Die Indie-Rock-Konzertwoche im Atelier / You’re Having It So Much Better With
Seit ungefähr einem knappen Monat gibt es endlich wieder regelmäßig internationale Live-Musik – ohne Maske, Social Distancing und sonstige Einschränkungen. Die Konzerte von Shame und Franz Ferdinand haben eindrucksvoll gezeigt, wieso genau das in den letzten Jahren so gefehlt hat.
Für viele dürfte es eine halbe Ewigkeit her gewesen sein, dass sie ein Konzert in der großen Halle der Rockhal gesehen haben. Ihre „Hits to the Head“-Tour haben Franz Ferdinand in der Rockhal mit „Curious“, einem der beiden neuen Songs auf ihrer vor kurzem erschienenen Best-of, auf Belval eröffnet.
Dabei war der Klang beim ersten Lied leider so schlecht, dass man mit dem Nachbarn das Konzert kommentieren konnte, ohne dabei die Stimme zu heben, und eher dachte, man würde die Band im Hintergrund auf einem relativ leise gedrehten Fernseher erleben. Wenig später wurde der Klang zwar deutlicher, lauter und tiefgründiger, nichtsdestotrotz stellten sich wohl einige vor, wie das Konzert im städtischen Atelier (das Konzert wurde von A-Promotions, also vom Atelier, organisiert) geklungen hätte. Man hat in den letzten beiden Jahren wohl auch vergessen, dass Konzerte in der großen Halle der Rockhal in der Regel nicht so toll klingen.
Trotz alldem hat die Band während 90 Minuten ein regelrechtes Feuerwerk an Hits gezündet: Fast jeder Titel war eine Single, speziell den ersten beiden Platten wurde mit Songs wie „Take Me Out“, „No You Girls“, „Walk Away“ oder auch „Michael“ gehuldigt.
Zwei Erkenntnisse konnte der Konzertgänger während der Show gewinnen: Spätestens bei „Jacqueline“, dem ersten Song der Zugabe, fiel auf, wie gut die erste Platte gealtert ist, wie sensationell dieses Album eigentlich war und wie verwöhnt der Indie-Rock-Hörer zu diesem Zeitpunkt, zu dem auch Platten wie Bloc Partys „Silent Alarm“ erschienen, doch war. Gleichzeitig wurde einem klar, dass zwar die Alben nach „Franz Ferdinand“ und „You Could Have It So Much Better With“ weniger dringlich und memorabel waren, aber auch da unverschämt tanzbare und melodisch außergewöhnliche Hits wie „Love Illumination“, „Ulysses“ oder „Evil Eye“ zu finden sind – mehr als die alten Platten, die man in- und auswendig kannte, entdeckte man in der Rockhal vor allem die rezenteren Songs neu.
Auf der Bühne geben sich die Schotten verspielt, Sänger Alex Kapranos mimt wie gehabt den Indie-Rock-Dandy, während die neue Schlagzeugerin Audrey Tait sichtlich neue Energie in die Band bringt – und das trotz des recht miesen Sounds.
Stürmischer Auftritt
Ausreichend Energie brachten auch Shame am Tag davor mit ins Atelier. Während Bassist Josh Finerty wie eine Mischung aus kopflosem Huhn und überfreudigem Hund quer über die Bühne stürmte, wirkte Sänger Charlie Steen – der ein hauseigenes rosa Bandshirt anhatte – erst mal so, als wolle er mit der ganzen Welt abrechnen – und erinnert damit ein klein wenig an Protomartrys Sänger Joe Casey.
Das Konzert des britischen Post-Punk-Quintetts war stürmisch, die Songs des melodischeren Debüts „Songs of Praise“ wechselten sich nahtlos mit den düsteren, nahezu atonalen, streckenweise aber auch ein wenig monotonen Songs der zweiten Platte „Drunk Tank Pink“ ab.
Dazu gab es eine ganze Reihe an neuen Songs einer noch nicht veröffentlichten dritten Platte, die den Post-Punk nochmal um ein paar Dimensionen erweitern: Einige der neuen Tracks klingen teilweise funkiger und erinnern von ihrer rotzigen Instrumentation her gar an die ganz frühen Red Hot Chili Peppers. Da ist es dann irgendwie kein Wunder, dass die Band ein vergangenes Konzert mit deren „By The Way“ eröffnet hat.
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