Christiane Hartert-Seyler / Zum Prozess im Fall Patrick Hartert – „Kein Urteil dieser Welt bringt mir den geliebten Mann zurück!“
Christiane Hartert-Seyler ist enttäuscht. Die Strafe für den Autofahrer, der vor über drei Jahren den Tod ihres Mannes verschuldet hat, sei zu milde. Sie hofft, dass die Staatsanwaltschaft Berufung einlegt. Ob sie jemals ihren Frieden findet, weiß sie nicht. Im April geht sie frühzeitig in Rente. „Gut, dass ich viele Freunde habe“, sagt sie. Ein Gespräch.
Bissen. Ein kleines Haus mit Wiese und Bäumen. Die Inneneinrichtung ist eher modern, bescheiden – vor allem wirkt sie neu. „Nach dem Tod meines Mannes habe ich unser Heim umgestaltet. Nicht aus Spaß, sondern weil ich Petz überall gesehen habe, ich hätte sonst nicht mehr dort wohnen können“, sagt Christiane Hartert-Seyler.
Sie habe vergangene Nacht nicht schlafen können, sagt sie. Ja, sie sei unzufrieden mit dem Urteil (siehe Kasten und Tageblatt vom 4. März): „Die Haftstrafe ist zu kurz, ich hoffe, dass die Staatsanwaltschaft in Berufung geht, um eine härtere Strafe zu erwirken – mindestens ein Jahr Haft, damit der Unfallfahrer länger über sein Fehlverhalten nachdenken muss, das würde mir eher Genugtuung bereiten.“
Was sie in den vergangenen Jahren am meisten irritiert habe, sei der Mangel an Reue, die der junge Mann gezeigt habe. „Nun wird er Vater und wünscht sich, sein Leben zu leben, als sei nichts gewesen. Dabei hat er das Leben meines Mannes und meins zerstört. Das sieht er nicht ein – in der Gerichtssitzung hat er sich beklagt, dass er, der Unfallverursacher, nun mit den Konsequenzen des Unfalls zu leben habe. Was ist mit mir und all jenen, die Petz nicht mehr haben? In den sozialen Netzwerken war nach dem Unfall und seinem Klinikaufenthalt zu sehen, wie gut er sich amüsiert. Das schmerzt besonders.“
Glückliche Partnerschaft
Christiane Hartert-Seyler weiß, dass das Urteil, ganz gleich, wie es letztendlich ausfällt, ihr den Mann und das gemeinsame Leben nicht zurückbringt.
Ihren Mann, den Musiker Patrick Hartert, von allen Petz genannt, lernt sie 1997 kennen. 2000 ist Hochzeit. Die gemeinsame Zeit beschreibt sie als glücklich und bereichernd: „Wir konnten stundenlang diskutieren und Musik hören. Oft bis in die Nacht hinein.“ Am 3. Oktober 2017 findet dieses Glück ein jähes Ende. Bei einem Verkehrsunfall auf dem Weg zurück von der Arbeit verliert Patrick Hartert sein Leben.
Während unseres Gesprächs wirkt sie gefasst, aber angespannt. Sie erzählt vom ersten Prozesstag im Dezember 2020, und dass, in ihren Augen, bis dahin alles sehr schleppend vorangekommen sei.
