Menschenrechte / Zwei verschwundene Aktivisten: Die Spur führt nach Luxemburg
Die Geschichte um zwei verschwundene Menschenrechtsaktivisten in Mexiko ist eine, wie sie die Globalisierung und der Wunsch nach unreguliertem Wirtschaften nicht hätte besser schreiben können. Auf der Suche nach Antworten führt die Spur nach Luxemburg. Die Angehörigen der beiden Vermissten machen dafür ein in Luxemburg ansässiges Unternehmen verantwortlich. Seit 7. März gibt es nun eine parlamentarische Anfrage zu dem Thema.
Von Außenminister Jean Asselborn und Wirtschaftsminister Franz Fayot wollen „déi gréng“-Parlamentarier wissen, ob es eine Reaktion des Unternehmens, das mit dem Verschwinden der beiden Männer in Verbindung gebracht wird, gibt. Aus der parlamentarischen Anfrage geht hervor, dass die beiden LSAP-Minister bereits Ende Januar ein Schreiben an die Ternium S.A., die ihren Hauptsitz auf dem Boulevard Royal Nummer 26 angibt, gerichtet hatten.
Die Abgeordneten Stéphanie Empain und Charles Margue bitten um Übermittlung des Inhaltes einer Antwort und fragen nach weiteren Schritten, wenn es keine gibt. Ternium ist ein an der New Yorker Börse gelisteter Stahl- und Bergbauunternehmen, das in Südamerika operiert. Nach eigenen Angaben beschäftigt es rund 20.000 Mitarbeiter. Gegründet wurde die Firma von dem italienisch-argentinischen Milliardär Paolo Rocca (70).
Rocca war 2009 und 2010 Präsident der World Steel Association. Auf seiner Webseite gibt sich das Unternehmen „verantwortungsvoll“, hat nach eigenen Angaben einen „Compliance“-Direktor mit amerikanischer und argentinischer Telefonnummer und nimmt „Sustainability“, also Nachhaltigkeit, sehr ernst. Chef des „Board of Directors“ ist nach eigenen Angaben Paolo Rocca selbst. Das Unternehmen hat einen aktuellen Marktwert von 8,6 Milliarden US-Dollar.
Nach Versammlung gegen Bergbau verschwunden
Zuerst hatte die britische Tageszeitung Guardian über das Verschwinden von Indigenenführer Antonio Díaz Valencia (71) und Menschenrechtsanwalt Ricardo Arturo Lagunes Gasca (41) berichtet. Das war am 20. Januar. In dem Artikel heißt es, dass die beiden Menschenrechtsaktivisten zuletzt nach einer Versammlung gesehen wurden, die die Gemeinde Aquila (Mexiko) gegen den Bergbau veranstaltet hatte. Deren Einwohner machen laut Guardian Ternium für die Umweltzerstörung und Gewalt in der ländlichen Gemeinde verantwortlich.
Außerdem vermuten sie, dass der Konzern Verbindungen zu den Kriminellen hat, die die beiden Menschenrechtsaktivisten entführt haben. In dem Artikel kommen anonymisierte Zeugen zu Wort, die bestätigen, dass die beiden Aktivisten bedroht wurden. Sie waren in einem weißen Honda-Pickup unterwegs, der später von Kugeln durchlöchert, aber unblutig am Straßenrand gefunden wurde.
Anwalt Lagunes vertritt die Aquila-Gemeinde in ihrem Kampf um Entschädigung durch das Unternehmen, dessen Minen angeblich zu Umwelt-, Gesundheits- und Sozialschäden sowie zu Spaltungen und Gewalt in der Gemeinde geführt haben. Der Guardian berichtet, dass das Unternehmen bereits im Januar jegliche Vorwürfe zurückgewiesen hat.
Firma weist jede Verwicklung in den Fall zurück
Die Tageszeitung zitiert einen Unternehmenssprecher, der auf den „umfassenden Sinn für soziale Verantwortung“ des Unternehmens verweist. Wörtlich heißt es: „Ternium ist ein führendes börsennotiertes Unternehmen in der Stahlherstellung in Lateinamerika, das in all seinen Betrieben transparent und unter höchsten Kontrollstandards arbeitet.“ In Luxemburg thematisiert als Erstes die NGO „Initiative pour un devoir de vigilance“ am Rande einer Pressekonferenz die Angelegenheit.
„Dieser Fall zeigt, dass auch die ,Sociétés de participation financières‘ eine Sorgfaltspflicht übernehmen müssen“, sagt Jean-Louis Zeien, der Co-Koordinator der „Initiative“. In der NGO haben sich 17 zivilgesellschaftliche Organisationen zusammengeschlossen, darunter der OGBL. „Bislang ist die Position der Regierung dazu unklar und wir haben Tausende solcher Firmen im Land“, sagt der Co-Koordinator.
Ein Brief, den die NGO am 25. Januar an den Boulevard Royal schickt und in dem sie das Unternehmen bittet, zur Aufklärung beizutragen, bleibt bis heute unbeantwortet. Als auch UN-Experten in Luxemburg Alarm schlagen, veröffentlicht das Unternehmen am 20. Februar ein Statement auf seiner Webseite. Man werde aktiv mit den mexikanischen Autoritäten zusammenarbeiten, um das Verschwinden der beiden Männer aufzuklären, heißt es dort.
Eine weiße Weste sieht anders aus
Ternium bedauert den Zwischenfall und verweist erneut auf seine soziale Verantwortung. Das darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass das Unternehmen schon einmal mit Schwierigkeiten bezüglich seiner sozialen Verantwortung konfrontiert war. 2017 verklagt die globale Gewerkschaftsföderation IndustriALL mit Sitz im schweizerischen Genf den Konzern bei der OECD, weil dieser sich weigert, eine Gewerkschaft in Guatemala anzuerkennen und mit ihr über bessere Arbeitsbedingungen zu verhandeln.
Schlimmer noch: 2012 waren unmittelbar nach der Gründung der Gewerkschaft alle bei Ternium beschäftigten Gründungsmitglieder vor die Tür gesetzt worden. Zwei Jahre später bekommen die klagenden Gewerkschaftler Recht vor Gericht. Sie können nicht nur an ihren Arbeitsplatz zurückkehren, sondern erhalten außerdem den ihnen zustehenden Lohn aus der Zeit. Das will etwas heißen.
Drei Jahre später, im Jahr 2017, steht Guatemala im World Rights Index des Internationalen Gewerkschaftsbundes immer noch auf der Liste der zehn schlimmsten Orte für Arbeitnehmer. Für das Mitglied im UN-Menschenrechtsrat Luxemburg zeigt das einmal mehr, wie wichtig die Diskussion über ein nationales Lieferkettengesetz ist.
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Schöner Artikel