Filmbesprechung / Wurm drin? Denis Villeneuves „Dune“-Verfilmung
37 Jahre, nachdem Kultregisseur David Lynch an der Verfilmung von Frank Herberts Epos „Dune“ scheiterte, wagt sich der Frankokanadier Denis Villeneuve an die zweite Verfilmung des Science-Fiction-Romans. Das Resultat ist ein spannender, visuell anspruchsvoller, jedoch überladener Streifen mit zu dünn gezeichneten Figuren, dessen Zweiteilung abrupt wirkt.
Fast hätte man vergessen, dass es sie mal gab, die in der Regel schwülstigen, geld- und effektverbratenden Blockbuster aus der von Sexskandalen etwas angekratzten Traumschmiede. Denn seit der Wiedereröffnung der Kinos gibt es dort zwei große Abwesende: das Publikum und Hollywood. Der Einzige, den die Pandemie und die seither schwindenden Einnahmen vergangenen Sommer wenig kümmerten, war Christopher Nolan, der wohl ahnte, dass sein Palindrom-Mindfuck „Tenet“ eh auf Unverständnis stoßen würde. „Dune“ ist der erste einer Reihe von Franchise-Filmen, auf die man sich trotz vorhersehbarer Enttäuschungen irgendwie freut – vielleicht, weil man so lange nichts mehr von James Bond, Neo („Matrix Resurrections“) oder Bruce Wayne („The Batman“) gehört hat. Weil in diesen Fortsetzungen oder Reboots ausschließlich weiße und männliche Hauptfiguren auf die Leinwand gebracht werden, riskieren diese alten Helden jedoch, ein archaisches Weltbild zu zementieren.
Die Story von „Dune“ ist, wie bei fast jeder Space Opera, ziemlich banal, was die verschachtelten Beziehungen zwischen den zahlreichen Figuren und Klans sowie der schiere Pomp erst mal erfolgreich verdecken. In einem von der Menschheit dominierten Weltall entscheidet ein namenloser Imperator zu Beginn des Films, den bisher vom Klan der Harkonnen gemanagten Wüstenplaneten Arrakis an die Atreides-Familie abzugeben. Der brutale Klan der Harkonnen – eine glatzköpfige, reptilienähnliche Sippe, der die Boshaftigkeit ins hässliche Gesicht gemeißelt ist – zeigt sich darüber alles andere als erfreut – zumal sie mit dem Abbau vom Rohstoff „Spice“ mächtig Kohle gescheffelt haben.
Der Konflikt scheint vorprogrammiert, ja geradezu vom Imperator gewollt, was Herzog Leto Atreides (der mittlerweile gerne in Sci-Fi-Filmen gecastete Oscar Isaac) schnell durchschaut haut. Nichtsdestotrotz schickt er, vielleicht aus Mangel an Alternativen, einige seiner besten Männer nach Arrakis – und zieht einige Wochen später mit Partnerin Lady Jessica (Rebecca Ferguson) und Sohn Paul (Timothée Chalamet) auf den kargen, feindseligen, von hungrigen Riesenwürmern besiedelten Planeten.
Kollektiver Selbstmord?
Indem er das, was einem kollektiven Selbstmord gleichkommt, bildgewaltig auf die Leinwand bringt, inszeniert Villeneuve auf einer Metaebene eigentlich sein eigenes Vorhaben – denn an der Verfilmung von Frank Herberts Sci-Fi-Epos haben sich schon so einige Regisseure die Zähne ausgebissen. Wer sich an den Romanstoff, dessen Adaptierung selbst David Lynch in den sprichwörtlichen Sand gesetzt hat, heranwagt, muss entweder größenwahnsinnig oder wirklich davon überzeugt sein, den Dreh rauszuhaben. Villeneuve scheint einen Mittelweg gefunden zu haben – er hat den komplexen Romanstoff auf zwei Filme aufgeteilt, weswegen dieser erste Teil wie ein sehr langer, wenn auch spannender und visuell eindrucksvoller Prolog wirkt. Neben der Fortsetzung – deren Produktion vom Erfolg dieses ersten Teils abhängig ist – träumt der Regisseur sogar von einem dritten Teil.
