Kopstal / Zwischen Vorurteilen und Zusammenhalt – 13 Jahre videogames.lu und die Frage, was eine „echte“ Gamerin ausmacht
Seit 13 Jahren feiert der luxemburgische Gaming-Club videogames.lu das gemeinsame Zocken – doch für Frauen bleibt Gaming oft ein Spießrutenlauf gegen Vorurteile und Klischees. In einem offenen Gespräch erzählen Annabel und Livia von den Herausforderungen und der besonderen Gemeinschaft im Club.
„Muss ich mich dafür rechtfertigen, welche Spiele ich spiele, um als ‚echte‘ Gamerin anerkannt zu werden?“, fragt Annabel Schoellen. Der Sarkasmus in ihrer Stimme ist unüberhörbar, doch die Frage bleibt im Raum hängen. Annabel ist 29 Jahre alt, seit 2019 aktives Mitglied und mittlerweile Vereinssekretärin im luxemburgischen Gaming-Club „videogames.lu“, der in diesem Oktober seinen bereits 13. Geburtstag feiert.
Wie Annabel in die Gaming-Welt kam? Ihre ersten Schritte machte sie bei ihrem Nachbarn, als sie noch ein Kind war. „Meine erste eigene Konsole war eine PS2, die ich mir zur Kommunion gewünscht hatte. Seitdem ist das Gaming Teil meines Lebens.“ Sie beschreibt den Club als einen Ort, an dem das gemeinsame Spielen im Vordergrund steht, weit weg von toxischem Konkurrenzdruck. „Spill mat!“ lautet das Motto, eine Einladung an alle, die Lust haben, gemeinsam zu zocken und neue Leute kennenzulernen.
Doch so harmonisch es im Gaming-Café, einem Treffpunkt für Gleichgesinnte in Kopstal, auch sein mag – die Realität in der Online-Gaming-Welt sieht oft anders aus. Hier kämpfen Frauen nicht nur gegen digitale Gegner, sondern oft auch gegen veraltete Ansichten und toxische Kommentare.
Das erzählt auch Livia, eine weitere junge Frau, die gerne „League of Legends“ spielt. Für sie gehört es fast schon dazu, regelmäßig beleidigt zu werden, weil sie zum Beispiel einen Charakter spielt, der als „typischer Frauencharakter“ gilt. „Geh zurück in die Küche!“ oder „Was machst du überhaupt hier, du bist doch nur da, um Sandwiches zu machen!“. Viele Frauen erleben, dass ihre Gaming-Kompetenz infrage gestellt wird oder dass ihnen gar unterstellt wird, sie würden nur spielen, um die Aufmerksamkeit von Männern auf sich zu ziehen. Solche Kommentare sind keine Seltenheit und spiegeln ein klares Problem in der Gaming-Welt wider, das viele Frauen jedoch mit Durchsetzungsvermögen und Humor kontern.
Trotz solcher negativen Erfahrungen beschreiben sowohl Annabel als auch Livia die Gaming-Community als grundsätzlich positiv. Livia erklärt, dass die meisten Männer sie als Spielerin akzeptieren und respektieren. „Es hängt immer davon ab, mit wem man gerade spielt. Manche sind total nett, andere flamen (beleidigen) einfach ohne Grund.“
Die Herausforderung, als Frau im Gaming akzeptiert zu werden, ist alt. Gleichzeitig verändert sich die Szene langsam, auch durch die sichtbare Diversität bei Veranstaltungen wie dem Gaming-Café. Hier sind Frauen in allen Rollen vertreten – als Spielerinnen, Organisatorinnen oder einfach als Teilnehmende, die den Spirit des Vereins mittragen. „Die Frauen in der Community sind stark, sie sind engagiert, etwas zu bewegen“, erzählt Annabel von den Fortschritten im Club und in der Gaming-Szene in Luxemburg und der ganzen Welt. Dabei geht es ihr nicht nur um die zunehmende Anzahl weiblicher Mitglieder – es ist die Inklusion und Offenheit, die zählt.
