/ Zahlen oder zocken? Das Bitcoin-Dilemma
Als Währung gedacht, doch vor allem zum Spekulieren genutzt: Der Bitcoin-Höhenflug steht dem ursprünglichen Sinn und Zweck des Kryptogeldes mittlerweile im Weg. Der Hype wirft die Frage auf, ob das digitale Objekt der Begierde überhaupt noch zum Bezahlen taugt.
„Ich kann mich nicht mehr erinnern, wann der letzte Kunde mit Bitcoin bezahlt hat“, sagt Niels Göttsch. Der Besitzer der Kaffeebar Leuchtstoff in Berlin Neukölln ist bei weitem nicht der einzige Ladenbetreiber, dem es so geht. Zwar etabliert sich Bitcoin in der Finanzwelt und verzeichnete in diesem Jahr – trotz eines kräftigen Absturzes am Freitag – extreme Kursanstiege und Rekordstände. Doch dieser Erfolg führt zu einem Dilemma.
Denn was eigentlich als digitale Währung gedacht war, droht, zum reinen Spekulationsobjekt zu werden. Zum Bezahlen eignet sich Bitcoin dadurch nur noch bedingt. Für Ladenbesitzer und Online-Händler sind extreme Kursausschläge unangenehm – die Preise müssen ständig angepasst werden. Und wer will schon Geld ausgeben, das keinen stabilen Wert hat und eher zur Spekulation auf Kursgewinne einlädt?
In Berlin, wo seit Jahren immer mehr hippe Cafés und Start-ups Bitcoin-Zahlungen anbieten, macht sich das Problem bereits bemerkbar. Anfangs habe es wenigstens noch um die zehn Bitcoin-Zahlungen pro Jahr gegeben, sagt Kaffeebar-Besitzer Göttsch. Inzwischen seien die Transaktionen aber ganz versiegt. „Die Mitarbeiter vergessen schon, wie das mit der Bitcoin-Annahme überhaupt funktioniert.“
Auch die Berliner Konditorei Engelmann bekommt in letzter Zeit gar keine Bitcoin-Anfragen mehr. Es habe immer wieder Probleme gegeben, sagt Besitzer Michael Engelmann. So hätten etwa Kunden aus Versehen das Geld doppelt überwiesen, weil sie nicht sicher waren, ob die Transaktionen tatsächlich stattgefunden haben. Dabei schien Bitcoin eine Zeit lang als Zahlungsmittel auf dem Vormarsch.
Bitcoin-Zahlungen wieder abgeschafft
In den USA führten Großkonzerne wie Dell, Expedia oder Microsoft die Kryptodevise bereits 2014 als Zahlungsoption ein. Auch Ebay flirtete damals damit. Wie sieht es heute aus? Computer-Riese Dell hat Bitcoin-Zahlungen wegen „geringer Nachfrage“ wieder abgeschafft. Auch bei Microsoft wird das Digitalgeld nicht mehr angenommen. Bei Ebay hüllt man sich über Bitcoin-Pläne in Schweigen, Ex-Tochter Paypal gibt ebenfalls keine Auskunft zu Krypto-Experimenten.
Das Online-Reisebüro Expedia akzeptiert Bitcoin zwar nach wie vor – aber noch immer nur bei Hotelbuchungen auf der US-Website. Zum Start vor über drei Jahren hatte es geheißen, das Angebot werde erweitert, wenn es bei Kunden gut ankomme. Immerhin: Laut einer Sprecherin hat sich das Transaktionsvolumen in den letzten zehn Monaten verdoppelt. Konkrete Zahlen wollte sie jedoch nicht nennen.
Anfang Dezember sah sich sogar der Online-Computerspielehändler Steam trotz seiner cyber-begeisterten Kundschaft gezwungen, die Bitcoin-Annahme einzustellen. Die Gebühren seien rasant gestiegen – von anfangs 20 Cent pro Transaktion auf zuletzt fast 20 Dollar. Hinzu kommen die enormen Wertschwankungen. „Falls die Transaktion nicht zeitgerecht abgeschlossen wurde, kann sich der benötigte Betrag für die Bezahlung ändern“, heißt es bei dem Online-Händler.
Der führende Bitcoin-Zahlungsabwickler Bitpay zieht dennoch ein positives Fazit für 2017. „Wer nicht unter einem Stein lebt, wird gesehen haben, dass das tägliche Transaktionsniveau in diesem Jahr neue Höchststände erreicht hat“, heißt es von dem Unternehmen aus Atlanta. Man habe erstmals Zahlungen von mehr als einer Milliarde Dollar ausgeführt, das Wachstum betrage 330 Prozent auf Jahressicht.
Das klingt stark, verblasst aber in Relation zum Bitcoin-Kursanstieg, der im gleichen Zeitraum in der Spitze bei über 2.000 Prozent lag. Auch gemessen am E-Commerce-Markt insgesamt ist das Volumen eher bescheiden. Zum Vergleich: Alleine bei der Rabattschlacht „Cyber Monday“ wurden mehr als sechs Milliarden Dollar im Internet ausgegeben – an einem einzigen Tag und nur in den USA.
Der Bitcoin-Gemeinde ist durchaus bewusst, dass die Vereinnahmung durch Spekulanten ihrem Ziel einer freien Währung schaden kann, die Dollar oder Euro Konkurrenz machen könnte. Nicht zuletzt, um Transaktionen zu erleichtern und der Zockerei etwas entgegenzusetzen, wurde im August nach langen Querelen in der Community der Bitcoin Cash vom Bitcoin abgespalten. Seitdem ist der Kurs aber auch hier explodiert. Und der Versuch der Handelsplattform Coinbase, Bitcoin Cash aufzunehmen, hat nur zu weiteren Turbulenzen geführt – der Hype um Kryptogeld scheint einfach zu groß, um Spekulanten fernzuhalten.
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Wow. Super Artikel. Vieles zum Thema gelesen. TB/ dpa bringt es auf den Punkt: Währung sieht anders aus, nämlich stabil. Und eine Investition in einer Idee, die keine Währung ist und sein kann (weil zu volatil und Transaktionen mittlerweile zu aufwendig) ist eine Investition in warme Luft, auch Blase genannt. Dennoch ist ein weiterer Kursanstieg quasi vorprogrammiert. Weil Viele durch Gier getrieben in einem schwarzen Schlund gerne ihre Geld reinschmeißen, wenn nach nur kurzer Zeit der Kurs sich verdoppelt hat. Und solange diese Gier und Glaube anhält, so lange bläst sich die Blase weiter auf. Dieselbe Gier führt aber auch dazu dass Investoren ihren Gewinn versilbern möchten – ergo verkaufen. Falls mehr verkaufen wie kaufen, dann geht der Kurs eben runter. Teilnehmer, die bis dahin nicht geplant hatten zu verkaufen aber dem fallenden Kurs nicht emotional gewachsen sind (Glücksritter mit dünner Haut), werden jetzt Panikverkäufe tätigen. So entsteht der Crash – in a nutshell.