„Dune“ kann man, je nach Wahl, feministisch, antiimperialistisch, ökologisch oder/und antikapitalistisch lesen. Antiimperialistisch, ökologisch und postkolonialistisch: Das indigene Volk der Fremen lebt im Einklang mit der Natur – bis ein feindseliger Kolonisator auf dem Planeten aufkreuzt, um das dort im Überschuss vorhandene „Spice“ abzubauen – und seine Konflikte auf dem kolonisierten Terrain austrägt. Die Fremen sind dabei bestenfalls (für die Atreides) Mittel zum Rohstoffzweck, schlimmstenfalls (für die Harkonnen) Feinde, die es zu beseitigen gilt (in der Welt von „Dune“ scheint ein geplanter Genozid niemanden wirklich zu stören, Menschenrechtsorganisationen wurden in dieser dunklen Zukunft abgeschafft). Parallelen zur mehr oder weniger rezenten nordamerikanischen Geschichte sind glasklar erkennbar.
Feministisch: Im Endeffekt wird die Geschichte dieser Welt von einer undurchsichtigen Schwesternschaft geschrieben, die von einer als Sci-Fi-Nonne verkleideten Charlotte Rampling („Benedatta“ lässt grüßen) angeführt wird. Und antikapitalistisch: Der Abbau von „Spice“, sprich das neoliberale Ausbeutungssystem, fordert zahlreiche Menschenleben – auch hier sind die Parallelen zu rezenten und aktuellen Konflikten (bspw. dem Abbau von Lithium und den dadurch ausgelösten Bürgerkriegen im Kongo) durchaus legitim.
Diese Interpretationen sind zwar sehr wohl vom Film gewollt, dienen aber vor allem als moralischer Unterbau, damit auch der gebildete Zuschauer dem Spektakel mit beruhigtem Gewissen folgen kann. Und spektakulär ist der Film allemal – die alles verwüstenden Wüstenwürmer sehen aus wie eine hochentwickelte, grafisch aufgemotzte Version von Ungeheuern, denen man als Teenager in „Resident Evil“ oder „Silent Hill“ begegnet ist, und auch die prunkvollen Bauten und eindrucksvollen Schlachten, die liebevoll designten Ornithopter (ein, wie der Name bereits andeutet, insektenförmiger Helikopter) wissen zu beeindrucken: Villeneuve gelingt es, einem an sich archaischen Genre einen sehr zeitgenössischen Touch zu verleihen.
All dies täuscht aber nicht darüber hinweg, dass die Figurenzeichnung arg simpel ist – vor allem Hauptfigur Paul Atreides, dessen Auserwählten-Narrativ mitsamt kitschig-esoterischen Visionen gehörig auf den Geist geht, wirkt etwas zu dünn gezeichnet, um den Platz, den die Erzählung ihm bietet, zu besetzen.
Villeneuve, dessen Karriere mit Indie-Filmen begann, bevor er sich mit „Arrival“ und „Blade Runner 2049“ der Science-Fiction verschrieb, wird aufgrund einer sehr ähnlichen Laufbahn mittlerweile immer wieder mit Christopher Nolan verglichen – dem der Kanadier für „Dune“ übrigens den Hofkomponisten weggeschnappt hat. Hört man sich Hans Zimmers penetranten, klischeehaft auf orientalisch-verträumtes Ambiente setzenden Soundtrack an und vergleicht man ihn mit der Arbeit des „Tenet“-Ersatzbank-Komponisten Ludwig Göransson, muss man jedoch eingestehen, dass Nolan Glück hatte, den hier ziemlich uninspirierten Zimmer an Villeneuve verloren zu haben.
Dass Villeneuve ein Gespür für Ästhetik hat, hat er spätestens mit „Blade Runner 2049“ gezeigt. Dass er ein Händchen für gute Science-Fiction hat, zeigte bereits „Arrival“. Nach Abschluss der „Dune“-Trilogie – falls es dann zu einer Trilogie kommen sollte – kann sich der Regisseur vielleicht wieder an einen Film mit mehr Tiefgang heranwagen.
Bewertung: 3/5
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Da man die hübschen Gesichter der teuren Schauspieler nicht verhüllen darf wie im Buch, ist das Ganze eh nur ein billiger Abklatsch.