Steinsel/Lorentzweiler / Zwei Bürgermeister stehen unter Strom: Hochspannungsleitung sorgt für Diskussionsstoff
Der Bürgermeister aus Lorentzweiler, Jos Roller, sowie sein Amtskollege aus Steinsel, Jean-Pierre Klein (beide LSAP), ziehen in den Kampf gegen die Trasse einer geplanten 380-kV-Hochspannungsleitung, die Luxemburg mit Strom aus Deutschland beliefern soll. Dass unser Land in naher Zukunft mehr Strom braucht, als die Creos momentan liefern kann, ist ihnen sehr wohl bewusst, doch …
Eigentlich hätte man sich die Diskussionen, die nun entbrannt sind, sparen können. Man hätte im Vorfeld der Planungen der Trasse einer neuen, zusätzlichen Hochspannungsleitung die betroffenen Gemeindeväter mit einbeziehen sollen. Da dies aber – einmal mehr – nicht geschah, gibt es nun Spannungen (um beim Thema zu bleiben) zwischen Jos Roller und Jean-Pierre Klein einerseits sowie den grünen Ministern Claude Turmes (Energie) und Carole Dieschbourg (Umwelt) und dem Unternehmen Creos andererseits.
Um was geht es konkret? Der Paradigmenwechsel zu einem „umweltbewussteren Konsum“ erfordert immer mehr Kraft aus der Steckdose (siehe hierzu auch Tageblatt vom 24. Oktober). Allein schon mit ihren Entscheidungen, immer mehr auf Elektro-Antriebe zurückgreifen zu wollen, die zudem dank staatlich finanzierter Leckerlies – koste es, was es wolle – in hohen Stückzahlen an den Mann oder die Frau gebracht werden sollen, stellt den nationalen Stromlieferanten vor große Herausforderungen.
Aufwendige Pläne
Das Unternehmen Creos, das vertraglich dazu verpflichtet ist, rund um die Uhr genügend Strom an alle Ecken des Landes zu bringen, muss schnellstmöglich handeln, damit man der stetig wachsenden Nachfrage an Elektrizität nachkommen kann. Das ist aber leichter gesagt als getan, denn bereits heute gibt es Engpässe, vor allem in den Spitzenstunden. Es bedarf demnach aufwendiger Pläne, um kurz- bis mittelfristig der Nachfrage an Strom nachkommen zu können. „Wir müssen verstärkt Strom aus dem Ausland, vor allem aus dem benachbarten Deutschland, nach Luxemburg importieren“, so ein Creos-Mitarbeiter. „Und wenn ich sage ‚verstärkt’, dann ist das aufgrund der Tatsache, dass sich der Stromverbrauch in Luxemburg mittelfristig mindestens verdoppeln, langfristig sicherlich sogar verdreifachen wird.“
Eine der beiden 220 kV-Hochspannungsleitungen, die unser Land mit Saft aus Deutschland versorgen, soll nun etappenweise durch einen sogenannten 380 kV-Interkonnektor ersetzt werden. (Anm. d. Red.: Ein Interkonnektor ist eine Stromleitung, die über die Grenze zweier benachbarter Länder führt. Entweder eine Freileitung, die an Strommasten hängt, oder ein Erdkabel. In der EU sind die Übertragungsnetze aller Länder mit Interkonnektoren verbunden. Sie ermöglichen einerseits einen grenzüberschreitenden Stromhandel und erhöhen andererseits die Versorgungssicherheit.)
Diese neue Hochspannungsleitung soll sich von Aach bei Trier (D) über Junglinster, das Heisdorfer Plateau, Asselscheuer, Lorentzweiler, das Hunsdorfer Plateau, Bartringen und weiter Richtung Süden einerseits und entlang Mersch bis zur Schaltanlage auf Roost andererseits ziehen. Dazu seien rund 70 Masten benötigt, die zwischen 60 und 70 Meter hoch sein werden.
„Es gibt durchaus Alternativen“
Nicht nur die Trassenführung der Hochspannungsleitung über die Bofferdinger/Heisdorfer Anhöhe sowie durch das Alzette-Tal zwischen Lorentzweiler und Hunsdorf bringt die Bürgermeister aus Lorentzweiler und Steinsel zur Weißglut, auch der geplante Standort der neuen Umspannanlage auf obenerwähnter Anhöhe ist ihnen ein Dorn im Auge. „Wir wissen um die stetig wachsenden Strombedürfnisse und wir sind uns durchaus bewusst, dass unser Land in dieser Sache aufrüsten muss“, so Jos Roller und Jean-Pierre Klein am Dienstag in einem Gespräch mit dem Tageblatt. „Doch es kann nicht sein, dass über die Köpfe der Leute hinweg ein solches Projekt – auch wenn es von öffentlichem Nutzen ist – allein im stillen Kämmerlein geschmiedet wird und später dadurch die Lebensqualität der in unseren Gemeinden lebenden Bürger sinkt. Dazu muss man sagen, dass es Alternativen zu den vorliegenden Plänen gibt, die viel weniger ‚Kollateralschäden’ mit sich bringen würden.“
Das erste Vorhaben, das Roller und Klein an den Pranger stellen, ist die vorgesehene Freiluft-Umspannanlage auf der Heisdorfer Anhöhe, die laut vorsichtigen Prognosen 2027 in Betrieb genommen werden soll. Für diese Anlage braucht Creos ein 12 Hektar großes Areal. Dort, wo die Anlage hinkommen soll, findet man heute bestes Ackerland. „Um eine weitere Zerschneidung des Grünewalds zu vermeiden, fordern wir die Planer dazu auf, die erwähnte Anlage doch bitte so nahe wie nur möglich an die Autobahn A7 zu bauen. Somit könnten wir wenigstens ein Stück intakter Natur auf diesem Plateau retten“, so Jean-Pierre Klein.
