Luxemburg / Zwischen Technobeats und Nadelstichen: Die Impfparty im „Atelier“
Am vergangenen Mittwoch fand im „Atelier“ die erste Impfparty im Land statt. Das Ziel dahinter: Jüngere dazu zu bewegen, sich immunisieren zu lassen oder sich näher über die Impfung zu informieren. Das Event hatte Erfolg, doch zu einigen Dingen herrschte Verwirrung bei den Gästen und Organisatoren.
Die Schlange vor dem hinteren Eingang des Busses ist lang. Die Menschen stehen in Grüppchen zusammen oder warten alleine, viele blicken mit gesenktem Kopf auf ihr Handy und scrollen gelangweilt durch die auf 5-Zoll-Displaygröße zusammengeschrumpfte Welt des Internets. Über ihnen funkelt die Augustsonne, gerade heute strahlt sie heißer, gnadenloser als in den vergangenen Wochen auf die entblößten Nacken herunter. Trotzdem ist die Stimmung gut, man hört im Vorbeigehen einzelne Gesprächsfetzen, manchmal auch ein Lachen. Die meisten Wartenden sind jung, schätzungsweise zwischen 20 und 30, aber unter ihnen befinden sich auch Ältere und Kinder.
„Wie können wir kreativ werden und die Impfung zu den Menschen bringen?“ Das sei die Frage, die am Anfang dieser Veranstaltung gestanden hätte, sagt Thomas Dentzer, „Coordinateur attaché à la direction“ des Gesundheitsministeriums. Einen halbvollen Kaffeebecher haltend steht er im Eingang des berühmten Musikklubs „Den Atelier“ in der „Hollerecher Strooss“. In dieser rockigen Location, die einen Hauch des Infamen umweht, findet an diesem Mittwoch die Party „This Is Your Shot“ statt. Die Grundidee: Junge Partywillige können sich in den Räumlichkeiten des „Atelier“ zusammenfinden und bei der Musik von Mathias Treinen und DJ Nosi von 17 bis 22 Uhr tanzen – nach Wunsch können sie sich davor im Impfbus vor dem Klub immunisieren lassen oder sich dort über die Corona-Impfung informieren.
Tweens sind Impfmuffel
Laut Dentzer will das Gesundheitsministerium zurzeit besonders jene Bevölkerungsgruppen sensibilisieren, unter denen sich die wenigsten Geimpften befänden. Zu ihnen gehöre auch die Altersklasse zwischen 18 und 30 Jahren. „Erstaunlicherweise ist die Impfquote bei den 12- bis 18-Jährigen recht hoch“, sagt Dentzer. Ungefähr die Hälfte von ihnen sei mittlerweile geimpft. Anders sehe es bei den über 20-Jährigen aus, bei ihnen halte sich die Impfwilligkeit noch in Grenzen. Er spricht von einer Impfquote von zwischen 20 und 30 Prozent.
Über die Gründe hierfür kann der „Santé“-Mitarbeiter nur spekulieren – möglicherweise habe es damit zu tun, dass Jüngere weniger häufig schlimme Krankheitsverläufe erlebten. Dentzer zufolge habe das Gesundheitsministerium insgesamt zwölf Veranstaltungen mit Impfbus geplant. Während des E-Lake-Festivals am vergangenen Wochenende hatte dieser seinen ersten Auftritt. 110 Menschen entschieden sich da zu einer Impfung. Bei „This Is Your Shot“ können laut Dentzer zwischen 150 und 200 Personen geimpft werden. „Wir werden solche Veranstaltungen wahrscheinlich bis Herbst organisieren“, sagt er. Bei den zwischen 50- und 60-Jährigen gebe es auch noch einige Ungeimpfte. Um diese Gruppe zu erreichen, bräuchte man aber vielleicht ein anderes Format, fügt der „Santé“-Mitarbeiter hinzu.
„Uns ging es darum, einen geselligen Moment zu schaffen“, sagt Laurent Loschetter, Mit-Organisator der Impfparty und Manager des „Atelier“. Nach dem Erfolg des ersten CovidCheck-Konzerts, das der Musikklub im Juli in Mondorf organisierte, sei die „Santé“ wieder auf ihn und Team zugekommen und habe sie gefragt, ob sie ein Impf-Event auf die Beine stellen könnten. Das legte den Grundstein für „This Is Your Shot“, bei dessen Organisation auch das Ultraschall Collective beteiligt war. „Eigentlich sind es zwei separate Stationen“, erklärt Loschetter. Man könne sich auch impfen lassen und dann gehen – oder aber dank CovidCheck im Atelier feiern, ohne sich am Abend selbst impfen zu lassen. Für die Sicherheit der Geimpften sei laut Loschetter gesorgt: Es gebe jeweils sechs Sanitäter beim Bus und auf dem Atelier-Gelände.
