Quereinsteiger / Zwei Luxemburger produzieren Tofu mit heimischen Sojabohnen
Tofu made in Luxembourg. Gibt’s nicht, geht nicht, schmeckt nicht? Ben Christmann und Eric Herber beweisen aus ihrem Keller in Givenich das Gegenteil. Ein Besuch beim ersten Luxemburger Tofuproduzenten.
Schmeckt nicht, schmeckt nach Karton oder abgehalfterter Schuhsohle – um kein Lebensmittel ranken sich so viele Vorurteile wie Tofu. Ben C. und Eric H. räumen mit ihrem neu gegründeten Unternehmen Luxsoy damit auf. Die beiden Luxemburger produzieren die asiatische Spezialität nämlich jetzt auf Luxemburger Boden aus Luxemburger Sojabohnen. Damit sind sie wahre Pioniere: Luxemburger Tofuproduzenten sucht man im Großherzogtum nämlich bisher vergebens.
Immer mehr Konsumenten greifen auf pflanzliche Lebensmittel zurück. Etwa die Hälfte der in Luxemburg wohnenden Menschen essen laut TNS Ilres bewusst weniger Fleisch – und knapp ein Fünftel hat dies noch vor. Das war vergangenes Jahr das Resultat einer vom Landwirtschaftsministerium in Auftrag gegebenen Umfrage, die das Meinungsinstitut bei etwa 1.500 Menschen durchgeführt hat. Industriell hergestellte Fleischalternativen gibt es in den Supermarktregalen mittlerweile genug – artisanale und vor allem lokale Produkte sucht man allerdings vergebens. Ben Christmann (38) und Eric Herber (37) sehen dort ihre Chance. Mit ihrem Unternehmen „Luxsoy“ produzieren sie Tofu aus luxemburgischen Sojabohnen. Damit sind sie die Einzigen im Großherzogtum.
„Viele Menschen sind bei Tofu skeptisch – jetzt kann ich sie mit unserem Produkt vom Gegenteil überzeugen und das ist uns auch schon bei richtigen Fleischessern gelungen“, sagt Eric, der eigentlich gelernter Sozialarbeiter an einer internationalen Schule ist. Er isst weiterhin Fleisch, hat seinen Konsum allerdings aus Gesundheits- und Umweltgründen reduziert. Das Vorurteil, Tofu würde nach nichts oder Pappe schmecken, halten die beiden Unternehmer für Unsinn. Auf die Zubereitung komme es an. Eric weiß, wovon er spricht: Bis Ben ihm gezeigt hat, wie man Tofu verwendet, mochte er das Sojaprodukt auch nicht. Nun isst er es leidenschaftlich gern.
Ben ernährt sich hingegen seit etwa einem Jahr komplett vegan. Er konnte sich ebenfalls nicht sofort mit dem weißen Block anfreunden und musste erst lernen, wie man damit in der Küche umgeht. Frischen Tofu haben die beiden Freunde nicht in Luxemburg gefunden. Also haben sie es selbst versucht und schnell gemerkt, dass selbst-gemacht doch am besten schmeckt. Daraus ist die Idee für „Luxsoy“ entstanden.
Wie wird Tofu produziert?
Ben und Eric waschen die Sojabohnen und weichen sie dann über Nacht ein. Am nächsten Tag fischen die beiden die Schalen der Bohnen, die sich zum Teil gelöst haben, heraus. Würden sie das nicht machen, würde der Tofu stärker nach Soja schmecken. „Dafür nehmen wir uns viel Zeit, weil der Geschmack des Endproduktes wesentlich besser wird“, sagt Eric. Danach kommen die Bohnen in eine spezielle Mühle, die daraus Sojamilch und ein Puder namens Okara herstellt. „Für uns ist das momentan noch ein Abfallprodukt, das wir als Dünger benutzen. Daraus könnte man allerdings noch viele verschiedene Produkte herstellen, was wir auch irgendwann vorhaben“, sagt Ben.
Die Sojamilch wird aufgekocht, wieder abgekühlt und dann wird ihr ein natürliches Gerinnungsmittel hinzugefügt. Das ist üblicherweise Calciumsulfat oder Nigari, das aus Meerwasser gewonnen wird. „Luxsoy“ benutzt eine Mischung aus beiden. Wie beim Käse teilt sich die Masse dann in flüssige Molke und eine Art Quarkmasse. „Diese wird gepresst und dann hat man einen fertigen Tofublock“, sagt Ben.
Tofu aus dem Keller
Die beiden Unternehmer haben vergangenen Oktober entschieden, das Unternehmen zu gründen. Das Timing passte, denn die Luxemburger Sojabohnen wurden kurz davor geerntet. Viel Zeit sich zu hinterfragen blieb dann auch nicht mehr. Die Sojaernte war bereits eingefahren. Mit dem Betrieb „Biojos“ haben die beiden einen Bauern gefunden, der ihnen die getrockneten Bohnen verkauft. Im November fanden sie dann den perfekten Produktionsort: den Keller von Ben in Givenich. Dafür mussten sie eine komplett neue Küche installieren, die allen professionellen Hygienestandards entspricht. Ein Prozess, der nicht so einfach war. Wo müssen Fliesen hin? Welches Waschbecken ist nötig? Wie sieht es mit der Abzugshaube aus? „Das sind viele Kleinigkeiten, die du nicht weißt, wenn du nicht aus dem Bereich kommst“, sagt Ben. Die Renovierungsarbeiten dauerten bis Februar. „Und wir sind immer noch am Optimieren“, sagt Eric.
