Eigentümer-Register RBE / Zwischen Datenschutz und Geldwäschebekämpfung – ein Luxemburger Balanceakt
Luxemburgs Behörden haben im Februar einmal mehr die Aufmerksamkeit der europäischen Öffentlichkeit erhascht. Allerdings nicht im positiven Sinne. Das deutsche Nachrichtenmagazin Spiegel und die österreichische Tageszeitung Standard berichteten am 24. Februar, dass Justizministerin Sam Tanson („déi gréng“) Beunruhigendes plane: Firmen sollen nicht nur auf Antrag über Journalisten-Recherchen zu ihren Einträgen im Register für Wirtschaftliche Eigentümer (RBE) informiert werden. Nein, Luxemburg „will möglicherweise noch einen Schritt weiter gehen“: Firmeninhaber könnten von den Behörden bald auch erfahren, wer genau sie da durchleuchtet. Die Berufsgruppe – „oder sogar deren Namen“, wie der Spiegel schreibt.
Vorausgegangen war dem die Abschaltung des „Registre des bénéficiaires effectifs“ (RBE) im November, nachdem der Europäische Gerichtshof Unvereinbarkeiten mit dem Datenschutz moniert hatte. Im Januar sprach der EuGH ein weiteres Urteil, dieses Mal gegen die Österreichische Post. Das teilstaatliche Unternehmen wurde darin dazu verdonnert, einem Kunden mitzuteilen, an wen genau es seine Daten weitergereicht hatte.
Plant die Luxemburger Regierung, Daten von Journalisten an Unternehmen weiterzugeben? An Akteure, deren „bénéficiaires“ vom Kegelclub-Präsidenten über Finanzhaie und Baulöwen bis hin zu russischen Oligarchen reichen? Das Justizministerium dementiert und behauptet, dass Spiegel und Standard den Sachverhalt nicht richtig wiedergeben. Die Luxemburger Datenschutzkommission sekundiert der Behörde. Präsidentin Tine Larsen sagt, dass Journalisten in Sachen Datenschutz eine Ausnahme darstellten, die auch gesetzlich begründet werden könnte.
Klar ist: Für die breite Öffentlichkeit wird das RBE wohl geschlossen bleiben.
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Die Vorgeschichte
Das „Register der wirtschaftlichen Eigentümer“ – kurz RBE – wurde Anfang 2019 geschaffen, weil Luxemburg internationale Transparenzstandards und EU-Vorgaben umsetzen wollte. Konkret ging es um die Geldwäscherichtlinie „AML 5“. Eintragen mussten sich Unternehmen und Vereine mit Sitz in Luxemburg. Dabei mussten auch Daten zur Eigentümerschaft hinterlassen werden. Daten, die Behörden, NGOs und auch Journalisten unter anderem dafür nutzen konnten, illegalen Machenschaften auf die Spur zu kommen.
Franz Fayot (LSAP), damals Berichterstatter zum entsprechenden Gesetz, nannte das Register „ein Instrument der Transparenz und im Kampf gegen Geldwäsche“. Für Luxemburg sei eine schnelle Umsetzung der entsprechenden EU-Direktive auch wichtig, um einen „Reputationsschaden“ zu vermeiden.
Spätestens 2021 kam dann die erste große Enthüllung, die auf dem RBE basierte – die Berichterstattung rund um die „Openlux“-Recherche. Ein Konglomerat von Journalisten von 17 unterschiedlichen Medien – darunter die Luxemburger Zeitschrift Woxx – hatte mit Technik-Tools das komplette Register heruntergeladen. Die Daten konnten sie jetzt nicht nur mit Firmennamen scannen, sondern auch mit den Namen von Eigentümern und Beteiligten. Es folgte die Veröffentlichung einer ganzen Reihe von Artikeln, die die unterschiedlichsten Missstände bei einigen Luxemburger Unternehmen publik machten.