Wie hat sie die Zeit seit dem Unfall bis zum Prozess erlebt? „Ganz schlimm. Der Unfall liegt drei Jahre zurück. Ich bin täglich damit konfrontiert gewesen, jeden Tag habe ich darauf gelauert, dass ein Datum für den Prozess genannt wird. Im Untersuchungsverfahren musste ich die lässige Reuelosigkeit des Unfallfahrers erleben. Es beherrschte mich von morgens bis abends, und nachts wurde ich wach, weil ich mir Fragen gestellt habe darüber, wie das wohl alles werden wird.“
Und jetzt? „Ich fühle mich nicht gut, ich habe mir mein Leben anders vorgestellt. Ich hoffe, dass es mit der Zeit etwas besser geht, aber ich weiß jetzt nicht, wie.“ Es bleibe die Ungewissheit über eine erhoffte Berufung des Staatsanwalts gegen das Urteil. „Und was dann, wie lange wird das dauern, was wird dabei herauskommen?“
Ab April in Rente
All dies ändert nichts an ihrem Entschluss, dieses Jahr, wahrscheinlich im April, in Pension zu gehen. Früher als eigentlich geplant: „Ich kann nicht mehr.“ Seit 1982 arbeitet sie im Bürgerzentrum der Gemeinde Walferdingen. „Alle Welt kennt mich und jeder sucht das Gespräch und erkundigt sich, wie es mir geht und was mit dem Prozess ist.“
Bis vor geraumer Zeit war sie auch zuständig für die Musikschule, die ihr nach wie vor sehr am Herzen liegt: „Ich habe die Schule mit aufgebaut, aber ich musste diese Arbeit abgeben.“ Sie habe es einfach nicht mehr ertragen, wenn Eltern zu ihr gekommen seien, gefragt hätten, ob nicht der bekannte Musiker Patrick Hartert, der auch in Walferdingen unterrichtete, ihre Kinder in seine Kurse aufnehmen könne. „Dann musste ich sagen, tut mir leid, Patrick Hartert ist tot.“ Die Leute hätten natürlich nicht alle wissen können, dass Patrick Hartert ihr Mann sei. „Aber dieses Nachfragen habe ich nicht geschafft, ich musste öfters heulen und war am Ende, was besonders auch als Chef vom Dienst im Bürgeramt nicht geht.“ Deshalb gehe sie nun in Rente. Bis 2024 habe sie, Jahrgang 1961, ursprünglich bleiben wollen. Auch weil ihr Mann, Jahrgang 1964, noch einige Jahre hätte arbeiten müssen.
„Ich kann auch keine Konzerte mehr besuchen. Denn dann kommen die Erinnerungen an die Zeit mit Petz.“ Auch Musik hören falle ihr schwer. „Wenn im Radio Lieder laufen, die ich mit Petz gehört habe, oder wenn es Lieder sind welche die Challengers, wo Petz Mitglied war, gecovert haben, tut das weh.,“
Dann erzählt sie, dass Petz eine Krebserkrankung gut überstanden habe: „Seit der Diagnose im Dezember 2012 hat er gekämpft und die Krankheit besiegt. Er hatte große Projekte und wir wollten so viel unternehmen.“ Dann kam der 3. Oktober 2017.
„Immer wieder muss ich an den Tag denken, einen Dienstagabend. Ich war erst fünf Minuten zu Hause, als es passierte, es war so kurz vor halb neun. RTL meldete zwischen Roost und Bissen einen schweren Unfall. Mit zwei Schwerverletzten und einem Toten. Ich habe sofort gespürt, dass es sich um Patrick handeln würde, ich wusste es.“ An dem Abend kam ihr Mann aus Bartringen, wo er im Auftrag der UGDA unterrichtet hat.
„Messer im Bauch“
Die Strecke, auf der es geschehen ist, kennt sie. Es ist kurz bevor die ersten Häuser kommen. „Ich habe die Krankenwagen gehört und habe sofort bei der Polizei in Mersch angerufen und gesagt: Das ist mein Mann, ich weiß, dass er es ist, ich spüre das, es war, als ob mir einer ein Messer in den Bauch gerammt hat.“
Die Polizei in Mersch weiß zu dem Zeitpunkt nur, dass es einen Unfall gegeben hat. Christiane Hartert-Seyler will zum Unfallort. Die Polizei wiegelt ab. Sie findet keine Ruhe und fährt trotzdem hin. Straßensperre. Kein Durchkommen. Überall Blaulicht. Sie versucht, die Polizisten zu überzeugen: „Ich weiß, dass es mein Mann ist, ich habe 20-mal auf sein Mobiltelefon angerufen, er hebt nicht ab.“ Außerdem habe er sie immer sofort angerufen, wenn ein Unfall auf seiner Strecke geschehen sei, um ihr zu sagen, dass alles in Ordnung sei. „Um mich zu beruhigen, um mir zu sagen, dass er es nicht ist.“
Am Unfallort bestätigt sich, dass es sich um den Wagen ihres Mannes handelt. Die Identität des toten Fahrers kann nicht festgestellt werden, weil die Ausweispapiere zunächst nicht auffindbar sind. „Die Polizisten wollten mich nach Hause begleiten, aber ich bestand darauf, den Wagen mitzunehmen. Ich war jedoch nicht mehr fähig, zu fahren, zitterte am ganzen Leib. Doch ich wollte mobil bleiben für den Fall, wo.“ Zwei Polizisten hätten dann sie und ihren Wagen nach Hause gebracht.
