Colmar-Berg / Zurück zu den Wurzeln: Nachkommen der Familie Nelson auf Stippvisite
Am Mittwoch gab es in der Gemeinde Colmar-Berg Besuch aus Boston. Nichts Außergewöhnliches, könnte man meinen, hinge an diesem Besuch nicht eine interessante Geschichte dran. Bei den Besuchern aus den Vereinigten Staaten handelte es sich um Esther Nelson und ihre beiden Kinder Dieter und Clara Ulken, Nachkommen der einstigen Besitzer eines großen Hofes mitten im Kern der Ortschaft Colmar-Berg. Wir trafen die Besucher zu einem kurzen Gespräch.
„Ich hatte ein sehr mulmiges Gefühl, als ich heute über die Schwelle dieses Gebäudes trat“, sagte Esther Nelson am Mittwochmorgen, als sie mit ihrer Tochter Clara, ihrem Sohn Dieter, ihrem in Luxemburg lebenden Vetter Paul Bretz, Bürgermeister Christian Miny, Gemeindesekretär Jean-Marc Clesen und John Lanckohr, dessen Familie früher als Gutsverwalter auf besagtem Hof arbeitete, die Räumlichkeiten an der Poststraße besichtigte. „Ich war öfter hier zu Besuch, verbrachte oft Ferien bei meiner Großmutter … jetzt kommen wieder viele Bilder hoch, die mich in die damalige Zeit zurückversetzen“, so Esther Nelson weiter.
Auf die Frage, ob sie und ihre Kinder denn nun speziell für den Besuch des früheren Gehöfts die Reise aus Boston nach Luxemburg angetreten hätten, antwortete Frau Nelson mit einem Lächeln: „Nein, meine zwei Kinder und ich haben die luxemburgische Staatsangehörigkeit angefragt. Mein Mann kann das leider nicht, da er keine luxemburgischen Vorfahren hat. Wir kamen jetzt nach Luxemburg, um die letzte Hürde unseres Antrags hinter uns zu bringen.“
Und Tochter Clara fügte noch hinzu: „Ich habe mich dermaßen in das Land und die Stadt Luxemburg verliebt, dass ich mich dazu entschlossen habe, künftig hier zu leben.“ Die studierte Informatik-Spezialistin wollte eigentlich nach Paris umziehen, doch nachdem sie Luxemburg ein erstes Mal besucht hatte, sei ihr Entschluss, hier zu leben, schnell gefasst gewesen.
Zurückgeblättert
Zum besseren Verständnis müssen wir die Geschichte des Conzemius-Hofs aufrollen, der später im Volksmund den Namen „Nelsonshaff“ bekam. Das Gehöft, das die Besucher am Mittwochmorgen besuchten, war einst von der Familie Nelson bewohnt (nach dem Ersten Weltkrieg hatte die Inhaberin, Frau Conzemius, einen amerikanischen General namens Nelson kennengelernt und geheiratet). Das eigentliche Wohnhaus war Zeuge einer Zeit, in der die Landwirtschaft in Luxemburg noch blühte. Es war ein herrschaftliches Haus, das u.a. durch seine sehr selten zu sehenden gewölbten Fenster hervorstach.
Im Laufe der Jahre wurde das Gehöft immer größer: So wurde entlang der Straße, die zum großherzoglichen Schloss führt, ein zweites Wohnhaus angebaut, dazu kamen Stallungen und Scheunen (auf der Seite des heutigen Fahrradweges) und ein großer Innenhof. Die siebenköpfige Familie Lanckohr (eine Familie, die auch heute noch immer in Colmar-Berg wohnt) lebte zuerst im Hauptwohnhaus zusammen mit der Inhaberin, zog nach der Fertigstellung aber in das zweite Wohnhaus und arbeitete als Gutsverwalter.
