600 Tage im Amt / Yuriko Backes Rede zur Lage des Finanzministeriums mit „persönlichen Akzenten“
Yuriko Backes hat nach 600 Tagen im Finanzministerium Bilanz gezogen. Aus der Pressekonferenz wurde eine Rede zur Lage des Finanzministeriums.
600 Tage ist Finanzministerin Yuriko Backes (DP) mittlerweile im Amt. 609 werden es am Mittwoch sein, um genau zu sein. Das hat die ehemalige Diplomatin und Hofmarschallin dazu veranlasst, nach den Krisenjahren erstmals Bilanz zu ziehen. „Aus vier Verwaltungen und dem Ministerium gibt es vieles abzudecken“, meinte Backes gleich zu Beginn der Pressekonferenz, auf der sie anschließend anderthalb Stunden lang über Krisen, Steuern, den Finanzplatz und über Frauen im Finanzbereich monologisierte. Es sei definitiv kein Urlaub gewesen, sei aber „froh, auch persönliche Akzente haben setzen zu können“. Das Ministerium und die Staatsfinanzen seien in einem besseren Zustand, als die vorige Regierung sie 2013 hinterlassen habe.
Mit dem „illegalen und inakzeptablen Krieg Russlands“ in der Ukraine sei ihre Anfangszeit von einer großen Unsicherheit und einer steigenden Inflation geprägt gewesen, sagte Backes. Trotz andauernder Krisenverwaltung habe man zahlreiche Projekte umsetzen können. „Unser Ziel war es, direkt auf die Energiepreise einzuwirken, um die Inflation abzuschwächen“, sagte die Finanzministerin und verwies auf die zahlreichen Maßnahmen, die bei den drei Tripartite-Verhandlungen und beim Energietisch vereinbart wurden. Auch die Anpassung der Steuertabelle an die Inflation hob Backes noch einmal hervor. Im Hinblick auf Russland habe man insgesamt 6,2 Milliarden Euro an russischen Geldern eingefroren und 147 Unternehmen, die in Verbindung mit sanktionierten russischen Personen stehen, identifizieren können.
Die Staatsschuld liegt heute bei 24,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts – ohne Krise würde sie eher bei 20 Prozent liegenFinanzministerin
Trotz all der Krisen habe Luxemburg die im Koalitionsvertrag festgeschriebene 30-Prozent-Marke für die Staatsschulden nicht überschritten. „Die Regierung hat eine vorsichtige Budgetpolitik gemacht, um die nötigen Reserven im Falle einer Krise zu haben. Die Staatsschuld liegt heute bei 24,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts – ohne Krise würde sie eher bei 20 Prozent liegen“, sagte Backes. So habe man den EU-Stabilitätspakt selbst dann respektieren können, als dieser zeitweise außer Kraft gesetzt wurde. Inmitten der Schuldendiskussionen, die während der Tripartite-Verhandlungen immer wieder aufgekommen seien, sei es demnach äußerst wichtig gewesen, dass Luxemburg das Triple A nicht aberkannt bekommen habe. „Das hat sich in zahlreichen Gesprächen mit CEOs, Managern und Vertretern des Finanzplatzes immer wieder herausgestellt“, sagte Backes.
Leader bei den Investmentfonds
Ein Hauptanliegen sei während ihrer Amtszeit die Förderung eines „kompetitiven Finanz- und Fondsplatzes“ in Luxemburg gewesen, der noch immer als „Motor der Luxemburger Wirtschaft“ gilt, sagte Backes. Luxemburg bleibe demnach Leader bei den Investmentfonds in der EU und der zweitgrößte Fonds-Standort weltweit. Aber: „Die Konkurrenz schläft nicht“, so Backes. Weswegen Luxemburg sich stets bemühen müsse, internationale und europäische Reglementierungen schnellstmöglich umzusetzen. Auch im Bereich nachhaltiger Finanzen müsse Luxemburg weiter tonangebend bleiben. „In Luxemburg werden 43 Prozent der europäischen EU-ESG Fonds [ESG steht für Environment (Umwelt), Social (Soziales) und Governance (Unternehmensführung), Anm. der Red.] verwaltet“, sagte Backes.
Luxemburg hat fast kein Gender Pay Gap mehr, jedoch noch ein riesiges Pension GapFinanzministerin
Eine der größten Herausforderungen, die auf den Luxemburger Finanzplatz zukommen, sei die Talentbeschaffung und -ausbildung. Unter anderem wolle man deshalb künftig verstärkt mit der Universität Luxemburg kooperieren. „Und wer von Talenten redet, redet sicherlich auch von Frauen“, so Backes. Im Bereich der Gender Finance habe die Regierung neue Partnerschaften geschlossen, um Frauen im Finanzbereich zu fördern. Ein großes Versäumnis in der Hinsicht sei die letzten Endes nicht durchgeführte Steuerreform mit einer Individualisierung der Besteuerung. „Luxemburg hat fast kein Gender Pay Gap mehr, jedoch noch ein riesiges Pension Gap“, sagte die Ministerin. Das sei das Resultat einer Steuerpolitik, die oft dazu geführt hätte, dass Frauen nur halbtags oder nicht mehr arbeiten würden.
Die Modernisierung und Digitalisierung des Finanzministeriums und der dem Ministerium unterstehenden Verwaltungen, Steuerabkommen mit Partnerländern sowie die Telearbeit-Abkommen mit den drei Nachbarländern seien weitere Projekte der vergangenen 600 Tage gewesen, so Backes. Besonders Fortschritte in den Bereichen von Gender Finance, der Steuerkredit für Alleinerziehende und die Modernisierung der Verwaltungen seien persönliche Prioritäten gewesen. Nun müsse der Wähler entscheiden.
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