Editorial / Zuschauen reicht nicht mehr: Gemeinden müssen aktiver gegen Leerstand vorgehen
In Luxemburg gibt es im Vergleich zu 2019 weniger Bäckereien, Metzgereien und Cafés – dafür mehr Fastfood, Discount-Supermärkte und Baumärkte. Das geht aus dem „Retail Report“ hervor, den das Wirtschaftsministerium am Mittwoch vorstellte. Die Geschäftswelt verändert sich und das Opfer dieser Veränderungen ist oft der Stadtkern. Der Bericht stellt nämlich einen leichten Rückgang der Einzelhandelsaktivitäten in den Luxemburger Innenstädten fest. Um diese Entwicklung aufzuhalten, müssen die Gemeinden aktiver eingreifen.
Das Fazit des „Retail Report“ ist allerdings insgesamt eher positiv. Die Einzelhandelsfläche pro Einwohner ist von 1,67 Quadratmetern im Jahr 2019 auf 1,68 im Jahr 2023 gestiegen. Die gesamte Leerstandsrate sei im gleichen Zeitraum stabil geblieben. Das ändert allerdings nichts daran, dass viele Schaufenster in der Alzettestraße in Esch, dem Bahnhofsviertel in Luxemburg-Stadt oder den Gassen von Differdingen mit „à louer“-Schildern zugeklebt sind. Die Zahlen zeigen nicht, wie das Stadtleben sich verändert, wenn immer mehr Geschäfte aus dem Zentrum verschwinden.
Personalmangel, Online-Shops, Großketten, Preissteigerungen, erhöhte Mietpreise, Krisen – das sind nur ein paar der Probleme, mit denen sich Ladenbesitzer in den vergangenen Jahren herumschlagen mussten. Früher musste sich die Politik nicht in die Geschäftswelt einmischen. Das Prinzip „Angebot und Nachfrage“ regelte das schon – bis es dann doch nicht mehr funktionierte.
Esch und Differdingen bemühen sich nun, Neueinsteigern unter die Arme zu greifen, indem sie einen Teil ihrer Miete übernehmen beziehungsweise leer stehende Geschäfte selbst aufkaufen. In Düdelingen klappt dieses Prinzip relativ gut. Dort beträgt die Leerstandsrate etwa sieben Prozent. In der Escher Alzettestraße reicht dies allerdings nicht mehr aus. Der Gemeinde gehört, abgesehen von der Infofabrik, kein einziges Geschäftslokal. „Eine Erbsünde“, so die Begründung von Schöffe Pim Knaff (DP) gegenüber dem Tageblatt. Und mittlerweile sei der Kauf von ganzen Häusern kaum mehr zu finanzieren. Das befreit die momentane Koalition allerdings nicht von der Notwendigkeit, langsam, aber sicher Immobilien in der Alzettestraße aufzukaufen. Nur so ist es möglich, die Geschäftswelt auf lange Dauer in die richtige Richtung zu lenken.
Doch sogar das würde mittlerweile nicht mehr reichen. Gemeinden müssen selbst Geschäftskonzepte entwickeln. Ein Beispiel: Kleine Lebensmittelproduzenten suchen oft nach professionellen Küchen, die den Hygienevorschriften entsprechen. Die Kommune könnte mehreren Unternehmern eine solche Küche zur Verfügung stellen und die Produkte dann in einem Laden verkaufen. Oder wie wäre es mit einem Lokal, in dem die Ware von Schüler-Unternehmen im Rahmen der „Mini-Entreprises“ verkauft werden? Oder die Gemeinde könnte selbst nach sich ergänzenden Betrieben suchen. So könnte sich eine Bäckerei ein Lokal mit einem Metzgerbetrieb teilen und gleichzeitig einen Imbiss zusammen betreiben.
Kurzum: Die Gemeinden müssen kreativ werden und sich stärker an der Entwicklung der eigenen Einkaufsstraße beteiligen. Weiter wie bisher reicht nicht mehr, denn eine Stadt ohne lebendige Geschäftswelt ist tot.
- PAG abgeändert: Gemeinde erlaubt den Bau von Tiny Houses - 11. November 2024.
- Die Berichterstattung über „Dëppefester“ ist ein essenzieller Teil unserer Gesellschaft - 4. November 2024.
- Tierschutzverein stößt an seine Grenzen: „Schafft euch nur ein Tier an, wenn ihr Zeit habt“ - 31. Oktober 2024.
Sie müssen angemeldet sein um kommentieren zu können.
Melden sie sich an
Registrieren Sie sich kostenlos