Genutzt werden konnte das RBE aber auch für andere journalistische Recherchen. So erklärt das Luxemburger Online-Magazin Reporter in einem Artikel, dass die Recherche über die SuperDrecksKëscht-Affäre ohne Zugriff auf das RBE „kaum möglich“ gewesen wäre. „Das Register erlaubte es, Informationen zu prüfen und Verhältnisse zu klären, die fundamental wichtig sind für alle Arten von Recherchen.“
Noch im Februar 2022 stellte Justizministerin Sam Tanson Pläne für eine Reform von Handelsregister und RBE vor, die die „Zuverlässigkeit der verfügbaren Informationen verbessern“ sollte. Für die breite Öffentlichkeit sollte eine benutzerfreundlichere Website eingerichtet werden.
Die Abschaltung
Nur: Am 22. November wurde das RBE, das bis dahin für jeden öffentlich zugänglich war, abgeschaltet. Der Grund dafür war ein Urteil des Europäischen Gerichtshofes (EuGH). Dieser hatte jene Bestimmung bewertet, nach der private Informationen zu Eigentümern von Unternehmen für die Öffentlichkeit einsehbar sein müssen. Und entschlossen: „Der Zugang aller Mitglieder der Öffentlichkeit zu den Informationen über die wirtschaftlichen Eigentümer stellt einen schwerwiegenden Eingriff in die Grundrechte auf Achtung des Privatlebens und auf Schutz personenbezogener Daten dar.“ Sprich: Das Transparenzregister beißt sich mit dem Datenschutz. Das ist – laut EuGH – nicht die Schuld der Luxemburger Gesetzgebung, sondern der darüberliegenden Direktive, der EU-Geldwäscherichtlinie. In dieser gibt es eine Regelung, die den EuGH stört: „Die Bestimmung, dass die Angaben über die wirtschaftlichen Eigentümer für die Öffentlichkeit zugänglich sein müssen, ist ungültig“, schreibt der EuGH.
Vorausgegangen war dem EU-Urteil ausgerechnet ein Rechtsspruch des Bezirksgerichts Luxemburg. Das war zuvor schon der Ansicht, dass die Verbreitung der Informationen eine Beeinträchtigung der Grundrechte der Eigentümer mit sich bringen könnte. Konkret ging es darum, dass ein Unternehmer seine privaten Daten nicht in der Öffentlichkeit sehen wollte, weil für ihn deshalb ein „unangemessenes Risiko“ entstehe. In der Tat sah das RBE-Gesetz vor, dass in „gut begründeten“ Fällen der Zugang zu Daten für die Öffentlichkeit eingeschränkt wird. Unter anderem nennt das Gesetz Betrug, Erpressung, Entführung, Gewalt, Einschüchterung oder Minderjährigkeit der Nutznießer als mögliche Begründungen solcher Ausnahmen.
Diesem Antrag hatte das Luxembourg Business Register (LBR), das das RBE führt, aber nicht stattgegeben. Der Unternehmer legte gegen die Entscheidung Einspruch ein – und bekam letztendlich vor dem höchsten Gericht recht. Wie Tageblatt-Recherchen ergaben, war er in Luxemburg bei weitem nicht der einzige, der rechtliche Schritte gegen die Ablehnung solcher Anträge eingelegt hatte: Insgesamt hatten 715 Parteien Einspruch erhoben. Zugestimmt hatte das Register laut eigenen Angaben nur Anträgen, bei denen es um den Schutz Minderjähriger ging. Wie viele das waren: unbekannt.
Anschaltung ohne Öffentlichkeit
Wie das Justizministerium im November dem Tageblatt versicherte, war der Zugang für staatliche Akteure wie Behörden, die wegen Geldwäsche ermitteln, nach der öffentlichen Abschaltung nach wie vor über ein eigenes System gewährt. Journalisten und NGOs blieben aber fürs Erste ausgesperrt. Im Dezember erklärte das Justizministerium, dass gemeinsam mit dem Presserat an einer Lösung für Journalisten gearbeitet würde. Seit dem 2. Januar können Journalisten mit einer Luxemburger Pressekarte wieder auf das RBE zugreifen. Dafür muss eine Anfrage beim nationalen Presserat eingereicht werden, der Zugang erfolgt dann über das LuxTrust-System.
