Grenzregion / Zwei neue Reaktoren in Cattenom? So wahrscheinlich ist die Erweiterung des Kraftwerks
Frankreich baut wieder neue Atomreaktoren – und der Bürgermeister von Cattenom hätte gerne zwei davon. Ob das Kernkraftwerk nahe der Luxemburger Grenze diese auch erhält, ist allerdings eine andere Frage. Das Tageblatt hat nachgeforscht.
Es ist so weit: Gut 100 Tage später als zunächst geplant gehen in Deutschland am Samstag die letzten Atomkraftwerke vom Netz. Gleichzeitig will Frankreich für seine Energieversorgung hingegen künftig stark auf die Atomkraft setzen. Bis 2050 wird der Bau von 14 neuen Kraftwerken geprüft. Der Bürgermeister von Cattenom, Bernard Zenner, hat kürzlich vorgeschlagen, zwei davon in dem französischen Ort nahe der Grenze zum Großherzogtum unterzubringen. Das erklärte er im Sender France Bleu Lorraine Nord. In Cattenom steht bereits ein Atomkraftwerk des französischen Betreibers „Électricité de France“ (EDF) mit derzeit vier Reaktoren.
Doch: „Cattenom steht derzeit nicht auf der Liste der vorgeschlagenen Reaktoren.“ Das schreibt die EDF auf Tageblatt-Nachfrage. Die möglichen Standorte der ersten sechs Reaktoren stehen nämlich schon fest. „In ihrem Vorschlag sieht die EDF vor, das erste Paar in Penly am Meer zu errichten“, schreibt EDF. Der Bau dieser Reaktoren, deren Inbetriebnahme für 2035-2037 vorgesehen ist, soll Ende 2027 beginnen. „In einer zweiten Phase könnten die beiden Paare in Gravelines am Meer und in Le Bugey oder Le Tricastin an einem Flussufer gebaut werden.“ Die Reaktoren sollen an bestehenden Nuklearstandorten oder in deren unmittelbarer Nähe gebaut werden.
Wo die anderen acht Reaktoren gebaut werden sollen, sei noch nicht klar. Überhaupt habe der französische Präsident Emmanuel Macron bis jetzt nur bei der EDF Machbarkeitsstudien gefordert. „Die Auswahl der Standorte, die vorgeschlagen werden sollen, wird sich auf eine Reihe technischer Kriterien stützen – verfügbares Land, Kapazität zur Entsorgung der erzeugten Energie, Kühlkapazität, Erdbebengefährdung usw.“, schreibt die EDF dem Tageblatt. Über diese technischen Kriterien hinaus werde auch die Unterstützung der regionalen Verwaltungen ein entscheidender Faktor bei der Auswahl der potenziellen Standorte sein. Wann diese Studien abgeschlossen sind, konnte die EDF-Pressesprecherin nicht sagen.
„Eine rein wirtschaftliche Entscheidung“
Der Kommentar von Bürgermeister Zenner hat auf Luxemburger Seite jedenfalls sofort Reaktionen hervorgerufen. „Gemäß ihrer Anti-Atomkraft-Position erklärt die Regierung der französischen Regierung regelmäßig, dass sie gegen die Nutzung der Kernenergie ist“, schreibt Energieminister Claude Turmes („déi gréng“) in einer parlamentarischen Antwort.
Auch Greenpeace hält erwartungsgemäß „nicht viel“ von diesem Vorhaben, so Roger Spautz, Atom-Campaigner bei Greenpeace Luxemburg. „Cattenom wird irgendwann abgeschaltet, das ist sicher – Bernard Zenner hat die Hand ausgestreckt, damit, wenn die acht weiteren Reaktoren gebaut werden, auch welche nach Cattenom kommen“, sagt Spautz dem Tageblatt gegenüber. Laut Spautz handele es sich bei dem Wunsch nach zwei weiteren Reaktoren in Cattenom um eine rein wirtschaftliche Entscheidung. Durch das Atomkraftwerk nehme die Gemeinde viel Geld ein. Tatsächlich hat Bürgermeister Zenner vor zwei Jahren im Gespräch mit dem Tageblatt erklärt, dass das Werk jährlich zwei Millionen Euro in die Gemeindekasse spüle.
„Die Atomreaktoren wurden eigentlich gebaut, um 40 Jahre zu funktionieren – nach 40 Jahren müssten sie also abgeschaltet werden“, sagt Spautz. Die vier Reaktoren in Cattenom wurden 1986, ’87, ’90 und ’91 errichtet – würden die Betreiber sich also an die 40 Jahre Maximallaufzeit halten, von der Spautz spricht, müsste das komplette Atomkraftwerk 2031 stillgelegt werden.
