Vëlosummer / Zwei Deutsche im Wilden Westen: Wenn Vater und Sohn in Luxemburg Rad fahren
Den „Vëlosummer“-Reporter verschlug es am Wochenende tief in den Westen, in die Nähe der belgischen Grenze. Teil zwei des Tageblatt-Routentests, dieses Mal mit der Strecke „Wëlle Westen meets Beachdref“ – 50 idyllische Kilometer bei mittlerem Schwierigkeitsgrad.
Unsere Serie zum Vëlosummer
Das Tageblatt fährt in insgesamt fünf wöchentlichen Serienteilen je eine Vëlosummer-Fahrradstrecke – und probiert sich dabei durch die fünf verschiedenen Schwierigkeitsgrade der Touren. Der Autor oder die Autorin schildert nach der Fahrt seine/ihre Eindrücke von der Strecke, damit unsere Leser sich ein Bild von den Schwierigkeitsstufen und der Art der jeweiligen Routen machen können. Dies ist Teil zwei der Serie, „Wëlle Westen meets Beachdref“. Alle Routen sind unter www.visitluxembourg.com/de/velosummer abrufbar.
Nach der siebten Herde höre ich auf zu zählen, bremse langsam ab und halte am Straßenrand. Vor mir streckt sich eine Kuh im Schatten aus, dahinter ziehen sich Felder bis zum sanft geschwungenen Horizont. Saftig grüne Maisstauden wanken im Wind, das Getreide lässt seine schweren, erntereifen Ähren hängen. Der „Wëlle Westen“, der Wilde Westen, so nennen die Einheimischen dieses Land. Friedlicher Westen, denke ich mir, während ich der Kuh beim Kauen zuschaue. Ein Ort für Cowboys, vielleicht, aber der ganze Western-Rest? Neben mir steigt mein Vater vom Sattel. Ein Schluck aus der Wasserflasche, dann geht es weiter. Zwei Deutsche, auf Rennrädern, unterwegs im Wilden Westen Luxemburgs.
„Wëlle Westen meets Beachdref“, so lautet der Name der zweiten Vëlosummer-Strecke, die das Team Tageblatt in diesem Sommer in Angriff nimmt. Eine 52 Kilometer lange Schleife rund um Redingen, nahe der belgischen Grenze. Einsteigen könnte man überall, doch empfiehlt sich der offizielle Startpunkt: ein Park-and-Ride-Parkplatz in Schwebach, ziemlich genau auf halber Strecke zwischen Redingen und Mersch. Als wir nach anderthalb Stunden Anfahrt am Samstagvormittag auf den Parkplatz rollen, sind schon fast alle Plätze besetzt. Der Wind hat die Wolkendecke aufgebrochen, die Sonne wärmt, ohne zu überhitzen. Perfektes Fahrradwetter.
Wir steigen auf die Rennräder, der „Wëlle Westen“ ist bestens asphaltiert. Im Laufe des Vormittags begegnen uns einige Gleichgesinnte, doch die Mehrzahl der Vëlosummer-Radler ist elektrisch unterwegs. Die Strecke gibt beides her: sportlich schnell oder gemütlich touren. Ein bisschen Ausdauer (vor allem wenn man ohne Unterstützung fährt) ist notwendig, den ganzen Vormittag geht es einen Hügel hinab und den nächsten wieder hinauf.
Nach zehn Kilometern rauschen wir – angefixt vom guten Straßenbelag – so schnell durch Buschdorf, dass wir den namensgebenden „Beachdref“, eine Sandstrandbar, verpassen. Es sollte die einzige nicht sofort verständliche Beschilderung des Tages bleiben. Egal, für eine Saloon-Pause war es sowieso noch zu früh. Es geht weiter über Feldwege, nur unterbrochen von kurzen Passagen auf größeren Straßen. Dort herrscht entweder wenig Verkehr – oder sie wurden extra für den Vëlosummer abgesperrt. Wie der Aufstieg hinter Ell und die folgende Abfahrt nach Beckerich. Immer ein besonderes Highlight, ohne Auspuffgase klettern und ohne Autoverkehr auf der anderen Seite auf der ganzen Breite der Straße abfahren zu können.
Gerade als ich mich an das wogende Auf und Ab der Felder gewöhnt habe, überrascht die Tour mit einem Stimmungswechsel. Statt des nächsten Bauernhofs rückt auf einmal der Turm der Burg Useldingen ins Blickfeld. Auf Kopfsteinpflaster führt die Route in einem kleinen Bogen am Wasserlauf der Attert vorbei direkt durch den Garten der Anlage. Ein 360-Grad-Burgpanormama samt kurzem Anstieg mit Paris-Roubaix-Feeling. Während ich aus dem Sattel gehen muss, schnurrt eine ältere Dame auf dem E-Bike lässig an mir vorbei und lässt mich im Staub von Useldingen stehen.
Der Tag wird warm, der nächste Hügel. Ich sehe über mir schon die Geier kreisen, die sich bei genauerer Betrachtung doch als heimische Greifvögel entpuppen. Immer wieder wird es kurz giftig, Steigungen von zwölf Prozent, eine kleine Rampe gar mit 17. Nur nicht stehen bleiben. Aber alles halb so wild. Der „Wëlle Westen“ ist abwechslungsreich und anspruchsvoll, aber auch für Gelegenheitsbiker zähmbar. Vor allem, wenn einen der Rückenwind über die vielen Feldwege schiebt. Bei Gegenwind wünscht man sich jedoch den einen oder anderen Baum als Windschutz, den es aber bis auf eine Waldpassage nicht wirklich gibt.
Mein Vater, erfahrener RTF-Fahrer in Deutschland, lobt mehrfach die Beschilderung der Luxemburger. An jeder noch so kleinen Weggabelung hängt weithin sichtbar ein Vëlosummer-Richtungspfeil. Zudem wurde das Logo in regelmäßigen Abständen mit einer Schablone auf den Boden gesprüht. Zwar habe ich im Vorfeld die GPS-Daten von der Vëlosummer-Webseite auf meinen Radcomputer geladen (auch ein super Service), brauche das Navi aber in keiner Sekunde. Der Wilde Westen, er ist in dieser Hinsicht ganz und gar nicht wild und unerforscht, sondern makellos kartografiert.
Nach knapp zweieinhalb Stunden und einer kurzen Foto-Session im Maisfeld rollen wir wieder auf den Parkplatz. Der Wilde Westen ist bezwungen. Und mehr als einen kleinen Sonnenbrand hat es nicht gekostet. Mein Fazit fällt sehr positiv aus: Der „Wëlle Westen meets Beachdref“ ist eine nahezu perfekte Strecke für viele unterschiedliche Geschmäcker. Landschaftlich wunderschön, das Profil abwechslungsreich. Sehr gut geeignet für leidenschaftliche, halbfitte Rennradfahrer, die darüber jammern, dass sie zu wenige Kilometer in den Beinen haben (plus zu viele Kilos über den Beinen) und deshalb ständig ihrer Form hinterherfahren. Aber auch für alle anderen ist das Profil mit E-Antrieb und etwas mehr Zeit (die Vorgabe sind großzügige vier Stunden) ebenfalls sehr machbar. Die GPS-Daten von ein paar anderen Vëlosummer-Touren habe ich schon mal runtergeladen. Der Norden reizt mich, eines Tages, mit mehr Training. Wenn die Strecken dort nur halb so schön sind wie der „Wëlle Westen“, lohnt sich selbst die lange Anfahrt aus Deutschland.
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