Sorgen wegen Alkohol nach Impfung
Der Eindruck, dass dieses Event zwei getrennte Klientelen bedient, drängt sich einem in der ersten Stunde der Veranstaltung tatsächlich auf. Nach und nach tröpfeln Menschen in den Innenhof des „Atelier“, hinter dem DJ-Pult stehen die beiden Musiker und beginnen, mit lauten Rufen die Stimmung hochzupuschen. Die ersten Bierflaschen werden mit einem verheißungsvollen Tzzz-Laut geöffnet und Gläser klirren. Fragt man die Feiernden, ob sie sich auch hier impfen gelassen haben, erhält man unisono ein „Nein“ als Antwort. Zumindest unter den ersten Partygästen scheinen wenige zu sein, die vom Impf-Angebot Gebrauch gemacht haben.
Dabei sind die Plätze unter dem kleinen Zelt, auf denen sich die Frischgeimpften kurz ausruhen können, durchgehend besetzt. Unter ihnen befindet sich auch Melvin. Er habe fast anderthalb Stunden in der Schlange gewartet, erzählt der 20-Jährige. Es sei eine spontane Entscheidung gewesen, hierhin zu kommen. Seine Mutter und er hätten im Concorde-Einkaufszentrum einen Werbeflyer in die Hand gedrückt bekommen, da sei der Beschluss gefallen. Auf Feiern habe er jetzt keine Lust, sagt er, doch die Impfung habe er gut weggesteckt.
„Ich habe Bedenken wegen des Alkohols“, sagt Sophie, die zusammen mit ihrer Freundin Caroline bei der Teststation steht. Deswegen wisse sie nicht, ob sie sich hier impfen lassen wolle. „Ich vertraue der ,Santé‘ komplett, aber vielleicht möchte ich mich doch lieber ein andermal beim Hausarzt impfen lassen“, erzählt die 22-Jährige. Caroline pflichtet ihr bei: „Ich bin schon mit Johnson geimpft und ich war drei Tage lang krank – ich hätte mir nicht vorstellen können, direkt danach zu feiern.“ Im Gespräch gibt Dentzer Entwarnung hinsichtlich möglicher Wechselwirkungen zwischen Alkohol und Impfstoff: „Eine Impfung ist ja etwas anderes als eine Blutanalyse.“ Ein Bier danach sei völlig ungefährlich. „Der einzige Grund, warum allgemein von Alkoholkonsum nach einer Impfung abgeraten wird, ist der, dass er die möglichen Nebenwirkungen wie Kopfschmerzen verstärkt.“
Widersprüchliche Informationen im Umlauf
Auffallend ist, dass zu einigen Dingen auf der Impf- und Info-Veranstaltung „This Is Your Shot“ Verwirrung herrscht. So sind sich Gäste und Organisatoren uneinig darüber, welche Vakzine bei dem Event eigentlich gespritzt werden. Hier bekomme man nur Johnson, und eine Freundin habe ihr gesagt, dass die Verimpfung dieses Präparats bald in vielen Ländern gestoppt würde, erzählt Sophie. Demgegenüber sagt Loschetter, dass im Impfbus alle Impfstoffe parat liegen würden. Damit ist er nicht alleine: Kevin, der gerade Schlange steht, berichtet, er habe am Mittag bei der „Santé“-Hotline angerufen. Dort sei ihm gesagt worden, dass man auf der Veranstaltung frei zwischen allen Vakzinen wählen könne. Was der 22-Jährige nicht weiß: Dass man sich bei dem Event nicht nur impfen lassen, sondern auch feiern kann. „Wunderbar“, lacht Kevin. „Das schaue ich mir dann nachher mal genauer an.“
Dass in den Gefrierfächern im Impfbus nur Johnson und Biontech lagern, bestätigt schließlich Dentzer. Es kursierten aber widersprüchliche Informationen – ob verschiedene Dinge vielleicht nicht klar genug kommuniziert worden seien? „Die Kommunikation ist nie gut und spezifisch genug“, lenkt Dentzer ein. Das Problem sei, dass man im Vorfeld nicht wisse, welche Impfstoffe verfügbar seien. Auch sei die Veranstaltung relativ kurzfristig geplant worden. „Vor zwei oder drei Wochen, höchstens“, konkretisiert der Mitarbeiter des Gesundheitsministeriums.
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„…sich näher über die Impfung zu informieren…“, dat huet een besser virdrun ze maachen. Méiglechkeeten gëtt et jo genug.
L’Atelier! vous avez une licence de cabaretage et le CHL non ,donc que chacun de vous deux fais son métier…
Eine Frage der Ethik ist doch wohl die Tatsache,dass Impfverweigerer frei herumlaufen dürfen,setzen sie doch sich und vor allem andere Menschen einer tödlichen Gefahr aus. Und wer ist,im Jahre zwei der Pandemie,noch nicht hinreichend über die Impfung informiert? Wenn man den Diskussionen folgt nimmt man doch an,dass viele falsch informiert sind.(siehe Beitrag über Verweigerer in Afrika)