Homophobie / Yannick Schumacher berichtet von Angriff in Düdelingen – und der „Angst, dass niemand einem Schwulen helfen will“
Seit Donnerstag läuft in Luxemburg das Programm zur Pride Week, bevor die Woche am Montag dann ganz offiziell startet. Warum solche Sensibilisierungstage rund um die Erfahrungen von Menschen aus der LGBTIQ+ („Lesbian, Gay, Bisexual, Transgender, Intersex and Queer“)-Community notwendig sind, zeigt das Gespräch mit Yannick Schumacher. Auf einem Musikfestival in Düdelingen wurde er kürzlich Opfer eines homophoben Angriffs.
„Ich war auf einem Festival in Düdelingen und bis zu dem Moment war es ein cooler Tag. An einem Stand wollte ich mir nur etwas zu essen holen. Und dann legte dieser Mann mit den Beleidigungen los“, beginnt Yannick Schumacher seine Erzählung auf der Terrasse eines Cafés in Luxemburg-Stadt. Und erzählt, mehr als drei Wochen nach den Geschehnissen auf der Veranstaltung in Düdelingen, dass er auf diese Provokation zunächst kaum reagierte. Denn an solche Situationen ist er schon fast gewohnt, wie der 36-Jährige erzählt. Im Alter von 15 Jahren hat er sich geoutet.
„In anderen Familien werden junge Menschen von ihren konservativen Eltern dafür vor die Tür gesetzt – auch in Luxemburg. Meine Mutter ist damit aber locker umgegangen.“ Dafür ist er ihr dankbar. Der lebhafte und gerne auffällig gekleidete Mann geht offen mit seiner Sexualität um. „Manchmal frage ich mich, ob das das Problem ist“, überlegt er. Auslachen, Beleidigungen und Hänseleien begegnen ihm im Alltag oft. Das ist auch der Grund, warum er am ersten Juni-Wochenende auf dem Festival in Düdelingen zunächst nicht darauf eingeht, als die fremde Person ihn „Schwuchtel“ nennt.
Wertvolle Unterstützung
„Stiech dir e Poul an den Aarsch“, pöbelt der betrunkene Mann. Es folgen weitere Beleidigungen unter der Gürtellinie. Gefasst berichtet der Grafiker Wochen danach von den Ereignissen. Dabei ist ihm allerdings anzumerken, dass solche Angriffe einem Menschen zusetzen. Das sieht man auch in dem Video, das der in den sozialen Medien als „Yaya“ bekannte Entertainer nach dem Festivalbesuch veröffentlichte. Und auf das einige mit weiteren verbalen Angriffen reagierten, während andere aufbauende Worte in den Kommentarspalten hinterließen.
Auch am Abend selbst kann der Beschimpfte auf die Zivilcourage von manchen zählen, wie er berichtet: „Einige haben mit dem Mann diskutiert und die Frau vom Essensstand hat ihn dann weggeschickt. Ich habe mich dann dafür entschuldigt, dass meinetwegen so viel Aufregung entstanden ist.“ Er zieht sich an einen Tisch zurück, auch um weitere Diskussionen zu vermeiden. Denn wie so oft fragt Yannick Schumacher sich auch in dieser Situation: „Wenn ich ihm antworte, was könnte mir dann passieren? Da ist immer diese Angst, dass niemand einem Schwulen helfen will.“
Der in der Politik bei der LSAP engagierte Mann denkt an ein Gespräch vom Mittag auf dem Festival zurück, bei dem ein geschminkter Junge in bauchfreiem Top ihn fragte, ob er früher in der Schule auch Mobbing erleiden musste. Der Rat daraufhin: Über den Kommentaren von anderen stehen und machen, was einen glücklich macht. Stunden danach denkt Yannick Schumacher nach dem verbalen Angriff an die eigenen Worte zurück und entscheidet, etwas zu unternehmen: Er geht zur Polizei. „So viele leiden unter homophoben Attacken, registriert werden diese aber nicht“, stellt er fest.
Dünne Datenlage
Tatsächlich ist das existierende Datenmaterial in Luxemburg mehr als dürftig. Zwar hält das „Centre pour l’égalité de traitement“ (CET) Diskriminierungsfälle in Bezug auf die sexuelle Orientierung fest, allerdings ist dabei von einer Dunkelziffer auszugehen. Von den laut aktuellem Tätigkeitsbericht gemeldeten 221 Fällen von Diskriminierung im Jahr 2022 hingen fünf mit der sexuellen Orientierung zusammen. Dabei ging es unter anderem um Beleidigungen, nicht angebrachte Aussagen oder veröffentlichte Artikel. „Eine Dunkelziffer können wir nicht nennen. Aus Erfahrung wissen wir aber, dass es oft schwerfällt, mögliche Diskriminierung mitzuteilen und dagegen vorzugehen“, so die Direktorin des Zentrums für Gleichbehandlung, Nathalie Morgenthaler.
Das könnte auch erklären, weshalb bei der Vereinigung „Rosa Lëtzebuerg“ seit dem 1. Januar 2022 bis dato nur drei in Zusammenhang mit Hatespeech stehende Fälle und eine physische Aggression mit vermuteter homophober Intention gemeldet wurden. Mit einer Kampagne will der gemeinnützige Verein künftig darauf aufmerksam machen, physische und verbale Aggressionen zu melden. Bei der Luxemburger Polizei werden indes zwar Zahlen zu Anzeigen wegen Drohungen, Beschimpfungen oder Verleumdungen registriert, festgehalten wird dabei aber nicht, ob diese zum Beispiel homophober Natur waren.
