Nach dem Kollektivurlaub / Zukunftsängste trotz viel Arbeit im Luxemburger Bauwesen
Nach dem Baustopp im März und dem Kollektivurlaub im August bewegen sich auf den Baustellen Luxemburgs seit drei Wochen wieder die Kräne und die Schaufeln werden angepackt. Dabei ist das Bauwesen eine Branche, der es in den letzten Jahren nicht an Arbeit gefehlt hat: Das Tageblatt hat sich umgehört, wie Bauunternehmen die Zeit nach der zweiten Zwangspause meistern.
In der momentanen Situation hat das Bauwesen noch Glück im Unglück: So drückt es Paul Nathan, „directeur technique“ der Rümelinger „Entreprise Poeckes“, aus. Die Aufträge laufen weiter und auf den Baustellen konnte nach beiden Pausen weitergearbeitet und die jeweiligen Projekte fertiggestellt werden. Das sei in der Gastronomie oder bei den Friseuren anders, denn viele Menschen hätten weiterhin Angst vor einer Ansteckung.
Nach Ende des Kollektivurlaubs am 24. August wurde in der Baubranche vermehrt auf das Coronavirus getestet. Im Unternehmen Poeckes waren es 55 Prozent der Angestellten und niemand hatte einen positiven PCR-Test. Wenn dies allerdings der Fall gewesen wäre, hätte das gesamte Team einer Baustelle für fünf Tage in Quarantäne und dann zum Corona-Test gehen müssen. Vor dem Urlaub war dies zweimal der Fall gewesen. Doch in den beiden Fällen hat die Person niemand weiteres im Team angesteckt. Das zeige doch, dass die Sicherheitsmaßnahmen eingehalten und auch greifen würden, so der 35-Jährige.
Direkte und indirekte Folgekosten
Zu diesen Sicherheitsvorkehrungen auf den Baustellen gehören, wie sonst überall auch, das Tragen des Nasen-Mund-Schutzes, Desinfektion sowie die Sensibilisierung der Mitarbeiter. Die Beschaffung der Masken gehört zu den direkten Kosten, genauso wie das Desinfektionsgel oder zusätzliche Baubuden. Die indirekten Kosten, die das Virus mit sich bringt, werden erst nach mehreren Monaten ersichtlich: Da seien zum einen die Kosten, um eine Baustelle wieder eröffnen zu können. Ertragsausfälle entstehen dadurch, dass weniger produktiv gearbeitet werden kann. Unter anderem die zusätzliche Desinfektion des Materials bringt Zeitverlust mit sich. Bei größeren Baustellen mit einem Team von 30 Leuten wird in zwei Etappen gegessen. Dazwischen muss geputzt werden. Die Fahrtkosten steigen ebenfalls. In den Kleintransportern sind weniger Arbeiter erlaubt als vorher. Dazu gab es zu Beginn Lieferschwierigkeiten bei ansonsten leicht erhältlichem Material wie beispielsweise zur Isolierung.
Die Frage nach dem Kollektivurlaub im Bauwesen hat besonders in diesem Jahr für Diskussionen gesorgt. Gewerkschaften und Unternehmen beziehungsweise die „Fédération“ konnten sich nicht einigen, sodass die Baustellen Ende Juli erneut geschlossen wurden. Fast 20.000 Beschäftigte sind im Hoch- und Tiefbau aktiv. Paul Nathan hält eine flexible Gestaltung des Urlaubs für nicht sinnvoll: „Unsere Produktionsketten werden dann durcheinandergeworfen“, sagt der Diplom-Ingenieur. Denn auch wenn der Techniker Urlaub nehme, müsse die Baustelle weiterlaufen. Die 30 Arbeiter auf einer Baustelle seien außerdem auf den einen Kranführer angewiesen. „Es wird schwierig, dies zu organisieren. Besonders in einem Jahr, in dem es sowieso nur Probleme gibt.“
Gut gefülltes Auftragsbuch
Auch die Managerin des Escher Bauunternehmens Bonaria & Fils, Viviane Pundel, habe in diesem Jahr ausnahmsweise von den Wochen des Kollektivurlaubs profitieren wollen, um weiterzuarbeiten und etwas verlorene Zeit aufzuholen. Das Wetter habe in diesem Jahr auch mitgespielt, so die Managerin. Verspätungen seien nur sehr schwer aufzuholen und für die bereits geplanten Projekte würde alles versucht, um Verzögerungen so gering wie möglich zu halten oder gar zu vermeiden. Bisher hat es in ihrem Unternehmen keinen positiven Corona-Fall gegeben. Doch auch sie hat mit dem Verlust an Produktivität zu kämpfen, da die Arbeiten nicht so schnell voranschreiten können wie üblich.
An Arbeit fehlt es dem Unternehmen Poeckes bisher nicht. Das Auftragsbuch ist die nächsten sechs Monate gut gefüllt. Für die Baubranche war 2019 ein gutes Jahr und auch 2020 waren die Perspektiven für Hoch- und Tiefbau gut. „Die Regierung investiert sehr viel in die Erneuerung der Infrastruktur“, erklärt Paul Nathan.
In den Jahren 2011 bis 2015 seien die Baufirmen froh gewesen, wenn die Rechnung am Ende des Jahres aufgegangen sei. Seit 2016 hat sich die Lage gebessert. „Im Hinblick darauf investieren die Unternehmen in neue Maschinen. Digitalisierung ist ebenfalls ein Thema“, sagt Nathan, der seit 2015 die Geschicke des Unternehmens leitet. Als Folge werden finanzielle Reserven abgebaut oder auch weitere Kredite aufgenommen.
Investitionsvolumen muss hoch bleiben
Als im März der Baustopp erfolgte, wusste noch niemand, wann es wieder losgehen würde. Die Fixkosten sind weitergelaufen, nicht nur für die Bürogebäude, sondern auch für die Baustellen: Mietverträge für Maschinen oder Baubuden mussten weitergezahlt werden.
Die Hilfe des Staates sei in den letzten Monaten exemplarisch gewesen: Gerade die Hilfe mit dem „chômage partiel“ sei schnell und unbürokratisch über die Bühne gegangen. Doch die Verspätungen durch den Lockdown seien nur schwer wieder aufzuholen. Je nach Absprache mit den Bauherren wird samstags gearbeitet. Überstunden werden nur dort geleistet, wo es sinnvoll ist.
Doch eine erste Frage, die sich für ihn nun stellt, ist, wie das Wetter im Winter wird und welche Folgen das auf den Baubetrieb haben wird. Die zweite wichtige Frage laute, wie das Investitionsvolumen lang- und mittelfristig aussieht.
Auf diese zweite Frage antwortet Roland Kuhn, Präsident der „Fédération des entreprises de construction et de génie civil“, dass er vollstes Vertrauen in die Regierung habe, und dass weiter in die Infrastruktur investiert werden. „Dem Bausektor geht es so weit gut. Die Arbeit ist da.“ Bisher habe es auch nur wenige Corona-Fälle auf den Baustellen gegeben, erklärt er. Doch die verlorenen Wochen könnten nicht so einfach überbrückt werden. Im Nachhinein glaubt Kuhn, dass es gut war, dass der Kollektivurlaub wie geplant stattgefunden hat. Mit den teilweise sehr hohen Temperaturen im August über 35 Grad wäre es schwierig geworden, normal weiterzuarbeiten.
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