Damit waren die datenschutzrechtlichen Probleme aber bei weitem noch nicht geklärt. Zum Beispiel ist nicht klar, wie der Zugang für Journalisten aus dem Ausland geregelt werden soll. Für das Justizministerium stellt sich hierbei derzeit die Frage, wie verifiziert werden kann, ob die Anfragenden tatsächlich Journalisten sind. Anfang Februar sorgte zudem eine Stellungnahme von Sam Tanson vor dem Justizausschuss der Chamber für neuerliche Aufregung.
Darin berichtete die Justizministerin über die „jüngsten Entwicklungen in Bezug auf die Anpassung der Zugangsregeln, die nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs erforderlich sind“. Unter anderem arbeite ihr Haus an einem neuen Gesetz zum RBE, das das EuGH-Urteil berücksichtigt. Der Bericht aus der Chamber endete mit einer explosiven Nachricht: Demnach wollten Abgeordnete der Opposition wissen, ob eine Person, die RBE-aufgeführt ist, über die Abrufe ihrer Daten im Register informiert würde. Und die Ministerin antwortete, dass diese Information auf Anfrage tatsächlich erteilt würde.
Das Recht auf die eigenen Daten
Warum der EuGH in seinem Urteil im November so rigoros reagiert hat und direkt einen Teil der Geldwäscherichtlinie gekippt hat, liegt an einem anderen großen EU-Projekt: der berühmten Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO). Diese gilt seit Mai 2018 in ganz Europa. Zuvorderst soll damit geregelt werden, wie Unternehmen und andere Akteure mit personenbezogenen Daten umgehen dürfen, also den Daten von echten Menschen. Und in diese Kategorie fallen eben auch die Unternehmer, die im Eigentümerregister eingetragen sind. „Jeder Bürger hat ein Recht auf Datenschutz, das ist ein Grundrecht“, erklärt Tine Larsen. Sie ist die Präsidentin der Luxemburger Datenschutzkommission, jenem Gremium, das über die Einhaltung der DSGVO in Luxemburg wacht. „Man kann nicht sagen, dass man als Eigentümer einer Firma weniger Grundrechte hat als andere.“
Das RBE wurde im Zuge der fünften EU-Geldwäscherichtlinie geschaffen. Laut Larsen habe diese bereits einen sehr breiten Zugang zum Register erlaubt. „Aber Luxemburg ging noch weiter“, sagt die Datenschützerin. Springender Punkt in der jetzigen Diskussion ist Artikel 15 der DSGVO. Der räumt Betroffenen, deren Daten wie auch immer verarbeitet wurden, ein Auskunftsrecht darüber ein. Und falls von diesem Auskunftsrecht Gebrauch gemacht wird, muss der Verantwortliche ihnen „personenbezogene Daten“ liefern – unter anderem zu den „Empfängern oder Kategorien von Empfängern“ der Daten. Sprich: Fragt der Eigentümer eines Unternehmens beim RBE, ob jemand seine Daten eingesehen hat, muss ihm das Register demnach nicht nur das mitteilen, sondern auch, wer, wann, warum welche Daten eingesehen hat
Die Datenschutzkommission kommentierte bereits in ihrem damaligen Avis zum Luxemburger Gesetzesprojekt, dass dem LBR die Möglichkeit gegeben werden müsste, die Datenschutzrechte der Eigentümer zu garantieren. Die Kommission hatte damals eine Protokollierung der Zugriffe gefordert, damit das LBR als Verantwortlicher potenziell die Möglichkeit hat, „allen Rechten der Bürger, die im Register erfasst sind, auch nachzukommen und ihnen Antwort zu geben“. Larsen und die Kommission meinen, dass das Luxemburger Gesetz mit der kompletten Offenlegung weiter als die Geldwäscheverordnung ging. „Man kann ja jedem Zugang geben, theoretisch“, sagt sie. „Aber jeder hat auch ein Recht auf Datenschutz.“ Und das beinhalte eben die Auskunft darüber, wer mit seinen Daten hantiert.