„Das Kernkraftwerk Cattenom ist ein junges Kraftwerk, das sehr leistungsfähig ist und sicher operiert. Die Kraftwerke haben keine Altersgrenze, müssen aber eine zehnjährige Inspektion absolvieren“, schreibt die EDF hingegen. „Wann ist ein Atomkraftwerk alt?“, fragte Zenner vor zwei Jahren. Seit Februar 2021 investiert EDF rund 200 Millionen Euro in die technische Modernisierung des Blocks drei. „Das machen sie nicht, wenn es sich nicht mehr lohnt“, sagte Zenner. Der Block werde für die nächsten zehn Jahre fit gemacht.
Reparaturen sind keine Lösung
Trotz Nachrüstungen kann ein alter Reaktor nie so sicher sein wie ein neuer Reaktor, meint Spautz. In Frankreich laufe eine Reihe Reaktoren mit einer Leistung von 900MW schon seit 40 Jahren. Bei diesen müsse jetzt entschieden werden, ob die Laufzeit verlängert wird. Auch bei den 1.300MW-Reaktoren würden verschiedene bald die Altersgrenze erreichen – darunter auch der Reaktor 1 in Cattenom, der 2026 seinen vierzigsten Geburtstag feiert.
In den vergangenen 50 Jahren hat es in Frankreich mehrere Generationen von Kernreaktoren gegeben. Die 56, die derzeit laufen, sind Druckwasserreaktoren. Das Kühlsystem wird mit unter Druck stehendem Wasser betrieben. Mit dem EPR bleibt man beim gleichen System, doch es soll leistungsfähiger sein.
Der erste EPR-Reaktor in Frankreich wird momentan in Flamanville gebaut – der Baubeginn war am 3. Dezember 2007. Heißt: Die EDF werkelt wegen etlicher unvorhergesehener Probleme schon seit 16 Jahren am Reaktor. Die Arbeiten sollen nächstes Jahr fertig werden. Und: Die Projektkosten sind von den ursprünglich geplanten 3,3 Milliarden Euro auf 13,2 gestiegen. Im Juli 2020 wurde ein Bericht publik, wonach sich die bis dato bekannten Gesamtkosten des Reaktors auf etwa 19,1 Milliarden Euro erhöhen sollen.
Die 14 neuen Reaktoren – und damit auch diejenigen, die Zenner in Cattenom haben will – sollen vom Modell EPR2 sein. Der EPR2 soll diese Schwierigkeiten berücksichtigt haben und EDF versichere, dass es besser laufen wird. Bei den neuen EPR-Reaktoren seien sie einen „Schritt zurückgegangen“, meint hingegen Spautz. Das Design sei vereinfacht worden, um den Bau zu beschleunigen.
Atomkraftwerke in Belgien
Die belgische Regierung hat beschlossen, die Laufzeit der beiden Kernkraftwerke Doel 4 und Tihange 3 um zehn Jahre zu verlängern. Das Kernkraftwerk Tihange bei Huy liegt 66 Kilometer von der luxemburgischen Grenze entfernt – Doel liegt nahe Antwerpen. Beide gingen 1985 in Betrieb. Nach dem Atom-Ausstiegs-Gesetz von 2003 sollten beide eigentlich im Jahr 2025 abgeschaltet werden.
Derzeit findet eine öffentliche Konsultation über die Laufzeitverlängerung statt. Dazu können Bürger die Umweltverträglichkeitsprüfung einsehen. Meinungen können bis zum 20. Mai abgegeben werden – auch Interessierte aus Luxemburg können daran teilnehmen. Ursprünglich war geplant, alle belgischen Kernkraftwerke bis 2025 vom Netz zu nehmen. Aufgrund des Ukraine-Kriegs sollen die beiden Reaktoren nun jedoch weiterlaufen. Der Netzbetreiber Elia hatte für die Winter 2025-2026 und 2026-2027 vor einem potenziellen Engpass in der Stromversorgung gewarnt. Daher sei eine zusätzliche Versorgung mit Atomstrom erforderlich, berichtete Belga.
Atomenergie nicht die Antwort auf die Klimafrage
Die Atomindustrie argumentiert laut Roger Spautz gerne, dass Atomenergie essenziell im Kampf gegen den Klimawandel sei. „Unabhängig von Sicherheitsrisiken und der Lagerung der atomaren Unfälle: Um einen Reaktor zu bauen, benötigt man knapp 15 Jahre, und wenn man etwas für das Klima machen will, dann kommen die neuen Reaktoren zu spät“, sagt Spautz. Bei einem Baubeginn 2028 könne man dann erst mit dem Abschluss der Arbeiten im Jahr 2040 rechnen. „Um das Klima zu retten, muss sich bis spätestens 2030 etwas an der Energieproduktion verändert haben“, sagt Spautz. Die Atomenergie sei also viel zu langsam. Der Bau eines Reaktors sei außerdem wesentlich teurer als die Installation von erneuerbaren Energieträgern.