Dort habe sie gute Freunde kontaktiert. „Die haben versucht, mich zu beruhigen – warte mal ab, das wird schon nicht so sein. Aber es war so.“ Wann kam die Gewissheit? „In der Nacht gegen halb drei bekam ich die Bestätigung. Ich musste ihn nicht identifizieren. Sie hatten seine Brieftasche gefunden.“
Keinen Ersatz
Den Vorschlag einer Psychologin, ihren Mann nochmals zu sehen, habe sie abgelehnt. „Ich wollte nicht. Wir hatten noch am Mittag zusammengesessen, wie immer am Dienstag. Wir konnten nicht wirklich viel miteinander reden, weil ich ein Meeting in der Gemeinde hatte. Ich wollte Petz nicht anders in Erinnerung behalten, als beim gemeinsamen Mittagessen.“
Christiane Harter-Seyler erinnert sich an ein weiteres Gespräch. Zwei Tage vor seinem Tode. „Wir haben hier in der Stube gesessen und geredet. Darüber, was wir machen, wenn einem von uns etwas passiert. Petz war nicht sehr gesprächsbereit, da habe ich gesagt, dass ich auf dem Waldfriedhof begraben werden möchte. Da hat Petz gemeint, dass er das dann auch so möchte.“
Dort, auf dem Waldfriedhof, liegt er heute begraben.
Über ihre Schadensersatzforderungen hat Christiane Hartert-Seyler in unserem Gespräch übrigens nicht geredet. Wir haben auch nicht danach gefragt. Wohl auch, weil es müßig wäre, weil es nämlich keinen Ersatz gibt für einen Menschen, den man liebt.
Reaktionen auf das Urteil
„Einen schlechten Witz, eine Ohrfeige für die Angehörigen des Opfers“ nennt Raymond Schintgen das Urteil. Der Präsident der „Association nationale des victimes de la route“ ist der Meinung, dass unbedingt eine „Peine pédagogique“ nötig sei. Eine Strafe, um den Täter, vor allem den Wiederholungstäter, mit dem zu konfrontieren, was er angerichtet hat. „Damit er sich Gedanken macht!“ Paul Hammelmann, Präsident der „Sécurité routière“, stört sich am meisten am Fahrverbot. „Ein Autofahrer, der sich zum wiederholten Mal über alle Regeln hinwegsetzt und dann auch noch schuld am Tod eines Menschen ist, ist nicht würdig, als Verkehrsteilnehmer auf der Straße unterwegs zu sein. Dem muss die Fahrerlaubnis aberkannt werden, auch für den Weg zur Arbeit.“
Das Urteil
Im Oktober 2017 verursachte der damals 23-jährige R.A. einen schweren Unfall mit Todesfolge. Deswegen ist er am Mittwoch in erster Instanz zu 48 Monaten Haft verurteilt worden, 42 davon auf Bewährung. Außerdem muss er den Nebenklägern, darunter der Witwe des Opfers, Schadensersatz zahlen. Hinzu kommt ein Fahrverbot, das aus verschiedenen Vergehen resultiert und insgesamt acht Jahre beträgt, ein Teil davon ohne Bewährung.
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Ee Verkei’ersonfall mat Do’udesvolleg, ass Mord !
Ee Versto’uss geint den Code de la Route ass d’Schold beim Chauffeur !
Daat muss bei den Chauffeuren an bei den Riichter an de Kapp !