Fünf Monate nachdem sie sich entschieden hatten, ihre Idee in die Tat umzusetzen, wurden in Givenich erste Experimente durchgeführt. Für die kommerzielle Produktion mussten sie eine spezielle Mühle aus China bestellen. Auch hier war das Motto: „Learning by doing“. „Wir wussten nicht einmal, wo die Bohnen eingefüllt werden“, sagt Eric. Die nötigen Rezepte und Anweisungen fanden die beiden im Internet, in Büchern und auch in Gesprächen mit erfahrenen Tofu-Produzenten. Konsistenz, Geschmack, Zutaten – alles wurde hinterfragt und getestet. „Ben ist Statistiker, er hat akribisch jedes Detail der Experimente aufgeschrieben“, sagt Eric. Ihre Freunde und Familie dienten als Testkaninchen und gaben ihnen – vor allem positives – Feedback.
„Unser Tofu schmeckt uns sehr gut und wir haben auch die Bio-Zertifizierung erhalten“, sagt Eric. „Jetzt können wir starten“, fügt Ben begeistert hinzu. Bisher haben sie noch keinen Cent mit ihrem Sojaprodukt verdient. Wie viel sie investiert haben, wollen die beiden nicht verraten. „Wir haben unser Budget komplett gesprengt“, gibt Ben allerdings zu.
25 Kilo pro Tag
Sorgen scheinen sie sich trotz der bisher investierten Zeit und dem ausgegebenen Geld nicht zu machen. „Wir haben schon Kunden, von denen wir wissen, dass sie interessiert sind“, sagt Ben. Ihre Zielgruppe sind nicht Privatleute, sondern Restaurants, Kantinen und Kindertagesstätten. Momentan kann „Luxsoy“ allerdings nur 25 Kilogramm Tofu pro Tag produzieren – Großkunden kommen also noch nicht infrage. Das Unternehmen wolle organisch wachsen und sich am Anfang nicht übernehmen.
Die Quereinsteiger wollen nach den Sommerferien mit der Produktion und dem Verkauf beginnen. „Wir werden uns im September nochmal mit unseren Kunden an einen Tisch setzen – uns ist wichtig, dass wir komplett transparent mit ihnen sind und genau erklären, wie viel die Produktion kostet“, sagt Eric. „Wenn es uns nur ums Geld gehen würde, dann hätten wir etwas komplett anderes gemacht“, meint Ben.
Die beiden Unternehmer haben den Kilopreis für ihren Tofu noch nicht festgelegt. „Wir wollen ein faires Produkt herstellen“, sagt Eric. Nur so sei es möglich, dem Personal, das sie irgendwann einstellen wollen, ein gerechtes Gehalt auszuzahlen „Wir produzieren in Luxemburg, wir können bei den Preisen nicht mit einem industriell hergestellten Produkt mithalten“, fügt Ben hinzu.
Aber ihr Tofu sei auch nicht mit dem Produkt aus dem Supermarkt zu vergleichen. „Der industriell hergestellte Tofu ist üblicherweise etwas bröselig, unserer hat eine cremigere Textur und ist trotzdem fest“, sagt Ben. Prinzipiell seien die beiden allerdings bereit, die Festigkeit und andere Merkmale an die Wünsche der Kunden anzupassen.
Tofu-Produktion als Nebenverdienst
Wie bei jedem Lebensmittelprodukt sind die beiden Unternehmer von der Landwirtschaft abhängig – und die Wetterbedingungen für den Anbau von Soja sind in Luxemburg nicht perfekt. Wobei sich das mit dem Klimawandel durchaus verändern könnte. Wie die diesjährige Sojaernte ausfallen wird, sei allerdings noch unklar. „Bisher war das Wetter wirklich nicht ideal“, sagt Eric. Zur Sicherheit haben die beiden sich auch bei anderen möglichen Produzenten in der Großregion umgehört. „Aber wir wollen natürlich auf jeden Fall Luxemburger Sojabohnen benutzen“, sagt Ben. Notfalls können sie auch noch auf die Reserve vom vergangenen Jahr zurückgreifen. Getrocknete Sojabohnen könnten sich zwei Jahre halten.
Das Ziel der beiden Unternehmer ist jedenfalls klar: „Wir wollen zwei bis drei Mitarbeiter einstellen, damit auch an Wochentagen produziert werden kann“, sagt Ben. „Luxsoy“ soll mehr Leidenschaft als Beruf bleiben – die Quereinsteiger wollen weiterhin ihrem Hauptberuf treu bleiben. „Sogar wenn das hier nicht funktionieren sollte, wir hatten Spaß“, meint Eric. „Und dümmer sind wir auch nicht geworden“, fügt Ben hinzu.
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