LSAP-Kongress / Yves Cruchten ist neuer Präsident
LSAP-Kongresse, jedenfalls die letzten, verbreiten schon fast traditionell Aufbruchstimmung. Am Sonntag, war es wieder mal so weit: 291 Delegierte unter dem Eindruck des Internationalen Frauentags stimmten eine stark feministisch geprägte Resolution, wählten in Yves Cruchten einen neuen (männlichen) Präsidenten und feierten eine Grundsatzrede, mit der sich Vizepremier Dan Kersch als künftiger Spitzenkandidat der Luxemburger Sozialdemokraten positionierte, ohne dies ausdrücklich zu sagen.
Die Begrüßungen am frühen Sonntagmorgen in der Bascharager Kulturhalle fielen Coronavirus-bedingt etwas zurückhaltender aus, als dies bei der LSAP Usus ist. Erst nach und nach wurde die Zurückhaltung aufgegeben und das ansonsten obligate Händeschütteln und Küsschenverteilen fanden ihren Weg in die Halle.
Dass der Kongress am 8. März, dem Internationalen Frauentag, über die Bühne ging, war eine bewusste Wahl und so war die Geichstellungsthematik einer der roten Fäden des Kongresses, die ihren stärksten Ausdruck in einer von den „Femmes socialistes“ ausgearbeiteten, von Maxime Miltgen und Tina Koch vorgestellten und vom Kongress einstimmig angenommenen Resolution fand.
Unterstützung für Asselborn
Nicht ganz einstimmig, aber fast, bestimmten die Delegierten den einzigen Kandidaten zum neuen Präsidenten der Partei. Yves Cruchten wurde mit knapp 99 Prozent der Stimmen (287 von 291) gewählt. Weiteres starkes Moment des politischen LSAP-Sonntags war die Ansprache des neuen EU-Kommissars für Arbeit und Beschäftigung, Nicolas Schmit, der ein Engagement der Kommission weg von neoliberalen Zielen und hin zu mehr Gerechtigkeit, besseren Löhnen und weniger Angst in der Union versprach.
Das Tageblatt-Interview mit dem neuen Parteipräsidenten finden Sie hier.
Sowohl er als auch viele andere Redner fanden unterstützende Worte für Außenminister Jean Asselborn, der mittlerweile als humanistisches Gewissen in der Gruppe der EU-Außenminister gilt und angesichts der wieder wachsenden Asyl-Problematik das wahre, das menschliche Gesicht Europas verteidige. Dieser nahm das Lob zwar offensichtlich müde, aber doch wohl solchermaßen rückengestärkt zur Kenntnis.
Der rhetorische Höhepunkt der Veranstaltung war allerdings die Ansprache des Vizepremiers und Arbeitsministers Dan Kersch, der sich vor seinen Parteikollegen frei jeder Regierungs- und somit Koalitionszwänge äußern konnte und äußerte und vor allem hart mit der ADR ins Gericht ging.
Aus der ADR austreten
Anspielend auf die rassistischen Angriffe verschiedener ADR-Politiker in sozialen Medien rief er die Partei auf, ihren „Stall auszumisten“. Sollte der Partei, der auch Menschen ohne faschistische Herangehensweise an aktuelle Probleme angehörten, dies nicht gelingen, so sei die Selbstauflösung eine Möglichkeit, der Austritt all jener, die einen rechtsextremen Diskurs ablehnten, eine andere. Er könne sich sogar für manche aktuellen ADR-Mitglieder die LSAP als neue politische Heimat vorstellen, so Kersch, der sich für eine Koalition der Anständigen aussprach.
Dies sei auch der Grund, weshalb er während seiner Intervention auf Angriffe auf die anderen demokratischen Parteien verzichte. Faschisten dürften in Luxemburg nie toleriert werden und keinerlei Einfluss gewinnen. „Kee Millimeter no riets“ laute die Vorgabe, stattdessen sollen eine gute Sozialpolitik und ein konsequenter Kampf gegen Armut den Rechten den Wind aus den Segeln nehmen. Das Virus des Rechtsextremismus, das zurzeit in Europa grassiere, sei weitaus gefährlicher als das aktuelle Grippevirus.
Forderungen des Frauenstreiks
Der Kongress, der übrigens von einem rein weiblichen Kongressbüro unter der Leitung von Simone Asselborn-Bintz präsidiert wurde, nahm eine tagespolitische Resolution an, in der u.a. die Forderungen des ersten nationalen Frauenstreiks vom Vortag (mehr Geld, mehr Zeit, mehr Respekt) aufgegriffen wurden. Gleichstellung sei wesentlich für eine moderne Demokratie, deshalb sollen Frauen in allen politischen Bereichen und Führungspositionen stärker vertreten sein, die Vereinbarkeit von Familie, Beruf und Pflege soll erleichtert werden, die Gleichstellung in den Kommunen soll vorangetrieben werden, Gewalt und Sexismus seien zu ächten und allen Bestrebungen von rechts gegen Gleichberechtigung solle entgegengetreten werden.
Weiter soll das Prinzip der Lohngleichheit und das der Lohntransparenz gefördert werden, entsprechend sollen stärkere Kontrollen der Gewerbeinspektion stattfinden. Intern fordert der Kongress Rekrutierungsstrategien der LSAP besonders für junge und weibliche Mitglieder. Bei den nächsten Kommunalwahlen soll eine 40-prozentige Geschlechterquote angestrebt werden.
Nicht nur bei den Delegierten kamen diese Vorschläge gut an, auch der neue Präsident versprach schnelle Gespräche mit den Jusos und unterstrich, er werde für die nächsten Wahlen männlich-weibliche Doppelspitzen bei den Kandidaten anstreben. Auch sollen Doppelspitzen in den Parteigremien ermöglicht werden.
Eine verbesserte Kommunikation
Weiter solle die Partei, so Cruchten, eine effizientere Kommunikationspolitik betreiben. Eine Änderung des Namens der Partei sieht er als nicht notwendig an, ebenso wenig wie zu viele neue organisatorische Baustellen.
Auch Cruchten warnte vor der Gefahr von Rechtsextremismus und rief die Partei – wie vor ihm bereits Übergangspräsident Dan Biancalana – dazu auf, optimistisch nach vorne zu blicken. Die LSAP solle ein gutes Gefühl vermitteln, keine Ängste schüren, sondern den Menschen trotz der großen Herausforderungen Zuversicht vermitteln. Ein Aspekt hiervon sei der Kampf gegen Armut und hier müsse, wenn nötig, im Vergleich zum Koalitionsabkommen nachgebessert werden können. Cruchten unterstrich aber auch sein Bekenntnis zur aktuellen Regierungskoalition, die u.a. als einzige politische Konstellation die Kraft habe, Doppelmandate (Bürgermeister/Abgeordneter) abzuschaffen. Sie solle dies denn auch angehen.
Ein Ziel der Gemeindewahlen 2023, so Yves Cruchten weiter, sei es, die Gemeinde Esch zurückzugewinnen. Hieran bestehe kein großer Zweifel. Einer Escher CSV gelinge es nicht einmal, eine Heizung zu reparieren, sie sei demnach offensichtlich mit der Führungsaufgabe in der Kommune überfordert. Steuerreform, Klimaschutz, Wohnungsproblematik waren weitere ausführlich behandelte Themen dieses Kongresses.
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