Dalheim / Zu Besuch bei den vierbeinigen Therapiehelfern von „Op de Patten“
17 Meerschweinchen, drei Esel, zwei Pferde und ein Hund unterstützen in Dalheim Erzieher und Therapeuten bei ihrer Arbeit mit Kindern und Jugendlichen. Ein Besuch bei „Op de Patten“.
Hühner, Pferde, Esel, Enten … Auf den ersten Blick sieht der Hof in Dalheim wie ein normaler Bauernhof aus, doch einige der Tiere sind ganz besondere Arbeitstiere. Hier ist das Projekt „Op de Patten“ zu Hause, das Kinder aus Einrichtungen der Nichtregierungsorganisation „Solidarité Jeunes“ unterstützt, die psychologische Hilfe benötigen. Tiergestützte Intervention nennt sich das Ganze, „zoothérapie“ auf Französisch.
Spontan denkt man dabei vielleicht an Hunde oder eventuell noch an Pferde. Doch die ersten Tiere, die uns der Erzieher Tanguy Maziers zeigt, sind überraschenderweise Meerschweinchen. „Die Arbeit mit den Meerschweinchen besteht hauptsächlich darin, die Tiere zu füttern, zu pflegen, und ihren Stall zu reinigen“, sagt er. Man vermittelt den Kindern und Jugendlichen dadurch einen positiven Sinn ihrer Arbeit. So lernen sie, was es heißt, Verantwortung zu übernehmen, da die Tiere auf ihre Arbeit angewiesen sind. Bei den Meerschweinchen erfahren sie gleichzeitig, wie wichtig gesunde Ernährung ist, was bei Essstörungen hilfreich sein kann.
Erny, der Bock der Meerschweinchenfamilie, ist mittlerweile achteinhalb Jahre alt und hat damit das Durchschnittsalter von sieben Jahren seiner Artgenossen überschritten. Für Maziers auch ein Resultat der Ernährungsweise, denn: „Bei uns bekommen sie kein Müsli, nur Obst und Gemüse.“ Im Hof des Anwesens steht eine Hütte, die Kinder für die Meerschweinchenfamilie gebaut habe. Diese Arbeit steht im direkten Bezug zu ihrem Lehrplan, da die Kinder beim Bau u.a. ihre Kenntnisse in Geometrie anwenden mussten.
Djangos freier Tag
Auf dem Hof gibt es natürlich auch einen Hund, doch der hat an unserem Besuchstag frei. Alle Tiere der Vereinigung sind „Angestellte“ und haben als solche Recht auf freie Tage und einen Pensionsanspruch, d.h. auch wenn sie nicht mehr als Therapiehelfer arbeiten, wird sich um sie gekümmert. Django, der Hund des Projekts, ein australischer Schäferhund, ist das einzige Tier, das einen Besitzer, eine Bezugsperson, hat, in diesem Fall Maziers selbst.
Die Ausbildung eines Hundes zum Therapiehelfer dauert zwei bis drei Jahre, mit sieben geht das Tier eventuell schon in Rente. Pferde hingegen können etwa bis zum 35. Lebensjahr arbeiten, Esel sogar bis 40. Nach einer langen Ausbildung kann es sein, dass ein Tier trotzdem aus dem Programm genommen wird, wie z.B. ein Golden Retriever, der nach einem Jahr Ausbildung zu sehr an Stress litt. Alle Therapietiere werden regelmäßig auf ihr Stresslevel hin untersucht.
Auch am Anfang des Projekts habe ein Hund gestanden. Ein Malinois namens Scott, erzählt Tanguy Maziers. Scotts Anwesenheit half bei seiner Arbeit mit Kindern. Der Hund ist inzwischen in Rente. „Er war am Ende total ergraut. Hunde nehmen sehr viel Energie von uns Menschen auf, sie sind sehr spezifisch, da sie viel Schlaf und Rückzugsmöglichkeiten brauchen. Manchmal, wenn ich mit meinem Hund nach Hause komme, ist der so kaputt, dass er sich hinlegt und mir zu verstehen gibt: Lass mir jetzt meine Ruhe.“
„Die ‚Zootherapie’ ist eine Therapie, bei der die verbale, nonverbale und empathische Kommunikation zwischen den verschiedenen Akteuren im Vordergrund steht. In dieser Konstellation übernimmt das Tier eine ‚Vermittlerrolle’ zwischen dem Therapeuten und der unterstützten Person“, beschreibt „Solidarité Jeunes“ das Projekt.