Die aussagekräftigsten Zahlen zum Thema scheinen aus dem Ausland zu kommen: In einer von der Wiener „Fundamental Right Agency“ 2019 durchgeführten Studie geben 37 Prozent von 361 Angehörigen der LGBTIQ+-Community aus Luxemburg an, in den zwölf Monaten vor der Umfrage Drohungen oder Schikanen erlebt zu haben. Zehn Prozent signalisieren, in diesem Zeitraum von Hass getriebene, physische oder sexuelle Gewalt erlebt zu haben. Es ist die dürftige Datenlage, die Yannick Schumacher noch in der Nacht nach dem Festival zum Gang zum Düdelinger Polizeikommissariat bewegt. Damit die Angriffe beziffert werden.
Ausbleibende Hilfe
Doch als er dort wegen verbaler Belästigung Anzeige erstatten will, fragt der diensthabende Beamte laut Yannick Schumacher nur lapidar, was er sich denn davon erwarte. „Man sagte mir, dass das keine Priorität habe und ich am Mittwoch – vier Tage später – zurückkommen soll. Das hat mich in dem Moment gebrochen. Ich hatte all meinen Mut zusammengenommen, um dahin zu gehen“, so Yannick Schumacher. Von der Pressestelle der Polizei heißt es auf Nachfrage: „Zum konkreten Fall in Düdelingen können wir nichts sagen. Wie der Mann in dem Video (Anm. d. Red: das in den sozialen Medien veröffentlicht wurde) sagt, wurde für die Strafanzeige ein Termin zu einem späteren Zeitpunkt vorgeschlagen.“
Das Programm zur Pride Week
Der offizielle Startschuss zur „Luxembourg Pride Week“ fällt am Montag um 19.45 Uhr in der „Maison de la diversité“ in Esch – nachdem zuvor um 19 Uhr in der Nähe des nationalen Resistenzmuseums eine Gedenkzeremonie stattfindet. Während der ganzen Woche stehen dann verschiedene Veranstaltungen auf dem Programm, darunter die „Queer Movie Night: ‚Mon CRS’“ in der Escher Kulturfabrik (4. Juli, 20.30 Uhr), das „Diva Storytelling“ in der Escher Bibliothek am 5. Juli um 19 Uhr, oder ein Rundtischgespräch im hauptstädtischen „Rainbow Center“ (6. Juli, 18 Uhr). Einer der Höhepunkte wird am nächsten Wochenende der „Equality March“ (8. Juli, 13 Uhr) und das „Luxembourg Pride Street Fest“ (8. Juli, 12.00 bis 22.30 Uhr) in Esch sein. Treffpunkt für den Umzug ist um 12.30 Uhr beim „Parking Aloyse Meyer“, während das Straßenfest auf dem Escher Rathausplatz stattfindet. Dort werden neben zahlreichen nationalen und internationalen Acts samstags auch die bekannten Weather Girls („It’s Raining Men“) auftreten. Eine After-Party gibt es ab 22.30 Uhr in der Kulturfabrik. Mit einem „Rainbow Brunch“ geht es am Tag danach um 10 Uhr auf dem Escher Rathausplatz weiter. Bis 20 Uhr wird dort das „Luxembourg Pride Street Fest“ fortgesetzt. Das gesamte Programm gibt es unter luxembourgpride.lu.
Es folgt die Erklärung, dass Anzeigen immer aufgenommen werden müssen, dies allerdings, abhängig vom zur Verfügung stehenden Personal, der Dringlichkeit einer Situation oder dem Zustand der Person, mit einer gewissen Verzögerung erfolgen kann. Zurück zur Polizei ist Yannick Schumacher nach dieser Erfahrung nicht gegangen. Außerdem ist ihm die Lust auf Konzerte vergangen. An der „Luxembourg Pride Week“ – die kommende Woche vor allem in Esch und in der Hauptstadt stattfindet – will er dennoch teilnehmen. Um eines zu zeigen: „Dass Diskrimination – ob zum Beispiel wegen der Hautfarbe oder aber der Sexualität – immer noch präsent ist. Viel zu präsent dafür, dass wir im Jahr 2023 leben.“
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Wir leben im Jahr 2023 und man muss noch immer solche Sachen erleben, es ist zum Kotzen ! Ausgerechnet in Dudelange, diese tolerante Stadt ! Skandalös auch wie die Polizei darauf reagiert hat.
Ich habe in meinem 80 jährigen Leben die zähe Entwicklung in Sachen Toleranz gegenüber Menschen, die nicht bestimmten, oft nach religiösen Regeln aufgestellten Vorstellungen entsprachen. Ich bin froh, dass im Allgemeinen aus der zögerlichen Toleranz eine wirkliche Akzeptanz geworden ist. Leider ist gegen Dummheit noch kein Kraut gewachsen und es wohl nie der Punkt erreicht werden, wo alle Menschen zur Einsicht kommen, dass jeder das Recht hat, sein eigenes Leben zu führen ohne sich zu verantworten zu müssen. Dabei sind es genau diese Kleinkarierten die auf das Verständnis ihres Umfeldes angewiesen sind.
Das sind die typisch frustrierten Kampfhähne, die man überall findet: unzufrieden im (mager bezahltem) Job, unzufrieden mit sich und der Welt, im Grunde eher zu bemitleiden. Er hätte ebenso eine Frau, die seinem „Charme“ nicht erlegen wäre, mit Schlampe und dergleichen betitelt.
Ich glaube jedoch nicht, dass Regenbogenfahnen, ewiglange Abkürzungen und dererlei etwas bringt, Toleranz zu fördern.
In welcher Beziehung ist Dudelange tolerant?