die jetzige Präsidentin, die maltesische Konservative Roberta Metsola, den Posten noch zwei Jahre behält und dann die deutsche Sozialdemokratin Katarina Barley übernimmt) und wer der EU-Außenbeauftragte und damit erster Vizepräsident der Kommission sein darf (hierfür dürfte dann ein Liberaler infragekommen, Xavier Bettel wird es aber wohl nicht werden).
Ist das alles, was es zu den Wahlen und zur EU zu sagen gibt?
Bei weitem nicht. Darum finden Sie auf den nächsten Seiten noch sehr viel Informationen, Hintergründe und Analysen zu den EU-Wahlen. Und, zur Beruhigung hier, auch einiges zu den Kandidatinnen und Kandidaten aus Luxemburg.
- Die Staatsbeamtenkammer feiert Geburtstag – Premier Luc Frieden „gratuliert“ mit launiger Rede - 21. November 2024.
- Kein Buddy mit dem Bully: Gute Nacht, USA – aufwachen, Europa! - 9. November 2024.
- Caritas und der Papst-Besuch: Chefsachen - 26. September 2024.
Sie müssen angemeldet sein um kommentieren zu können.
Melden sie sich an
Registrieren Sie sich kostenlos