Und Roller fügt hinzu: „Es wäre auch nicht schlecht, wenn diese Anlage verkapselt, d.h. zu einem Großteil unterirdisch angelegt werden würde. Dies bedingt natürlich eine aufwendige Kühlung, doch man bräuchte viel weniger Land.“
70 Meter hohe Masten
Der nächste Stein des Anstoßes ist die Trassenführung in der Nähe von Lorentzweiler. Stellenweise würde die geplante Leitung zu nah an Wohnhäusern vorbeiziehen und im Tal zwischen Lorentzweiler und Hunsdorf würden die Pläne 60 bis 70 Meter hohe Masten entlang der dort verlaufenden Überführung der A7 vorsehen. „Ich hatte mich bei der Planung der Nordstraße mit meinem Parteikollegen und damaligen Bautenminister Robert Goebbels überworfen, da ich die genannte Überführung so niedrig wie nur möglich über dieses Tal gespannt sehen wollte, was im Endeffekt ja auch berücksichtigt wurde. Soll ich jetzt tatenlos zuschauen, wenn bis zu 70 Meter hohen Masten an diese Überführung errichtet werden? Nein! Warum verlegt man die Trasse nicht an die engste Stelle des Tals, wo man wegen der kleineren Distanz logischerweise weniger Masten bräuchte? Oder warum verlegt man die Leitung dort nicht unterirdisch?“
Roller und Klein sind sich einig: „Unsere Forderungen sind keinesfalls unvernünftig. Sie sind durchaus realisierbar. Wir hatten bereits Unterredungen mit Creos und den beiden zuständigen Ministern, doch obschon uns zugehört wurde – so glauben wir jedenfalls – gab es unseres Wissens nach bis dato keine einzige Planänderung.“
Ein kleiner Leckerbissen zum Schluss
Mit einem leichten, jedoch keinesfalls hämischen Grinsen im Gesicht erinnerten die beiden LSAP-Bürgermeister am Ende unseres Gesprächs noch daran, dass der heutige Energieminister Claude Turmes in den 90er-Jahren seinen Einstieg in die Politik als Sprecher einer Bürgerinitiative machte, der es gelang, eine neue Hochspannungsleitung in der Nähe von Diekirch zu verhindern. „Turmes ist nun in der gleiche, Lage wie sein grüner Parteikollege Bausch, der vor vielen Jahren vehement gegen den Bau der Nordstraße wetterte und als damaliges Mitglied der GAP (,Gréng Alternativ Partei’) mit Slogans wie ,Nordstraße = Mordstraße’ in seinem wollenen Rollkragenpulli auf die Barrikaden stieg, diese aber am 23. September 2015 als Minister für Mobilität und öffentliche Bauten gegen seine Überzeugung als grüner Politiker und im besten Zwirn eröffnen musste. Als früherer Gegner von Hochspannungsleitungen wird es nämlich interessant zu sehen, wie Turmes einerseits den Anrainern der neuen 380-kV-Leitung erklären will, dass ‚Elektrosmog’ nun doch nicht so gefährlich ist … und andererseits muss er Antworten dazu geben, wie vertretbar neue Hochspannungstrassen und eine 13 Hektar große Umspannungsanlage im ‚geheiligten Grünewald’ sind.“
- Auf dem Weg Richtung Referendum: Bürgerinitiative gibt sich optimistisch - 19. November 2024.
- Rösterei und Kaffeehaus „Collette Coffee Craft“: Sandra und Thomas bitten zum Kaffee - 28. Oktober 2024.
- Mehr Raum für Aufenthalts- und Lebensqualität: Änderungen am Diekircher Mobilitätskonzept - 15. Oktober 2024.
Seit wann stehen denn beide Bürgermeister unter Strom? Mir war bisher nur bekannt, dass das Lorentzweiler Oberhaupt ( selbsternannter Regent ) permanent unter Strom steht.
Sehr gut geschriebener Artikel !!
Besser kann man die Sichtweise der grünen Soziopathen nicht erklären !!!
Weiter so.
Den beiden Herren ist sehr wohl bewusst, dass wir Strom importieren müssen, nur darf die Hochspannung nicht ihre Territorien überqueren. Auf der einen Seite fördern sie den rasanten und verantwortungslosen Anstieg ihrer Bevölkerung, es wird gebaut auf Teufel komm raus, auf der anderen Seite geben sie sich grüner als die Grünen. Das nennt man puren Opportunismus.