Luftfahrt / Zwischen Sicherheitsbedenken und Innovation: Luxemburg debattiert über das Ein-Piloten-Cockpit
Das Mobilitätsministerium und der LCGB streiten um das Ein-Piloten-Cockpit. Doch worum geht es überhaupt und was denken die anderen Akteure darüber? Das Tageblatt hat nachgeforscht.
Das luxemburgische Verkehrsministerium und die Gewerkschaft LCGB sind sich derzeit uneinig: Der LCGB warnt davor, kommerzielle Flüge mit nur einem Piloten zuzulassen, während das Ministerium erklärt, dass „das Konzept einer potenziellen Verringerung der Anzahl der Piloten während bestimmter Flugphasen“ lediglich geprüft werde – denn Sicherheit habe stets oberste Priorität.
„Wir stehen am Anfang einer technischen Revolution, von der wir noch nicht sagen können, wann sie kommt, aber sie wird kommen“, sagt Joël Krier, OGBL-Delegierter bei der Cargolux, im Gespräch mit dem Tageblatt. Bei Cargolux-Flügen, die über zwölf Stunden hinausgehen, seien derzeit drei Crewmitglieder an Bord. Eine Person sei auf „Standby“, beziehungsweise im Schlafbereich, und die anderen zwei im Cockpit. Nach den Ideen der Europäischen Union für Flugsicherheit (EASA) solle darüber diskutiert werden, ob ein solcher Flug nicht auch mit zwei Crewmitgliedern möglich wäre: Einer schläft und einer sitzt im Cockpit – und die beiden wechseln sich während des Fluges ab.
Deswegen werde laut Krier eine Diskussion um das „Fatigue Management System“ geführt. Derzeit liefen in diesem Zusammenhang viele Tests und Versuche. Sie beschäftigen sich mit der Frage, wie lange eine Person allein im Cockpit sitzen könne, ohne dass ihr die Augen zufallen. Auch bei Lkw-Fahrern habe es dazu Diskussionen gegeben und es seien entsprechende Regeln eingeführt worden. In der Luftfahrt sei es bisher nicht thematisiert worden, weil immer zwei Personen im Cockpit waren.
Pilotenverband setzt sich zur Wehr
„Das ist der falsche Weg“, sagt Paul Reuter, Mitglied der „Association luxembourgeose des pilotes de ligne“ (ALPL) und Vizepräsident der „European Cockpit Association“ (ECA). Das Projekt der EASA sei aus den falschen Gründen gestartet worden.
Der Flugzeughersteller Airbus wolle den Fluggesellschaften durch die Kampagne für weniger Piloten auf Langstreckenflügen die neue Technik schmackhaft machen „Das löst aber keine Sicherheitsprobleme“, sagt Reuter. Denn während des Reiseflugs, der Flugphase nach dem Steigflug und vor dem Sinkflug, würden die meisten Zwischenfälle passieren.
„Es kommt für uns nicht in Frage, dass mit der Sicherheit gespielt wird“, sagt Reuter. Die Pilotenausbildung sei seit den 1970er Jahren darauf ausgelegt, dass sich immer mindestens zwei Piloten im Cockpit befinden. „Wir verschließen uns nicht dem technischen Fortschritt“, sagt Reuter. Doch man könne das nicht einfach von heute auf morgen ändern. Die angegebene Timeline für das Projekt sei extrem kurz und viele Fragen seien unbeantwortet. Deswegen würden sich weltweit die Verbände dagegen wehren.
Laut Krier sei die Diskussion zur Reduktion der Crewmitglieder im Cockpit keineswegs neu: Die Gespräche laufen bereits seit zehn Jahren. „Es ist eine Evolution, die nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs begonnen hat, als die Luftfahrt angefangen hat, eine richtige Industrie zu werden“, sagt Krier. Anfangs seien fünf Personen im Cockpit gewesen, dann sei die Zahl auf drei Personen reduziert worden. In den 80ern sei dann auch die dritte Person weggefallen.
Auch andere Bereiche betroffen
„Die Frage, die man sich hier stellen muss, ist: Wann kommt es und in welchem Bereich?“, sagt Krier. Er könne sich sehr gut vorstellen, dass zuerst im Frachtbereich Personal reduziert werde. Zum Passagierbereich gehöre nämlich der Faktor Mensch. Die Leute seien es gewohnt, dass zwei Menschen im Cockpit sitzen – und der Aufbau eines Sicherheitsgefühls brauche seine Zeit. „Ich sehe es momentan noch nicht für den Passagiertransport eintreten, aber beim Frachttransport, da wird es passieren“, sagt Krier.
Ein wichtiges Thema bei der Sicherheit im Flugzeug ist auch die Gefahr, die vom Inneren des Cockpits ausgehen könne. Nach den Anschlägen vom 11. September seien neuartige Cockpit-Türen in Flugzeugen eingebaut worden, um das Eindringen unbefugter Personen zu verhindern. Dabei sei auch diskutiert worden, dass Gefahr von innerhalb des Cockpits drohen könnte. Die Politik sei aber nicht darauf eingegangen.
Genau das sei aber schon passiert: Am 24. März 2015 kamen im Germanwings-Flug 9525 nämlich alle 150 Flugzeuginsassen ums Leben. Der Airbus war auf dem Weg von Barcelona nach Düsseldorf, als der unter Depressionen leidende Copilot sich im Cockpit einschloss und das Flugzeug absichtlich in den Sinkflug steuerte, um Suizid zu begehen.
In der Folge habe die EASA neue Maßnahmen geschaffen. Vier Gruppen von Personen tragen laut Krier nun den Status „Critical Personnel“: die „Flying Crew“, die „Cabin Crew“ sowie das Personal der „Load Control“ und der „Maintenance“. „Die vier sind eingeschränkt, was Medikamente angeht, die sie nehmen können, und sie müssen verschiedene medizinische Tests machen“, sagt Krier. In Luxemburg sei dies allerdings noch ein ziemliches Durcheinander: Piloten müssten für die Tests zu Medizinern, die speziell für die Luftfahrt zugelassen sind, während das andere Personal zum normalen Arbeitsmediziner gehen könne.
Billigflüge könnten zu Konkurrenzkampf führen
Auch wenn er derzeit noch nicht von einer Umsetzung im Bereich der Passagierflüge ausgeht, sind Billigfluggesellschaften laut Krier durchaus ein Faktor, der berücksichtigt werden sollte. „Wenn sie merken, dass eine Möglichkeit besteht, um Geld zu sparen und Flüge noch billiger zu machen, sie die Genehmigung erhalten, mit nur einer Person zu fliegen, das Cockpit so umgebaut ist, dass es machbar ist, und wenn sie grünes Licht von der EASA erhalten, dann entsteht ein Konkurrenzkampf“, sagt Krier. Derzeit betreffe die Debatte Langstreckenflüge – was die Zukunft bringe, wisse aber niemand. Airbus zum Beispiel sei, zumindest was die Technik angeht, bereits so weit, die Personalreduktion umsetzen zu können.
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