Journalisten-Namen in Oligarchen-Händen?
In der Sitzung der Justizkommission der Chamber im Februar muss irgendwann genau diese Frage aufgekommen sein: Werden die Informationen an die Eigentümer weitergegeben? „Die Antwort ist – ganz krass – ja“, sagt ein Sprecher des Ministeriums. Die Datenschutzgrundverordnung zwinge dazu und auch das EuGH-Urteil besagt das. Aber werden jetzt tatsächlich die Klarnamen von Journalisten vom RBE an die anfragenden Unternehmen weitergereicht, wie Spiegel und Standard schreiben? „Nein“, beteuert der Sprecher. „Die Information ist nicht richtig. Wir wissen nicht, woher die Medien diese Information haben.“ Man habe auf die Artikel auch reagiert und die Medien angeschrieben. Geändert haben die ihre Texte bis jetzt nicht.
Tatsächlich gibt es einen Ausweg aus dem Journalisten-Dilemma. „Es gibt Ausnahmen zum Informationsrecht und Ausnahmen zum Zugangsrecht“, erklärt Tine Larsen. Artikel 62 des Luxemburger Datenschutzgesetzes regele, wie mit Informationen an Journalisten umgegangen werde. In dem Artikel stehe, dass nicht über den Namen der Journalisten informiert werde und auch das Auskunftsrecht differiert und eingeschränkt werden könne. „Ich finde, es ist wichtig zu erwähnen, dass es den Artikel 62 gibt“, sagt Larsen. Der Artikel will bewirken, dass die Quelle der Datenerhebung – also die Journalisten – geschützt sind und „nicht ermittelt“ werden können. Stattdessen müsse das Auskunftsrecht über die Datenschutzkommission und den Presserat ausgeübt werden.
Wie genau eine Auskunft aussieht, wenn ein Journalist Daten abgefragt hat, ist noch unklar. Im Justizministerium hat man offenbar auf dem Radar, dass auch ein Eintrag ohne Name ein „Tipping off“ darstellen könnte. Man überlege sich, wie man sicherstelle, dass die Meinungsfreiheit der Journalisten respektiert werde und der Journalist keine Gefahr laufe, dass er auf irgendeine Weise Repressalien riskiere.
Stress im Ministerium
Derzeit arbeite man im Haus „auf Hochtouren“ an dem Projekt, das RBE abschließend vereinbar mit der Datenschutz-Grundverordnung zu machen. Das ist offenbar kein leichtes Unterfangen. Einerseits müssen dabei sowohl das EuGH-Urteil als auch der noch geltende Teil der fünften Geldwäscherichtlinie berücksichtigt werden. Andererseits müssen auch noch andere Urteile, wie das über die Österreichische Post, zur Kenntnis genommen werden. Und zudem steht Ende des Jahres wohl bereits die nächste Version der Geldwäscherichtlinie ins Haus. „Das ist ganz komplex zu diesem Zeitpunkt“, sagt der Sprecher.
Für die Journalisten gibt es bis jetzt aber scheinbar Entwarnung. Denn noch hat kein Unternehmer von seinem Auskunftsrecht Gebrauch gemacht. „Bis dato sind beim LBR keine Anfragen von Eigentümern eingegangen“, antwortete das Justizministerium vergangene Woche auf Tagblatt-Anfrage. Und: „Solange nicht entschieden ist, welche Informationen herausgegeben werden müssen, werden wir keine Informationen an Eigentümer weitergeben.“
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Also, wenn die Behörde seinen Dienst nicht tut, bleiben nur noch die Journalisten. Geldwäscher gibt es hier im Lande wohl kaum!?
Man ist hin und wieder erstaunt wenn man sieht wie z.B. Leute aus dem Horecasektor sich Sachen leisten, obwohl in der Gaststube nicht viel läuft.
Aus meiner persönlichen Erfahrung nimmt der Datenschutz besonders die Gauner und Falschspieler in Schutz und nimmt dem ehrlichen Bürger die Möglichkeit sich effizient zu wehren!