Diese Vermittlerrolle wird in die Arbeit eingebunden. So muss das Fell der Pferde und Esel jeden Tag gekämmt werden, dann werden die Tiere ausgeführt. Vor allem die drei Esel brauchen viel Ausgang. Brindille, Marguerite und Leo seien zwar einerseits sehr sensible Tiere, könnten aber andererseits manchmal sehr stur sein, sagen die Therapeuten. Führt man sie an der Leine, kommt es auf die richtige Körpersprache an. Ist man abgelenkt oder nicht bei der Sache, kann es schon sein, dass das Tier stehen bleibt und was anderes tut.
„Oft haben wir Kinder hier, die lustlos daherkommen und ohne Motivation sind, was die Schule angeht. Dies zeigt sich oft über ihre Körpersprache, was die Tiere sofort merken und dementsprechend reagieren. Die Kinder können sie nicht mal spazieren führen.“ Er versuche den Kindern zu vermitteln, dass die richtige Haltung bei den Tieren wie auch im Leben wichtig sei, erklärt Maziers. Beim Arbeiten mit den beiden Freiberger Pferden Caramel und Chocolat ist es ähnlich. Die Pferde kommen nahe an den Besucher heran und reagieren sehr stark auf Körperbewegungen. Man müsse sich also richtig im Raum positionieren, um sich nicht vom Pferd verdrängen lassen, erklärt Maziers. Die Kinder und Jugendlichen lernen, dass das Bild, das sie von sich vermitteln, auch ihre Umwelt beeinflusst.
Kein Streichelzoo
Durch den Umgang mit den Tieren kämen die Kinder manchmal auf ihre eigene Probleme zu sprechen. „Beim Bürsten des Fells entdeckt ein Kind vielleicht eine kleine Verletzung am Tier, wodurch es auf seine eigene zu sprechen kommt, oder es fragt sich, warum ein Tier traurig ist, und zieht vielleicht Parallelen zu sich selbst“, sagt Maziers.
Den Ausdruck „verhaltensauffällig“ lehnt Myriam Goebel, Projektbeauftragte von „Solidarité Jeunes“, für die Teilnehmer bei „Op de Patten“ ab. „Die Kinder sind alle in einem gewissen Maße traumatisiert, wodurch sie ein bestimmtes Benehmen an den Tag legen.“
Kinder, die in der Schule auffällig werden und deshalb eine Einrichtung von „Solidarité Jeunes“ besuchen, seien im Umgang mit den Tieren plötzlich ganz verändert, sie würden viel ruhiger und sogar fürsorglich. Maziers erklärt: „Die Kinder machen es für die Tiere. Sie wollen, dass es ihnen gut geht.“
Der Erzieher will aber noch mit einem Missverständnis aufräumen: Auf dem Hof arbeitet Maziers mit einer Psycho- und Reittherapeutin zusammen, doch – und das betont er deutlich: „Die Kinder kommen nicht zum Reiten her: Wir sind kein Streichelzoo.“
Zum Projekt
„Op de Patten“ ist ein Projekt der „Solidarité Jeunes Asbl.“ und „Fondation Solina“. Es richtet sich an Kinder, die in einer der Einrichtungen der Vereinigung betreut werden und die in ihrem Leben bereits einen turbulenten (schulischen und familiären) Parcours durchlaufen haben.
Das Projekt wird ausschließlich über Spenden finanziert und durch die „Fondation Marienburg“, den „Fonds Amélie“ und die Vereinigung „Aide aux enfants handicapés et défavorisés de Luxembourg“ unterstützt.
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