Annabel und Livia fühlen sich im Club wohl und unterstützt. „Wir haben hier girly Girls, Tomboys, Cosplay-Girls, LGBTQ-Girls – alles ist dabei, und das ist cool“, sagt Annabel, wenn sie über die Diversität im Club spricht. Es ist ein Spiegelbild der Gesellschaft und gleichzeitig ein kleiner Mikrokosmos, der sich in eine positive Richtung entwickelt. Auch Livia merkt an, dass der Gaming-Verein im Vergleich zur allgemeinen Gesellschaft immer einen sicheren Raum bietet: „Auf Gaming-Events bekomme ich fast immer nur Komplimente für meine Outfits, und es ist einfach gemütlich.“
Keine Lust auf Pinkwashing
Doch sobald der Schritt aus dem Gaming-Event und zurück in die Online-Welt erfolgt, ändern sich die Bedingungen oftmals. Für viele Frauen bleibt das Erlebnis von Sexismus und Diskriminierung ein wiederkehrendes Thema. Gerade in kompetitiven Spielen ist die Community oft noch von Stereotypen und Vorurteilen geprägt. „Die Community ist anfangs immer etwas ,salty‘“, sagt Livia. Für Annabel ist das besonders frustrierend: „Ich kenne meinen eigenen Wert im Spiel“, sagt sie und macht damit klar, dass sie genau weiß, was sie kann und leistet. „Ich habe mir meine Auszeichnungen verdient.“
Diese Erfahrungen zeigen, dass die Community in Luxemburg oft noch zu klein ist, um flächendeckend eine geschützte Atmosphäre für Frauen zu schaffen. Das fängt schon bei der typischen Frage an: „Was spielst du denn?“ Eine Frage, die für Annabel so viel mehr bedeutet als nur eine belanglose Unterhaltung. Sie beschreibt sie als „die Frage, bei der ich mich irgendwie verurteilt fühle“. Sie fragt sich, ob es einigen nur darauf ankommt, dass sie bestimmte „richtige“ Spiele spielt, um auch anerkannt zu werden.
Ein besonders eindrücklicher Moment dazu ereignete sich 2022 bei einem Panel auf den Spring Games, als die Diskussionsrunde auf das Thema „Frauen im E-Sport“ kam. Der Moderator bezeichnete dort Frauen in der Szene als „garçon manqué“ – ein Ausdruck, der Annabel und viele Anwesende erschütterte. Trotz der positiven Worte am Ende der Diskussion bleibt dieser Moment ein Sinnbild für die Herausforderungen, mit denen Frauen im Gaming häufig konfrontiert sind.
Ein „Pink Gaming Day“ oder ähnliche Aktionen plant der Verein hingegen nicht. „Das wäre eher Pinkwashing“, betont Annabel. „Wir wollen, dass Frauen genauso wie Männer durch unser Engagement angezogen werden – ganz ohne künstliche Aufmachung. Alle sind willkommen.“ Die Gaming-Szene bietet Frauen in Luxemburg dennoch Chancen und Unterstützung. Organisationen wie WIDE (Woman in Digital Empowerment) haben beispielsweise schon reine Mädchen- und Frauen-Turniere organisiert.
Annabel, Livia und ihre Mitgamerinnen wissen, dass die Problematik nicht von heute auf morgen verschwindet. Mit der Zeit haben die beiden jedoch gelernt, die Trolle zu ignorieren und sich nicht von negativen Kommentaren beirren zu lassen. Annabel sieht es als ihre Aufgabe an, gerade jüngere Frauen in der Gaming-Welt zu unterstützen und ihnen eine positive Gemeinschaft zu bieten. „Wir sind wie eine kleine Familie, die zusammen spielt und sich gegenseitig motiviert“, sagt sie. Und so bleibt ein Wunsch der beiden Frauen, der weit über die Grenzen des Gamings hinausreicht: eine Welt, in der alle das spielen können, was sie wollen – ohne Vorurteile und mit vollem Respekt.
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