1986 ging zum ersten Mal die Rede davon, dass auch das Gehöft an sich (gegenüber dem früheren Rathaus) sowie die angrenzenden Wiesen und Felder zum Verkauf stehen. Das gesamte Areal hätte sich hervorragend für ein Projekt der Gemeinde geeignet, das zu dem Zeitpunkt in aller Munde war. Die Rede geht von einem Kulturzentrum, das später an anderer Stelle in der gleichen Straße gebaut wurde.
Während im Sitzungsaal der Gemeinde noch kontrovers um den „Nelsonshaff“ diskutiert und polemisiert wurde und der damalige Bürgermeister vom Gemeinderat den Auftrag bekommen hatte, schleunigst Verhandlungen mit den Eigentümern aufzunehmen, kaufte ein Privatmann das gesamte Areal auf.
Der Zerfall des Hofes
Der neue Eigentümer reichte zwei Jahre später einen Bebauungsplan für fünf Einfamilienhäuser auf den Wiesen neben dem leerstehenden Gehöft ein, den Hof selbst veräußerte er an die Firma Rollinger. Dann ging es Schlag auf Schlag: Ein Teil der Gebäude wurde abgerissen, ein anderer Teil an einen Holzhändler vermietet, in den beiden einstigen Wohnhäusern wurden kleine Ein-Zimmer-Wohnungen eingerichtet, die ebenfalls vermietet wurden.
Damit begann der Zerfall des einst so herrschaftlichen Gebäudes. Als der Komplex in einem desaströsen Zustand dahinvegetierte, kaufte der „Fonds du logement“ mithilfe der Gemeinde Colmar-Berg die übriggebliebenen Bauten auf. Nächtliche Besucher sorgten dafür, dass ein Flügel des Hofes den Flammen zum Opfer fiel, die Fenster und Türen der anderen Bauten wurden daraufhin zugemauert.
Der „Fonds du logement“ hatte 2005 ein Projekt zum Umbau des „Nelsonshaff“ vorgelegt, das aber nie in die Realität umgesetzt wurde. Zuletzt hörte man 2006 etwas davon, als dem Gemeinderat eine Anfrage seitens des „Fonds du logement“ vorlag, um ein der Gemeinde gehörendes Areal gegenüber dem Gehöft mit in das Initialprojekt einbeziehen zu können. Das Renovierungsprojekt des früheren Hauses Nelson sah sechs Wohneinheiten und ein Restaurant vor. Dazu sollte ein Neubau mit 12 Mietwohnungen gebaut werden. Auf dem oben erwähnten Grundstück wollte der Fonds eine Immobilie mit weiteren 17 Mietwohnungen und insgesamt acht Reihenhäuser errichten. Der Antrag wurde damals mit sechs gegen drei Stimmen zurückgewiesen.
Ab dann war es still um den „Nelsonshaff“, der ein trostloses Dasein fristete. An der Zufahrtsstraße zum großherzoglichen Schloss gelegen, waren die Bauten wahrlich keine Augenweide. Zu einem gewissen Moment wurde der „Fonds du logement“ sogar dazu angehalten, die Fassade des Gehöfts mit einer bemalten Plane abzudecken, um das Elend zu verstecken.
Nach rund 15 Jahren des Wartens passierte endlich etwas mit dem Nelson-Hof. Die erste Bauphase sah die Renovierung des Hauptgebäudes vor (hier richtete die Arcus asbl. ein Foyer für Jugendliche ein), im Nebengebäude, dessen initiale Haupt- und Nebenfassade genau wie das Wohnhaus erhalten wurden, entstanden drei Wohneinheiten mit einer jeweiligen Wohnfläche von um die 114 Quadratmeter. Eine zweite Bauphase, die demnächst in Angriff genommen werden soll, sieht das Errichten von sechs Einfamilienhäusern hinter dem Haupthaus vor.
„Wir werden morgen wieder nach Hause fliegen“, so Esther Nelson am Mittwoch beim Abschied in Colmar-Berg. „Wir sind überaus glücklich, dass wir auf den Spuren unserer Vorfahren wandern konnten und dass die noch bestehenden Gebäude des einstigen Hofes sehr schön renoviert und wieder mit Leben gefüllt wurden.“
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