Doch was könnte Luxemburg überhaupt unternehmen, falls zwei neue Reaktoren ihren Weg nach Cattenom finden? „Jedes Land kann seine Energiepolitik selbst entscheiden, aber andere Länder müssen nun politische und juristische Schritte zum Ausbremsen der atomaren Erweiterung und Verlängerung überprüfen“, sagt Spautz. So könne man beispielsweise die Risse, die zum Teil in den Reaktoren in Cattenom festgestellt wurden und nun repariert werden, als mögliches Sicherheitsrisiko hervorheben. Mit den Korrosionsproblemen der Reaktoren sei bewiesen, dass immer wieder technische Probleme auftauchen würden. „Einen sicheren Reaktor gibt es nicht“, meint Spautz.
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Ausser Luxemburg und Deutschland setzt die ganze Welt auf AKW’s. Sogar die Japaner bauen neue. Die grüne Welle wird so langsam welk,spätestens nächsten Winter. Holz-und Gasverbrennung ist grün,AKW’s nicht. Da stimmt doch etwas nicht.
Und das Kühlwasser liefert Nestlé in Flaschen Vittel!
An dann krei’en mir Drenkwasser aus de Musel an eisem Krunn !
Nee Merci !!
Nomi,drenkt,eweï ech,Waasser vun Bieckerich,an kemmert iëch um Gottes Wellen nit emt daat waat d’Franzousen wellen maachen,Lëtzeburg meet sech nemmen lächerlich!
Deen grenge do mam Perdsschwanz kann sech elo
no Pareis mam Velo op den
Wee maachen fir dem Macron
ett laafe ze loossen.
Wo soll in nächster Zeit der Strom herkommen. Ein jeder kann mal bei sich zu Hause nachschauen was nicht mit Strom funktioniert
Solange es nicht genug erneuerbare Energie aus Wasserkraft, Solar- und Windanlagen gibt UND solange man die davon erzeugte Energie nicht monatelang speichern kann, sind Atomkraftwerke die einzige Energiequelle, die wir haben, wenn kein CO2 freigesetzt werden soll. Es gibt also 3 Möglichkeiten: Entweder 1. Atomkraftwerke, die manchmal in die Luft fliegen, 2. Klimaerwärmung bis zum Aussterben des grössten Teiles der Menschheit, oder 3. Rückfall in die Steinzeit, auch mit Aussterben des grössten Teiles der Menschheit. Wenn wir nur Solaranlagen und Windmühlen aufrichten, wie die grüne Politik es bis jetzt tut, werden wir noch schneller in der Steinzeit landen und aussterben, weil wir noch vor der Klimakatastrophe komplett verarmt sein werden und das Stromnetz wegen der Dunkelflauten trotzdem zusammenbrechen wird. Die einzige Hoffnung ist die Kernfusion. Aber die passt der grünen Politik auch nicht.
@JJ / Stimmt nicht ganz, Niederlande haben abgeschaltet, Italien, in der Alpenrepublik Österreich sagt mein Freund Herbert, gäbe es auch kein Atomstrom mehr. Die Schweiz ist auch am diskutieren ob oder ob nicht. Bitte nachschauen ob das so stimmt.
Kenne jetzt direkt 2 Haushalte welche autonom übers Jahr sich versorgen (Solarzellen, Wärmepumpen, Akkus).
In der Runde höre ich nix zu den Kosten, z.B. Wartung, Atommüll, bitte mal informieren.
Sogar SHELL ist an Windkraft interessiert, ist das nicht komisch?
Atomstrom ist zu teuer. Die EDF hatte 2022 schon 64 Mrd. Schulden und in der Jahresbilanz 17,9 Mrd Verluste. 100 Mrd Instanthaltungskosten werden in den nächsten Jahren anfallen. Der franz. Staat hält 86 % der Anteile an der EDF und hat 2022 angekündigt auch die restlichen Anteile von Privat zu kaufen. Der angeblich so billige Atomstrom in Frankreich ist also hoch subventioniert und mit verantwortlich für das hohe Staatsdefizit. Ein Endlager für Brennstäbe ist noch nicht in Betrieb, aber in Bure (150 km von der dt. Grenze) geplant und frühestens ab 2040 betriebsbereit.